Strecke 6710: Wehrebrücke in Eschwege West

Karte der Kanonenbahn

Teil 2:
Die Kanonenbahn bis 1945


Da die Züge in Leinefelde Kopf machen mussten, das heißt, die Zugmaschine umspannen, fuhren kaum Durchgangszüge auf dem Streckenabschnitt Leinefelde-Treysa.

Strategisch wurde die Strecke ihrem Namen auch nie gerecht, weil Militärtransporte hier nur selten verkehrten und, abgesehen von wenigen Militärzügen in Friedenszeiten und unbedeutenden Militärtransporten im Ersten und Zweiten Weltkrieg, der Verkehr auf dem Teilstück sich auf den regionalen Personen- und Güterverkehr zwischen Leinefelde und Treysa beschränkte. Nach dem Ersten Weltkrieg erfolgte in den Jahren 1919 und 1920 die Demontage des zweiten Gleises sowie aller Ausfahrts-Signale und der Drehscheibe in Küllstedt unter der Oberaufsicht von französischen Soldaten. Wenig später wurde auf der Strecke der Nebenbahn-Betrieb eingeführt mit 40 km/h bei Reisezügen und 30 km/h bei Güterzügen.

An der Fahrgeschwindigkeit änderte sich aber hierbei nicht viel. Die Züge fuhren vorher auch nicht schneller und, wie der Fahrplan verschiedener Jahre beweist, verminderte sich die Fahrzeit nach der Umstellung auf Nebenbahn-Betrieb sogar noch. Das langsame Sterben der Berlin-Coblenzer Eisenbahn begann am Ende des 2. Weltkriegs im Jahre 1945:
22. Fe­bru­ar 1945, mittags: Bombenangriff durch amerikanische Bomber auf den Eschweger Bahnhof. 44 Personen starben, davon 21 Eschweger, die meisten Bahngebäude, Lokschuppen usw., die Häuser der Eisenbahn-Straße, 60 % der Gleis-Anlagen sowie ein Güterzug mit 40 Achsen wurden zerstört und weitere 100 Güterwagen schwer beschädigt. Nach 24 Stunden war die Strecke nach Niederhone wieder befahrbar, dank über 600 Helfern, die die gröbsten Trümmer beseitigten. Einige der Opfer wurden am 25. Fe­bru­ar 1945 auf dem Ehrenfriedhof in Eschwege zur letzten Ruhe gebettet.

31. März 1945, nachmittags um 16.55 Uhr: Der Bahnhof von Waldkappel existiert nicht mehr. Ein Munitionszug mit V 1-Zündern wurde durch amerikanische Jagdbomber in die Luft gesprengt. 17 Personen starben, 138 Häuser in Waldkappel versanken in Schutt und Asche. Ein detaillierter Bericht über den Angriff folgt in der Beschreibung der Geschichte des Bahnhofs Waldkappel. 3. A­pril 1945: Ein schicksalsschwerer Tag für die Kanonenbahn. Sprengung des Frieda-Viadukts durch Verbände der Deutschen Wehrmacht. Somit war die Kanonenbahn für alle Zeiten unterbrochen. Es gab nach dem Kriege Überlegungen, das zerstörte Frieda-Viadukt wieder aufzubauen und in Geismar einen Grenzübergang zu errichten. Daraus wurde aber nichts, denn die Strecke erlaubte nur geringe Höchstgeschwindigkeiten, auch die Sanierungs- und Wiederaufbaukosten wären zu hoch gewesen. Auch am 3. A­pril 1945: Sprengung der Eschweger Werrabrücke um 6 Uhr. Vorher fuhr der letzte durchgehende Zug morgens von Eschwege nach Leinefelde.

6. A­pril 1945: Die Sprengung des Lengenfelder Viadukts war durch Wehrmachtsangehörige bereits vorbereitet, doch durch die Initiative von Bürgermeister Franz Müller und des Hauptmanns einer Gefangenen-Bewachungsmannschaft konnte die Sprengung verhindert werden, denn diese hätte fatale Folgen für den Ort gehabt, da sich unter der Brücke viele bewohnte Gebäude befinden. So ist wenigstens dieses prächtige Bauwerk der Nachwelt im Original-Zustand erhalten geblieben.

Auch am 6. A­pril 1945, 5 Uhr früh: Sinnlose Sprengung des Büttstedter Viadukts. Somit hörte die Kanonenbahn als Gesamtheit auf zu existieren.

Nachtrag: Die Gesamtstrecke zwischen Leinefelde und Treysa wurde bereits am 24. März 1945 ohne Feindeinwirkung unterbrochen, als an diesem Tage ein schwerer Güterzug in Richtung Treysa rollte. Aus ungeklärter Ursache rissen die letzten, schwer beladenen Waggons plötzlich ab und rollten die abschüssige Strecke hinab nach Malsfeld zurück. Hier versuchte man noch, die Weichen umzustellen, aber es war bereits zu spät.

Mit über 100 km/h Geschwindigkeit rollten die Waggons direkt auf die Fulda-Brücke. Hier sprang ein mit Langholz beladener Waggon aus dem Gleis und stellte sich quer. Die Wucht der nachfolgenden Waggons reichte aus, die Brücke zu zertrümmern und Teile davon mit in die Tiefe zu reißen.
Weiter zu Teil 3: Die Kanonenbahn nach 1945

Autor: Hermann Josef Friske

Teil 4:

Kopfbahnhof der Kanonenbahn im Bahnhof Leinefelde;<br />fotografiert von Hermann Josef Friske am 15. April 2005

Der Bahnhof Leinefelde

Aus Berlin kommend, benutzte die Kanonenbahn zunächst den neu gebauten und am 15. A­pril 1879 eröffneten Streckenabschnitt von Berlin-Charlottenburg über Belzig nach Blankenheim mit einer Länge von 178,53 km. Lediglich das 3,1 km lange Teilstück zwischen Charlottenburg und Grunewald wurde erst am 1.6.1882 eröffnet. Zwischen Blankenheim und Leinefelde, etwa bei km 80, wurde die bereits im Jahre 1867 erbaute Trasse der Halle-Casseler Eisenbahn benutzt. Das Dorf Leinefelde, ein kleiner, aufstrebender Eichsfeld-Ort, der erst am 7. Ok­to­ber 1969 die Stadtrechte erhielt und bereits im Jahre 1867 rund 40 Industrielle aufwies, die sehr an der Eisenbahn interessiert waren, erhielt seinen Bahnhof bereits am 9. Ju­li 1869. Die Bewohner von Leinefelde sollen damals gesagt haben: "Jetzt kämmet der Teiwl, ich sitze mich dach nit in daen Zock, un waenn se mich nach mää verspraechn". Durch die Eröffnung des Teilstücks Leinefelde-Mühlhausen der Leinefelde-Gothaer Eisenbahn am 3. Ok­to­ber 1870 wurde Leinefelde zum Abzweigbahnhof. Wegen der Kriegsereignisse des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 wurde auf jegliche Eröffnungs-Feierlichkeiten verzichtet. Diese Bahn führte man südlich parallel zur Halle-Casseler Bahn an einem separaten Bahnsteig mit einem Verbindungsgleis zur Hauptbahn. Die Bahn verließß den Bahnhof in östlicher Richtung, um nach wenigen Metern nach Süden in Richtung Gotha abzubiegen.

In den Jahren 1879/1880 wurde der Abschnitt Leinefelde-Silberhausen/Trennung (8,77 km) zweigleisig ausgebaut, um die Kanonenbahn über dieses Teilstück führen zu können. Die Eröffnung des Teilstücks zwischen Leinefelde und Eschwege erfolgte am 15. Mai 1880. Im Bahnhof Leinefelde wurde die Kanonenbahn, von Berlin kommend, an den Bahnsteig der Leinefelde-Gothaer Eisenbahn herangeführt, jedoch mit zwei eigenen Gleisen. Das Gleis 16 gehörte zur Strecke nach Gotha, Gleis 17 war Verkehrsgleis und Gleis 18 das Gleis der Kanonenbahn. Am Bahnsteigende wurden diese drei Gleise mit einer 16-Meter-Drehscheibe verbunden, die Loks mussten also Kopf machen, um über die Drehscheibe den Bahnhof wieder zu verlassen, während am anderen Zugende eine neue Lok angekuppelt wurde. Warum dieser umständliche Weg gewählt wurde und man auf eine direkte Verbindungskurve verzichtete, ist nicht bekannt. Vielleicht war der in dieser Zeit nur geringe Aktionsradius der Lokomotiven ausschlaggebend, vielleicht war es aber auch ein Zugeständnis der Staatsbahn an die Gothaer Zweigbahn und der gemeinsamen Nutzung der Trasse zwischen Leinefelde und Silberhausen-Trennung. Die Drehscheibe wurde nach der Stilllegung des Streckenabschnitts der Kanonenbahn zwischen Silberhausen und Geismar ausgebaut und auf dem Kopfbahnhof halten nur noch die Regionalzüge nach Gotha und Erfurt.

Ab 1. Sep­tem­ber 1897 wurde Leinefelde ein kleiner Bahn-Knotenpunkt. An diesem Tage wurde die letzte Etappe (zwischen Leinefelde und Duderstadt) der Nebenbahn Leinefelde-Wulften eröffnet. Sie mündete auf einem nördlich der Halle-Casseler Bahn gelegenen Bahnsteig in den Bahnhof ein. Auf dieser eingleisigen Strecke durften lediglich 50km/h Höchstgeschwindigkeit gefahren werden. Diese Nebenbahn wurde nach der Grenzziehung im Jahre 1945 auf DDR-Gebiet nur noch bis Teistungen betrieben und endete dort. Nach der Wende wurde diese Strecke am 10. Ju­li 2001 stillgelegt. Im 2. Weltkrieg wurde Leinefelde weitgehend von Bomben verschont, jedoch wurde der Bahnhof kurz vor Kriegsende am 1. A­pril 1945 durch amerikanische Flugzeuge bombardiert. Dieser Angriff richtete jedoch nur geringen Schaden an. Am 10. A­pril 1945 folgte die Besetzung von Ort und Bahnhof Leinefelde durch amerikanische Truppen und am 7. Ju­li 1945 rückten sowjetische Truppen ein, um fortan für über 40 Jahre die Fäden in der späteren "DDR" in der Hand zu halten.

Nach dem Verlassen des Bahnhofs Leinefelde in südlicher Richtung erreichen wir bei km 3,41 den Haltepunkt Birkungen (eröffnet 01. Ok­to­ber 1895). Dieser besteht aus einem erweiterten Schrankenposten-Gebäude, das in den 30er Jahren modernisiert wurde. Daneben steht noch der kleine Güterschuppen, der schon seit vielen Jahren eine andere Funktion besitzt. Nebengleise sind an diesem Haltepunkt nicht mehr vorhanden. Heute halten in Birkungen nur noch einige wenige Regional-Züge, alle anderen rauschen vorbei. Weiter geht es am ehemaligen Schrankenposten 5 den Giersgraben hinauf in Richtung des ehemaligen Haltepunkts Silberhausen-Trennung bei km 8,22. Von hier aus zweigte die Kanonenbahn auf eigenen Gleisen in westlicher Richtung von der gemeinsamen Trasse ab und wurde mittels einer Brückenkonstruktion kreuzungsfrei über die Gothaer Bahn hinweggeführt. Diese Brücke wurde erst nach 1945, wahrscheinlich im Zusammenhang mit dem Rückbau der Strecke zwischen Geismar und der Grenze im Sommer 1947, abgebaut, da die Trennung seit dieser Zeit nur noch eingleisig befahren wurde und auch die Gothaer Bahn auf eingleisigen Betrieb zurückgebaut worden ist. Es gibt noch Zeitzeugen, die den Abriss des Überbaus beobachtet haben, aus dessen Steinen ein Eisenbahner-Wohnhaus gebaut werden sollte, die jedoch von der Stadt Dingelstädt zum Bau einer Straßenbrücke übernommen wurden. Personenzüge hielten am Haltepunkt Silberhausen-Trennung lediglich vom 1. Mai 1905 bis etwa ins Jahr 1940. Es gab sogar einen Bahnsteig mit Wartehaus und Abort am Abzweig.
Weiter zu Teil 5: Der Bahnhof Dingelstädt

Autor: Hermann Josef Friske

Teil 6:

Kefferhäuser Unstrut-Viadukt;<br />fotografiert von Hermann Josef Friske am 18. März 2006

Vom Haltepunkt Kefferhausen zum Bahnhof Küllstedt

In der Nähe vom Haltepunkt Kefferhausen muss es einmal eine Bahnschranke mit Wärterhäuschen (etwa bei km 12) gegeben haben, denn es ist belegt, dass am 4. Ok­to­ber 1910 zwei Ziegen des Schrankenwärters von einem Zug überfahren worden sind. Die Bahnbediensteten waren in dieser Zeit auf Viehhaltung angewiesen, denn der Verdienst war äußerst gering. Mein Großvater Paul Friske verdiente z. B. als Postbeamter im Jahre 1918 gerade mal 5 Mark in der Woche.

Ein "ruchloser Anschlag" war Anfang Oktober 1910 der Grund, dass der Frühzug kurz vor Kefferhausen einen außerplanmäßigen Halt einlegen musste. Auf den Schienen lagen große Steine, offenbar um den Zug zum Entgleisen zu bringen, aber durch die Wachsamkeit des Zugführers konnte dieses verhindert werden. War es nun wirklich ein Anschlag auf die Bahn oder vielmehr ein folgenschwerer Dummen-Jungen-Streich, der von einigen Halbwüchsigen ohne Bedacht auf die Folgen verübt wurde?

Bei km 12,68 erreichen wir in einer Höhe von 374,30 Meter über NN den Haltepunkt Kefferhausen, der am 15. De­zem­ber 1903 eröffnet wurde, um den Pilgerstrom zur nur wenige Jahre davor erbauten Wallfahrtsstätte "Kerbscher Berg" bei Dingelstädt bewältigen zu können. Der Haltepunkt wurde von den Fahrgästen so gut angenommen, dass ab 1. Ju­li 1914 auch der Stückgut-Verkehr in Kefferhausen abgefertigt wurde.

Nur wenige Meter hinter dem Haltepunkt Kefferhausen befindet sich der Unstrut-Viadukt bei km 12,8, der mit einer Höhe von 25,7 Meter und einer Länge von 52,86 Meter das größte Brückenbauwerk aus Stein im Streckenabschnitt zwischen Leinefelde und Treysa ist. Die 3 Gewölbeöffnungen besitzen eine Spannweite von je 13 Metern. Die Brückengewölbe wurden aus Sandstein, der Rest aus Kalkstein ausgeführt. Die Ansichtsflächen besitzen eine Größe von 754 m², das bedeutet bei Baukosten in Höhe von 192.000 Mark einen Quadratmeterpreis der Ansichtsfläche von 255 Mark. Das Mauerwerk besaß einen Kubikmeterpreis von 42,80 Mark und war somit das teuerste im Streckenabschnitt. Der hohe Preis kam durch die Errichtung der umfangreichen Stützmauern und die recht hohen örtlichen Materialpreise zustande.

Vom Haltepunkt Kefferhausen aus führte die Strecke für 5,22 km fast geradlinig mit nur geringer Steigung bis zum Bahnhof Küllstedt, der sich bei km 17,90 in 401,48 Meter über NN befindet. Auf diesem Abschnitt konnten die Loks einmal richtig aufdrehen. Der Bahnhof Küllstedt wurde am 15. Mai 1880, dem Tag der Streckeneröffnung, gemeinsam mit dem Streckenabschnitt Eschwege-Leinefelde seiner Bestimmung übergeben.

Bereits 1 Jahr nach ihrer Eröffnung hatte die Kanonenbahn im Jahre 1881 einige prominente Fahrgäste zu verzeichnen. Am 12. Mai überquerte Kaiser Wilhelm, der I, bei seiner Heimreise von Wiesbaden nach Potsdam auch den Kanonenbahn-Abschnitt über das Eichsfeld. Während eines kurzen Aufenthalts im Bahnhof Leinefelde, wahrscheinlich wegen eines Lok-Wechsels, wurde der Kaiser von vielen anwesenden Reisenden und auch von Einwohnern aus Leinefelde umjubelt, denn eine solche Sensation sprach sich wie ein Lauffeuer in Windeseile herum. Am 3. Ok­to­ber 1881 benutzten Kronprinz Wilhelm, der spätere Kaiser Wilhelm, der II, und seine Gemahlin, Prinzessin Auguste Viktoria, von Trier kommend, die Kanonenbahn zwischen Eschwege und Leinefelde. Nachdem im Jahre 1881 so viel Prominenz über den Kanonenbahn-Abschnitt des Eichsfeldes gefahren war, dürfte es nicht verwundern, dass 25 Jahre später, im Herbst 1906, auch noch das Kaiser-Manöver im Raum Küllstedt-Büttstedt stattgefunden hatte. Im Rahmen des Manövers wurde eine Artillerie-Einheit am Bahnhof Küllstedt entladen.

Im Jahre 1906 wurde mit dem Bau des 2. Gleises zumindest zwischen Küllstedt und Schwebda begonnen. Im Rahmen dieser Bauarbeiten erhielt der Bahnhof Küllstedt auch eine 16 m-Drehscheibe, die sich im Nordosten, kurz hinter der Einfahrt von Dingelstädt her, auf Gleis 4 befand. Leider wurde die Drehscheibe nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg in den Jahren 1919/1920 beim Rückbau der Strecke auf eingleisigen Betrieb wieder ausgebaut. Im Jahre 1915 wies der Bahnhof beachtliche 8 Gleise auf, da durch die vielen Tunnels in unmittelbarer Nähe des Öfteren Bauzüge hier Station machten und über Nacht hier abgestellt wurden. Nur das elektrische Licht ließ auf sich warten. Es wurde erst im Jahre 1937 auf dem gesamten Bahnhofsbereich eingebaut. In der heißen Phase des 2. Weltkriegs, in den Jahren 1944 und 1945, wurde der Bahnhof Küllstedt mehrmals von amerikanischen Jagdbombern angegriffen. Diese richteten zum Glück keinen nennenswerten Schaden an. Standen vor dem Angriff Züge im Bahnhof, wurden sie rechtzeitig in den Küllstedter Tunnel gefahren.

Auch die wirtschaftliche Bedeutung des Bahnhofs Küllstedt war beachtlich. Er war der bedeutendste der vier Eichsfeld-Bahnhöfe. Bereits Anfang der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts, fast gleichzeitig mit der Eröffnung des Bahnhofs, erbaute Carl Müller (geb. am 7. Ok­to­ber 1858) die Gebäude und Lagerhallen für seinen Kolonialwaren-Großhandel, der durch seinen steigenden Umsatz auch an der Wirtschaftlichkeit des Bahnhofs stark beteiligt war. Leider verstarb Carl Müller viel zu früh im blühenden Alter von nur 48 Jahren am 23. No­vem­ber 1906. Außer dem Großhandels-Unternehmen bildete die Holzabfuhr das größte Kontingent auf dem Bahnhof Küllstedt. Ansonsten war der Bahnhof der Entladebahnhof für die Kohlenhandlungen in den umliegenden Orten.

Für die Dauer von 20 Jahren, von 1937 bis 1957, spielten die Flachsanlieferung an das ehemalige Zisterzienserinnen-Kloster Anrode und die Abfuhr der fertigen Wergballen ebenfalls eine wichtige Rolle auf dem Bahnhof Küllstedt. Der Abtransport von anderen Industrie-Gütern war eher gering, nur die Anfuhr von Halbfertigwaren spielte eine gewisse Rolle.
Weiter zu Teil 7: Der Bahnhof Küllstedt und seine Bahnhofsgaststätte

Autor: Hermann Josef Friske

Teil 8:

Nordportal des Küllstedter Tunnels;<br />fotografiert von Hermann Josef Friske am 21. August 2010

Vom Bahnhof Küllstedt zum Küllstedter Tunnel

Unmittelbar hinter dem Bahnhof Küllstedt wird die Strecke von der Bahnhofstraße überquert, die zwischen Küllstedt und Büttstedt im Jahre 1904/1905 gebaut wurde. Bei km 18,3 befindet sich die Wasserscheide zwischen Werra und Unstrut mit der höchsten Stelle der Kanonenbahn bei 401 Meter ü. NN. Von hier aus sind es nur noch wenige Meter bis zur Gießebrücke bei km 18,5. Sie überquert die heutige Landstraße nach Büttstedt und den Bach Gieße.

Die Brücke wurde ursprünglich als steinernes Viadukt erbaut, hatte eine Länge von 39,10 Meter und eine Höhe von 17,50 Meter. Sie teilt sich in eine Öffnung mit 11 Metern und zwei mit 9 Metern auf. Die Baukosten betrugen 77.990 Mark bei Ansichtsflächen in einer Größe von 381 m², das ergibt einen Quadratmeterpreis der Sichtflächen von 205 Mark. Die Brücke wurde in den letzten Kriegstagen am 6. A­pril 1945 noch unsinnigerweise von der Deutschen Wehrmacht gesprengt, aber bereits im Juli/August 1945 wurde mit dem Wiederaufbau begonnen. Mit dem ging es zügig voran, so dass am 28. De­zem­ber 1945 die Belastungsprobe stattfinden konnte und noch am 31. De­zem­ber 1945 der erste Zug nach Geismar fahren konnte. Die Gießebrücke wurde zunächst nur als Notbrücke neu errichtet, die erst im Jahre 1982 gründlich saniert aber in der Bauweise von 1945 beibehalten wurde. Schade! Zwischen der Gießebrücke und dem Küllstedter Tunnel lag noch der Schrankenposten 10 im so genannten "Böddischen" bei km 19,2, der an der alten Straße von Küllstedt nach Effelder lag (heute nur noch ein Feldweg) und dessen Wohnhaus bis ins Jahr 1959 bewohnt war, danach noch als Getreidelager diente und wohl Ende der 60er Jahre abgerissen wurde. Von Posten 10 aus sind es nur noch etwa 300 m bis zum Küllstedter Tunnel bei km 19,476, der eine Länge von 1.530 Meter aufzuweisen hat und dessen Ende sich bei km 21,006 befindet. Mit dem Bau des Küllstedter Tunnels wurde am 3. Ok­to­ber 1876 begonnen, wobei zur Tunnelbohrung bereits Maschinen vom Typ Frauvors & Dubois eingesetzt wurden, jedoch mit mäßigem Erfolg. Es wurde mit diesen Maschinen lediglich eine minimale Bohrleistung erreicht, die zwischen 59 cm und 86 cm pro Tag lag. Dieses lag an der Beschaffenheit des Gebirges und war außerdem teurer als die Handbohrung, so dass bereits am 22. No­vem­ber 1876 wieder auf Handbohrung umgestellt wurde. Beim Vorantreiben des Tunnels traf man auf eine starke Wasserader, bei der man erst einen Seitenstollen graben musste, dessen Fugen mit Zement ausgegossen wurden, um das Wasser abzuführen und das Tunnelgewölbe an der betroffenen Stelle auch nochmals mit einem besonderen Zementguss versehen wurde. Der getrocknete Seitentunnel wurde anschließend mit Steinen gut voll gestopft. Zusätzlich wurden weitere Stollen entlang der Widerlager zwecks besseren Wasserabfluss vorgetrieben. Dass diese Maßnahmen jedoch immer noch nicht ausreichten, sollte sich bereits wenige Jahre später herausstellen, da die Tunnelbau-Technik im Jahre 1878 noch nicht so weit fort geschritten war, dass man alle Tricks beherrschte, um drohenden Wasser- und Gewölbe-Einbrüchen Herr zu werden. Im Tunnel herrscht ein Nord-Süd-Gefälle von 1 : 112 bei einer mittleren Höhenlage von 384,50 m über NN. Der Tunnel besitzt die Form einer S-Kurve mit einem 975 Meter langen geraden Mittelstück. Die Widerlager des Tunnels bestehen aus Kalkstein, das Tunnelgewölbe selbst hingegen aus Buntsandstein. Da man den Küllstedter-Tunnel von zwei Seiten aus vorgetrieben hat und die Messtechnik noch nicht so ausgefeilt war wie heute, befindet sich in der Mitte des Tunnels ein Absatz von etwa 30 cm, da sich die beiden Tunnelhälften doch nicht so exakt dort getroffen haben, wo es eigentlich geplant war. Der Küllstedter Tunnel verschlang die höchsten Baukosten aller Tunnel im Streckenabschnitt zwischen Leinefelde und Treysa und kostete mit seiner Länge von 1.530 Meter die stolze Summe von 2.642.000 Mark, wovon auf die Portale der Betrag von 22.000 Mark fiel, das bedeutet einen Preis für den laufenden Meter von 1726,80 Mark. Das Südportal krönte die Aufschrift: "Begonnen 1876" und am Nordportal befand sich der Text: "Vollendet 1879". Von den Worten ist heute an den Portalen nichts mehr zu finden, nur noch die beiden Jahreszahlen krönen die Portale.
Weiter zu Teil 9: Vom Küllstedter Tunnel zum Mühlenberg-Tunnel I

Autor: Hermann Josef Friske

Teil 10:

Blick aus dem Heiligenberg-Tunnel auf den Haltepunkt Großbartloff;<br />fotografiert von Hermann Josef Friske am 21. August 2008

Vom Mühlenberg II-Tunnel zum Haltepunkt Großbartloff

Bei einem Abschreiten der Strecke im Rottenbachtal fand der Autor bei km 4,7, nur wenige Meter hinter dem Westportal des Mühlenberg-II-Tunnels, auf der rechten Seite die Grundmauern eines etwa 10 Meter x 4 Meter großen Gebäudes, welches die Reste des ersten Haltepunkts Großbartloff, eröffnet am 1. De­zem­ber 1894, sein könnten. Das machte Sinn, denn hier gibt es eine Weg-Unterführung und einen direkten Weg nach Großbartloff. Außerdem ist es die einzige Stelle im Rottenbachtal, an der sich neben den Gleisen ausreichend Platz für ein Wartehaus bzw. ein Streckenhaus befindet. Selbst laut einer alten Großbartloffer Chronik befand sich der erste Großbartloffer Haltepunkt an dieser Stelle. Die Großbartloffer sollen, solange ihr alter Haltepunkt bestand, stets Angst gehabt haben, ihre Station würde durch die nur geringe Entfernung zum Haltepunkt Effelder geschlossen. Im Bereich des Rottenbachtals soll es auch noch Reste von Unterständen der Tunnelwache aus dem 1. Weltkrieg geben. Direkt hinter dem Westportal des Tunnels kam es am 4. Sep­tem­ber 1937 zu einem schweren Eisenbahnunglück, als die Lok 57 1827, stationiert im BW Eschwege, mit einem von Leinefelde herkommenden Personenzug durch eine Dammabsenkung vor dem Tunnelmund um 15.20 Uhr entgleiste. Die Lok stürzte nach links um, der Packwagen wurde durch die Wucht der nachfolgenden Personenwagen völlig zertrümmert, während diese sich quer stellten und teilweise umstürzten. Bei dem Unglück gab es einen Schwer- und drei Leichtverletzte.

Die Strecke verliert jetzt immer mehr an Höhe. Der nun folgende Heiligenberg-Tunnel liegt in seiner mittleren Höhenlage nur noch 329 Meterüber NN. Wenige Meter vor dem Tunnel rauscht noch ein ziemlich hoher Wasserfall und bei der Wegüberquerung am km 25,24 liegt der im Jahre 1921 auf unbeschrankten Betrieb umgebaute Bahnübergang. Der Tunnel besteht aus einer einzigen Krümmung, hat eine Länge von nur 198 Meter und wurde in den Jahren 1878 bis 1879 erbaut. Das Gefälle beträgt im Inneren des Tunnels nur noch 1 : 96 und die Deckschicht besitzt lediglich eine Stärke von 10 bis 12 Meter. Ein Einschnitt wäre hier wahrscheinlich billiger gewesen, aber infolge des lockeren und stetig nachrutschenden Gesteins entschied man sich hier für den Bau eines Tunnels. Dieser beginnt bei km 25,533 und endet bei km 25,731. Der Tunnel war verhältnismäßig teuer, er kostete 322.000 Mark, von denen rund 7,5 % der Baukosten allein auf die Portale fielen, nämlich 24.000 Mark, das bedeutet einen Preis von 1.626,26 Mark für den laufenden Meter Tunnel im Gegensatz zum Mühlenberg-II-Tunnel, dort kostete der laufende Meter Tunnel lediglich 1.341,11 Mark. Die unverhältnismäßigen Baukosten für die Portale wurden durch fortwährende Rutschungen am Tunnelmund verursacht. Die ersten Instandsetzungsarbeiten am Tunnel begannen auch hier schon wenige Jahre nach der Eröffnung der Strecke.

Nur etwa 120 Meter hinter dem Heiligenberg-Tunnel erreichen wir bei km 25,85 den in einer Höhe von 328,70 Meter über NN liegenden Haltepunkt Großbartloff. Er besteht bereits, wenn auch ursprünglich an anderer Stelle im Rottenbachtal, wahrscheinlich bei km 24,7 direkt hinter dem Mühlenberg-II-Tunnel gelegen, seit dem 1. De­zem­ber 1894 und wurde per 20. Mai 1902 an die jetzige Lage am talseitigen Ende des Heiligenberg-Tunnels verlegt. Das Gebäude zeigt sich noch in einem guten Zustand, ist heute privatisiert und fungiert als Wochenendhaus. Sogar das Schild "Großbartloff" erinnert noch an die ehemalige Funktion des Gebäudes, auch wenn es vermutlich nicht mehr das Original ist. Das Toilettenhaus dient heute, wenn auch in der Höhe etwas gestutzt, als Garage. Der Haltepunkt befindet sich etwa einen Kilometer oberhalb des Ortes Großbartloff. Unmittelbar hinter dem Haltepunkt in Richtung Lengenfeld unterm Stein existiert noch ein unbeschrankter Bahnübergang. An dieser Stelle möchte ich über die Entgleisung einer Diesellok berichten, die sich 1 Jahr vor der Wende, am 2. No­vem­ber 1988, ereignete. Der Frühzug Nr 18561 in Richtung Geismar entgleiste durch einen infolge längeren Eisregens umgestürzten und quer zu den Gleisen liegenden Baumstamm oberhalb des Campingplatzes Luttergrund. Da nur die Lok entgleiste und die Waggons in den Gleisen blieben, wurde der einzige Fahrgast des Zuges, und das zu DDR-Zeiten, auch nicht verletzt. Dieser machte sich anschließend die paar Kilometer bis zu seinem Reiseziel Großbartloff zu Fuß auf die Socken, das waren immerhin etwa 3 km, und das im November. Die Lok wurde nach dem Unfall mit Seilwinden wieder auf die Gleise gesetzt. Im Ort selbst hat man im Ja­nu­ar 2006 in der ehemaligen Schule ein kleines Kanonenbahn-Museum eröffnet, in dem ein kurzes Stück der Strecke als Modellbahn in der Spur 1 nachgebaut wurde. Außerdem konnte man eine visuelle Bahnfahrt von Eschwege nach Leinefelde erleben sowie eine reichhaltige Auswahl an historischen Fotos bewundern. Inzwischen wurde das Museum nach Lengenfeld verlegt. Zwischen dem Haltepunkt Großbartloff und dem bei km 27,931 folgenden Entenberg-Tunnel führt die Strecke an mehreren Stützmauern vorbei mit kurvigem Verlauf weiterhin am Hang entlang stets bergab.
Weiter zu Teil 11: Das Wohnhaus am Entenberg-Tunnel

Autor: Hermann Josef Friske

Teil 12:

Ostportal des Entenberg-Tunnels mit dem Kilometerstein km 27,9;<br />fotografiert von Hermann Josef Friske am 27. Mai 2007

Der Entenberg-Tunnel

Vom Haltepunkt Großbartloff aus führt die Strecke in reichlichen Windungen immer am Hang entlang hinab bis zum 5. Tunnel, den Entenberg-Tunnel. Zunächst aber treffen wir zwischen km 26,3 und km 26,55 an der dem Berghang zugewandten Seite eine 250 Meter lange Stützmauer an, die verhindern soll, dass der Berghang auf die Gleise rutscht.

Bei km 27,3, vor dem Eintritt der Strecke in einen etwa 300 Meter langen Grabeneinschnitt, in dem die Felsen an beiden Seiten der Strecke bis zu einer Höhe von etwa 30 Metern emporragen und beim Bau mit Sicherheit nicht nur mit Hacke und Schaufel, sondern auch mit Sprengstoff gearbeitet wurde, finden wir an der dem Tal zugewandten Seite die Überreste eines Gebäudes, das ein Streckenposten gewesen sein könnte. Das würde Sinn machen, denn hier fallen jedes Jahr eine große Anzahl Felsbrocken vor allem auf das ehemalige Gleis für die Bergfahrt.

Nach dem Einschnitt folgt nochmals eine nur etwa 20 Meter lange Stützmauer, dann sehen wir schon bei km 27,8 den nächsten Bahnübergang, bei dem ich mir nicht sicher bin, ob dieser bis 1921 nicht auch mit einem Schrankenposten versehen war, denn ein geebneter Platz links hinter dem Bahnübergang in Richtung Entenberg-Tunnel ist heute noch vorhanden.

Bei km 27,78, also am Bahnübergang nahe dem Entenberg-Tunnel und dem Posten Schneider, wurde am 31. Au­gust 1912 der Rottenführer Jacob Montag aus Geismar von einem Kleinwagen überfahren und getötet, von einem Bahnfahrzeug oder einem Auto?. Er wurde 43 Jahre alt und hinterließ Frau und 6 Kinder im Alter zwischen 4 Monaten und 12 Jahren.

Der Entenberg-Tunnel beginnt bei km 27,931, endet bei km 28,219, hat eine Länge von nur 288 Metern, besitzt ein Gefälle von 1 : 101 und befindet sich in einer mittleren Höhenlage von 303 Meter über NN. Das Tunnelgewölbe besteht am Südportal auf einer Länge von 30 Metern aus Buntsandstein, ansonsten aus Kalkstein. Der Tunnel besteht aus einer einzigen Krümmung und wurde im Jahre 1878 komplett errichtet, das entspricht einer Bauzeit von ungefähr 3 Monaten.

Anlässlich der Fertigstellung des Entenberg-Tunnels am 4. A­pril 1878 wurde für die Einweihungsfeier extra eine Festschrift angefertigt, die auch die Lieder, die während der Feier gesungen wurden, enthielt. Die Überdeckung des Tunnels beträgt nur etwa 30 Meter Gebirge. Die Baukosten des Entenberg-Tunnels betrugen 334.017 Mark, wovon auf die Portale lediglich 10.000 Mark entfielen, das bedeutet einen Preis von 1.159,78 Mark für den laufenden Meter Tunnel. Dieser wurde wegen ständigem Steinschlag an der Nordseite im Jahre 1915 um 7 Meter verlängert, wobei das Portal vollkommen neu in Betonbauweise errichtet wurde.

Am unteren Ausgang des Tunnels befinden sich noch links in unserer Fahrtrichtung die Grundmauern von einem Streckenposten sowie auf der gegenüberliegenden Seite die kärglichen Überreste des dazugehörigen Wohnhauses. Die inzwischen verrostete Hülle vom Läutewerk des Postens war lag bis vor wenigen Jahren noch unter Gestrüpp versteckt zwischen den Resten des Wohnhauses und dem Entenberg-Tunnel. Der Posten fungierte gleichzeitig als Streckenläufer, wie eine historische Aufnahme zeigt, denn das Quergleis dürfte für das Schienenfahrrad bestimmt gewesen sein.

Die Obstbäume des zum Grundstück gehörigen Schrebergartens blühen und tragen auch heute noch in jedem Jahr, wenn auch der eigentliche Garten schon längst verschwunden ist. Etwa bei km 28,35 befindet sich noch eine Unterführung mit einem Holzabfuhrweg, der den Posten auf Umwegen mit dem Ort Lengenfeld unterm Stein verband.
Weiter zu Teil 13: Vom Entenberg-Tunnel zum Lengenfelder Viadukt

Autor: Hermann Josef Friske

Teil 14:

Südwestseite des Lengenfelder Viadukts;<br />fotografiert von Hermann Josef Friske am 13. August 2008

Der Lengenfelder Viadukt (I)

Bei km 30,55 treffen wir auf das wohl imposanteste Bauwerk der Kanonenbahn im Streckenabschnitt zwischen Leinefelde und Treysa, den Lengenfelder Viadukt. Mit einer Länge von 244,10 Meter und einer Höhe von 24 Meter überspannt er das Friedatal mit dem Ort Lengenfeld unterm Stein und teilt somit den Ort gewissermaßen in 2 Teile. Die Brücke liegt in einer Kurve von 400 Meter Radius und weist eine Steigung von 1 : 110 auf. Die Brücke ist etwas größer ausgefallen, als es der ursprüngliche Plan vorsah. Sie sollte eigentlich nur 6 Bögen mit einer Weite von 32 Meter aufweisen, es sind aber 6 Bögen mit einer Länge von 33,30 Meter geworden. Konstruiert wurde sie nach der ursprünglichen Form des Efze-Viadukts bei Homberg, 1 Überbau mit 18,35 Metern und 1 Überbau mit 17,38 Meter ist daraus geworden, die dem Baustil der Eschweger Flutbrücke in ihrer Urform nachempfunden wurde. Die Brücke selbst wurde bereits beim Bau 2-gleisig konstruiert, es wurde jedoch zunächst nur 1 Gleis verlegt.

Mit den Bauarbeiten wurde im Juni 1877 begonnen, wovon die Maurerarbeiten bis in den Herbst 1878 dauerten. Der Einbau der Stahlkonstruktionen und die sonstigen Nebenarbeiten verschlangen die Zeit bis in den nächsten Sommer, so dass die Brücke im August 1879 vollendet wurde. Die Baukosten für den Viadukt betrugen insgesamt 375.796 Mark, wovon alleine der Stahlüberbau den Betrag von 187.912 Mark verschlang, das bedeutet bei einer Ansichtsfläche von 3.690 m² einen Kostenfaktor von 101,90 Mark pro Quadratmeter. In der Zeit zwischen dem 29. Fe­bru­ar 1906 und dem 29. A­pril 1907 wurde die Brücke auf 2-gleisigen Betrieb ausgebaut. Ab dem 30. A­pril 1907 rollte der Verkehr dann auf beiden Gleisen. Die mittlere Höhe der Brücke liegt bei 280 Meter über NN. Die ersten Schäden und Konstruktionsfehler am Viadukt zeigten sich schon bald, aber während die anderen Brücken auf dem Streckenabschnitt etwa in der Zeit zwischen 1910 und 1935 nach und nach erneuert und die Stahlteile ausgetauscht wurden, tat sich diesbezüglich am Lengenfelder Viadukt außer einem kleineren Umbau mit dem Austausch der beiden Kastenträger im Jahre 1913 fast überhaupt nichts. Erst als die Schäden während des 2. Weltkriegs zu groß wurden und auch Loks mit hohem Achsdruck und schweren Güterzügen am Haken die Brücke befuhren, wurde eine Langsamfahrstelle eingerichtet. Zum Glück wurde der Lengenfelder Viadukt im 2. Weltkrieg nicht zerstört, wozu wahrscheinlich zwei Faktoren beigetragen haben. In der Zeit, da die feindlichen Tiefflieger ihr Unwesen trieben, war der Ort Lengenfeld voll mit Kriegsgefangenen und Verwundeten, die im Schloss Bischofstein, der Schule und im Krankenhaus untergebracht waren. Aus diesem Grund war auf die Dächer der betroffenen Gebäude ein rotes Kreuz auf weißem Grund gemalt. Alle Flieger haben beim Anblick dieses Zeichens abgedreht, um die Gefangenen nicht zu gefährden. Dadurch ist die Brücke nie beschossen oder bombardiert worden. Der zweite Umstand ist der, dass beim Rückzug der deutschen Truppen die Sprengung der Brücke vorbereitet war, aber dank des Einsatzes des Offiziers einer Gefangenbewachungsmannschaft und des damaligen Lengenfelder Bürgermeister Franz Müller konnte die Sprengung verhindert werden, denn diese hätte wohl einen Großteil von Lengenfeld ebenfalls in Schutt und Asche gelegt.

In den ersten Jahren der DDR-Zeit hatte es wegen der Grenznähe eine Brückenwache gegeben, an der während einer Nachtschicht des Wachhabenden ein alkoholisierter Mann aus dem Westen aufgekreuzt wäre, der nach kurzem Wortgeplänkel wieder in Richtung Westen verschwunden sein soll. Dieser Brückenwächter könnte Andreas Koch gewesen sein, der in den 50er Jahren diesen Job übernommen hatte.

In den Jahren 1957 und 1958 wurden größere Sanierungsarbeiten am Viadukt erforderlich,bei denen auch die Sandstein-Auflagequader durch solche aus Stahlbeton ersetzt wurden.

Im August 1984 musste der Viadukt einer Sonderprüfung unterzogen werden, bei der sich gravierende Mängel herausstellten, wie z.B. nicht mehr zu beseitigende Lagerschäden, Sprödbruch-Gefahr des Eisens von 1880, bereits herausgerissene Lagersteine aus den Widerlagern, Korrosionsschäden usw. Die Brücke bekam eine unwiderruflich letzte Betriebsfrist bis zum 31. De­zem­ber 1992. Nach der Wende im Jahre 1989 rückte der Lengenfelder Viadukt schlagartig in das Interessenfeld vieler Eisenbahn-Fans und wurde von diesem Tage an reichlich fotografiert und, obwohl etliche der Bohlen auf der Brücke morsch oder nicht mehr vorhanden waren, auch reichlich begangen. Als dann im Jahre 1992 schließlich das Ende der Kanonenbahn absehbar war, befuhren nochmals viele ehemalige Eichsfelder sowie reichlich Eisenbahn-Fans die Strecke. Am 30. De­zem­ber 1992 wurde zwischen Lengenfeld und Dingelstädt ein Sonderzug mit einer Abschiedsfahrt organisiert, die von der Bevölkerung mehr als reichlich angenommen wurde. Am 31. De­zem­ber 1992 fuhren dann schließlich die letzten Züge mit dem langen Abschiedszug, der an diesem Tage infolge des großen Andrangs sogar einmal am Vormittag und einmal am Nachmittag zwischen Leinefelde und Geismar fahren musste und einem allerletzten Abendzug. Der Abschiedszug wurde von einer Dampflok der Baureihe 50 gezogen, der Reichsbahn-Traditionslok 50 3688-4, sowie einer Diesellok der Baureihe 202, der 202 539-3, die als Schiebelok fungierte. Gefahren wurde über die Brücke mit der Geschwindigkeit von 10 km/h, der Höchstgeschwindigkeit, für die der Lengenfelder Viadukt seit Anfang der 40er Jahre zugelassen war. Für die Dauer der Zeit, in der die BR 50 mit dem Abschiedszug über die Brücke fuhr, pfeifte sie herzerweichend. Das hallte fürchterlich durch das enge Friedatal und ging wohl allen Zuschauern durch Mark und Bein.
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Autor: Hermann Josef Friske

Teil 16:

Bahnhof Geismar von der Gleisseite;<br />fotografiert von Hermann Josef Friske am 13. Januar 2008

Prellbock am Bahnhof Geismar bei km 34,9. Die Gleislänge hinter der Weiche war gerade so lang, daß eine Lok zum Umsetzen darauf passte;<br />fotografiert von Hermann Josef Friske am 13. Januar 2008

Vom Bahnhof Lengenfeld zum Bahnhof Geismar

Wenn wir vom Viadukt auf den Bahnhof Lengenfeld zufahren, überquert eine Brücke mit einer Nebenstraße nach Hildebrandshausen nur wenige Meter vor dem Bahnhof den Gleiskörper. Durch diese Straße bekamen die Hildebrandshäuser einen direkten Zugang zum Lengenfelder Bahnhof. Am Bahnhof angekommen, kann man im Bahnhofsgebäude, dort, wo einst bereits im Jahre 1909 Hugo Richardt im Warteraum vierter Klasse die Genehmigung zur Einrichtung einer Ausschankstelle erhielt, sich vor oder nach einer Draisinenfahrt stärken oder seinen Durst mit allerlei Getränken löschen.

Nur wenig später, etwa um das Jahr 1910, folgte der Neubau des Hotels und Restaurants »Zum Bahnhof« direkt gegenüber vom Bahnhofsgebäude. Der älteste auf einer Postkarte genannte Wirt war Christoph Kanngiesser, der das Gebäude vermutlich auch errichten ließ. Das Hotel wurde wahrscheinlich in den 20ern bis in die frühen 30er Jahre von Peter Hagemann mit seiner Familie bewirtschaftet und als letzte Wirtsleute, der Hotelbetrieb wurde wahrscheinlich bereits vor 1939 mangels Gästen wieder eingestellt, fungierte die Familie Rautz bis zum Kriegsende im Jahre 1945, danach war im Gebäude der Lengenfelder Kinderhort untergebracht. An der wie Pilze aus dem Boden schießenden Bahnhofsgastronomie kann man erkennen, dass überall entlang der Kanonenbahn eine gewisse Aufbruchsstimmung zur Belebung des Ausflugsverkehrs herrschte, deren Erwartungen in keiner Weise auch nur annähernd erfüllt worden sind.

Am Ende des Bahnhofsgeländes angekommen, finden wir rechts und links des Gleises noch alte Prellböcke von den schon seit Jahren abgebauten Gleisen des Güterbahnhofs. Von Lengenfeld aus führt die Strecke mit beachtlichem Gefälle in Richtung Bahnhof Geismar. Nach der Linkskurve hinter dem Bahnhof Lengenfeld unterm Stein unterquert die Landstraße nach Hildebrandshausen den Bahnkörper bei km 31,8. Von dieser Unterführung führt ein Weg hoch zur Bahn, wo sich bei km 31,9 der Bahndamm um einige Meter verbreitert. Hier könnte das Einfahrtssignal zum Bahnhof Lengenfeld gestanden haben, hier könnte sich aber auch ein Bahnübergang befunden haben, der auf die Felder jenseits der Bahn geführt hätte. Bei km 32,7 befindet sich ein Bahnübergang, der auf eine Wiese führt. Außerdem sprudelt unmittelbar neben dem Gleis eine Quelle, deren Wasser unter der Strecke hindurchfließt und nach einigen Metern unterhalb des Bahndammes in einen Teich mündet. Die Quelle ist abgedeckt und daneben finden sich noch die Reste des ehemaligen Postengebäudes, das zu den Schranken gehörte.

Außer einer weiteren leichten Linkskurve, etwa in der Mitte zwischen Lengenfeld und Geismar, ist die Strecke hier vollkommen gerade. Ein Feldweg unterquert die Strecke bei km 33,4 durch eine Unterführung und bei km 34,0 wird die Strecke von der Straße nach Döringsdorf unterquert. Beim Wasserbehälter von Geismar, nur einige Meter hinter der Unterführung, unterquert noch ein gemauerter Wasserdurchlass mit einem Bachlauf die Bahn. Hinter diesem begann bereits das Bahnhofsgelände von Geismar. Von hieraus sind es noch etwa 660 Meter und der Bahnhof Geismar ist bei km 34,66 erreicht. Dieser befindet sich in einer Höhenlage von 245,80 Metern über NN und wurde gleichzeitig mit dem Streckenabschnitt zwischen Leinefelde und Eschwege am 15. Mai 1880 eröffnet und als Bahnhof 4. Klasse eingestuft.

Am 18. und 19. Ju­ni 1906 wurden Sonderzüge für die Wallfahrer zum Hülfensberg von Leinefelde nach Geismar und zurück eingesetzt, aber das dürfte kein Einzelfall gewesen sein, denn Wallfahrten zum Hülfensberg finden bekanntlich in jedem Jahr statt. Das zweite Gleis zwischen den Bahnhöfen Geismar und Schwebda wurde im Gegensatz zur restlichen Strecke, wo erst ab 4. A­pril 1907 zweigleisig gefahren wurde, bereits am 26. Fe­bru­ar 1907 in Betrieb genommen. Der Bahnhof Geismar besaß ursprünglich auch eine eigene Bahnmeisterei, die aber schon im Jahre 1924 als eine der Folgen vom Rückbau des zweiten Gleises nach dem Ersten Weltkrieg aufgelöst wurde. Vom Bahnhof Geismar aus machten sich in all den Jahren mehrmals Waggons selbständig und rollten bis zum Bahnhof Schwebda die Strecke hinab, aber darauf werde ich erst bei der Beschreibung des Bahnhofs Schwebda näher eingehen.

Nach dem Ende des 2. Weltkrieges im Jahre 1945 kam auf den Bahnhof Geismar eine besondere Bedeutung zu: Er wurde Endbahnhof der Reststrecke zwischen den Bahnhöfen Leinefelde und Geismar. Zunächst gab es in den ersten Nachkriegsjahren ja auch noch einen recht passablen Güterverkehr auf der Kanonenbahn und am Bahnhof Geismar, dieses aber nur, weil andere Transportmöglichkeiten, wie die der per LKW, fehlten. Ab dem 1. Sep­tem­ber 1969 war es hiermit schlagartig vorbei, denn alle Güterabfertigungen im weiten Umkreis, mit Ausnahme der in Dingelstädt und im Bahnhof Mühlhausen, wurden geschlossen. Davon war natürlich auch die Güterabfertigung in Geismar betroffen. Obwohl es immer noch nicht genug LKWs gab, um den Güterverkehr reibungslos abwickeln zu können, wurde diese Maßnahme ergriffen, selbst auf die Gefahr hin, dass lange Anfahrtswege in Kauf genommen werden mussten, oder auf das altbewährte Pferdefuhrwerk zurückgegriffen wurde. Nach der Beendigung des Güterverkehrs auf der Strecke wurden die Gleise so weit zurückgebaut, dass sich die Lok gerade so wieder vor den Zug setzen konnte, damit sie ihn wieder nach Leinefelde zurückziehen konnte. Erschwerend kam seit den 50er Jahren hinzu, dass der Bahnhof im Sperrgebiet lag und nur für die Bewohner von Geismar frei zugänglich war, alle anderen benötigten hierzu eine Sondergenehmigung. Auch für den Bahnhof Geismar kam am 31. De­zem­ber 1992 das Ende, auch er wurde geschlossen, anschließend privatisiert und inzwischen bereits mehrmals weiterveräußert. Es wäre zu wünschen, dass der Bahnhof erhalten bleibt.
Weiter zu Teil 17: Von Geismar bis zum Frieda-Viadukt

Autor: Hermann Josef Friske

Teil 18:

Östlicher Brückenkopf des Frieda-Viaduktes, davor das Wohnhaus nebst Stallungen vom ehemaligen Postengebäude vor dem Ostportal des Frieda-Tunnels;<br />fotografiert von Hermann Josef Friske am 6. Januar 2008

Ostportal vom Frieda-Tunnel;<br />fotografiert von Hermann Josef Friske am 12. August 2007

Westportal vom Frieda-Tunnel;<br />fotografiert von Hermann Josef Friske am 2. Mai 2006

Ehemalige Brücke über die Kellaer Straße (Nordseite) bei Schwebda;<br />fotografiert von Hermann Josef Friske am 1. August 2011

Vom Frieda-Viadukt zum Bahnhof Schwebda

Der Frieda-Viadukt folgt zwischen km 38,82 bis 38,91, der mit seiner Länge von 98,70 Metern und einer Höhe von 25,70 Metern zu den herausragenden Bauwerken der Bahn zählte und sich in einer Höhe von etwa 192 Metern über NN befand. Der Frieda-Viadukt wurde ursprünglich wie der Lengenfelder Viadukt mit einer Fischbauch-Trägerkonstruktion bestückt, die jedoch, ähnlich wie auch in Lengenfeld, schwere bauliche und konstruktionsbedingte Mängel aufwies, so dass sich im Sommer des Jahres 1932 im Friedatal die größte Baustelle entlang der Kanonenbahn zwischen Leinefelde und Malsfeld befand, wobei die Frieda-Brücke von Fischbauch- auf Kasten-Träger umgestellt wurde. Bei der Belastungsprobe, die am 7. Au­gust 1932 stattfand, entgleisten die zwei aneinander gekoppelten Loks der Baureihe 58 (Preußische G 12) etwa 100 Meter unterhalb der Brücke in Richtung Tunnel. Der Tender von einer der beiden Lokomotiven rutschte dabei seitlich den Hang hinunter. Die beiden Loks waren für das Gleismaterial einfach zu schwer gewesen, denn die Gleise haben sich durch die ungewohnte Achslast verschoben.

Zunächst noch zweigleisig ausgebaut und auch befahren, wurde die Brücke jedoch zu Beginn des 2. Weltkriegs auf eingleisige Betriebsführung umgestellt, da das zweite Gleis im Frieda-Tunnel sowie im dahinter liegenden Einschnitt den Zügen als Schutzraum bei Luftangriffen diente. Nach der Sprengung der Brücke am 3. A­pril 1945 lag sie noch bis in die 70er Jahre hinein zur Seite gekippt und in 3 Teile zerborsten im Frieda-Tal, bis die Trümmer schließlich beseitigt wurden.

Auf den wenigen Metern bis zum Frieda-Tunnel, der auch Dachsberg-Tunnel genannt wurde, standen in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg abgestellte Schadwaggons, von denen ein letztes Exemplar, nicht mehr rollfähig, noch bis zum Abräumen der Gleise in den 80er Jahren dort stand. Nach 1945 hatte man vom Hülfensberg aus eine gute Einsicht auf die gesprengte Frieda-Brücke und die Reststrecke bis zum Tunnel. Von hier aus waren auch die abgestellten Waggons noch gut zu erkennen.

Ende der 70er Jahre stellte die Firma Friedola den Antrag zum Bau eines Gleis-Anschlusses für den Betrieb in Frieda. Da es keine Möglichkeit gab, das Werk von der Treffurter Bahn her anzuschließen, dazu hätte man die stark befahrene B 249 überqueren müssen, sollte dieses über die Kanonenbahn geschehen. Der Verkehr sollte über den Frieda-Tunnel geleitet werden und anschließend über eine noch zu bauende Rampe ins Friedatal hinein bis zum Werk geführt werden. Das Projekt scheiterte an den zu hohen Baukosten, denn der Frieda-Tunnel hätte erst saniert werden müssen.

Der Frieda-Tunnel ist 1.066 Meter lang und beginnt bei km 39,352. Seine mittlere Höhe beträgt etwa 180 Meter über NN und das Westportal befindet sich bei km 40,418. Der Tunnel, der eigentlich als trocken und sicher galt, stürzte am 21. Ju­li 1929 auf einer Länge von ungefähr 25 Metern ein. Während der Reparaturarbeiten, die bis zum 2. Ok­to­ber 1929 dauerten, wurde mit Bussen ein Ersatzverkehr gefahren. Anschließend wurde der Tunnel noch auf weitere schadhafte Stellen untersucht und gründlich renoviert, was bis zum 1. Ju­li 1930 gedauert hat. Für die Dauer der Reparaturarbeiten konnte der Tunnel nur eingleisig befahren werden.

Zwischen 1947 und 1984 diente der Tunnel der Deutschen Bundesbahn als kälte- bzw. wärmetechnische Versuchsstation und wurde schließlich ab Ende Oktober 1989, noch während der Wende, verfüllt. Dabei wurden die Portale mit einer jeweils 3 Meter dicken Betonmauer verschlossen, die nur im oberen Bereich gitterartige Betondurchlässe aufzuweisen haben. Von den Portalen ausgehend wurden, aus Gründen der Einsturzgefahr im Gebirgsbereich oberhalb des Tunnels, jeweils etwa 130 Meter im oberen Tunnelbereich mit einem Rohr versehen, dass einen Durchmesser von zwei Meter aufweist. Durch dieses Rohr gelangen die Fledermäuse ins Tunnelinnere, der Rest wurde dort bis zur Tunneldecke verfüllt. Dahinter folgt eine Teilverfüllung, die auf der Westseite 220 Meter und auf östlicher Seite 95 Meter beträgt. Nur im mittleren Bereich blieben knapp 500 Meter ohne Verfüllung, da hier keine bis zur Oberfläche durchschlagenden Einstürze zu befürchten sind, da die Deckschicht dick genug ist. Dort liegen auch heute noch teilweise die Gleise. Während der Verfüllung des Frieda-Tunnels wurde gleichzeitig die Eisenbahnbrücke über einen Feldweg zum Schloss Wolfsbrunnen sowie die Unterführung, durch die der Kellaer Bach geleitet wurde, entfernt. Diese befanden sich etwa 200 Meter vom Westportal des Tunnels entfernt, in Richtung Schwebda. Gleichzeitig wurde der Restdamm in Richtung Schwebda reduziert, wobei das dadurch gewonnene Erdmaterial bei der Tunnelverfüllung Verwendung fand.

Bei km 40,82, unmittelbar vor dem Bahnhof Schwebda, wird die Strecke von der Landstraße nach Kella gekreuzt, die mit einer 3-gleisigen Brücke überquert wurde (1. Gleis nach Treffurt, 2. Gleis Kanonenbahn, 3. Gleis Kanonenbahn bzw. nach Heiligenstadt). Die Brücke wurde beim Rückbau der Strecke nach Wanfried im Jahre 1998 abgebaut, nur die beiden Seitenwände stehen noch und engen den Verkehrsfluss bis heute stark ein. Hinter der Brücke stand etwa nach 15 Metern linkerhand das Stellwerk »SO«. Das Stellwerk wurde im Jahre 1914 beim Bau der Heiligenstädter Bahn errichtet und bereits im Jahre 1958 wieder abgebrochen, da es durch die Grenzziehung mittlerweile nutzlos geworden war. Der Bahnhof Schwebda wird schließlich bei km 41,27 erreicht, der im Jahre 1880 in einer Höhe von 170 Metern über NN errichtet wurde. Ab Mitte der 80er Jahre wurden Güterwaggons, die am Bahnhof Schwebda und auch in Eschwege und dem Kanonenbahnteil vom Bahnhof Eschwege West abgestellt standen, an die Reichsbahn der DDR verkauft. Diese hat die Waggons in jenen Jahren dringend benötigt, um dem Güterverkehr des Landes ausreichend und kostengünstig genügend Waggons bereitstellen zu können, denn eigene Neubau-Kapazitäten waren in der DDR nur ungenügend vorhanden. Auf dem Streckenabschnitt zwischen Geismar und Schwebda standen bis zur Stilllegung einst noch die alten Kilometersteine, die keine aufgemalten Kilometerangaben trugen, sondern mit einem aufgesteckten emaillierten Blechschild versehen waren, die wohl noch aus der Zeit um 1920 stammten. Im Jahre 1921 bestand die Zugauslastung täglich aus etwa 80 bis 110 Personen, aufgeteilt auf 3 Zugpaare. Es gab Bestrebungen, ein viertes Zugpaar täglich auf der Strecke einzuführen, dieses wurde jedoch vom Reichsbahn-Zentralamt abgelehnt, weil die tägliche Zugauslastung danach noch dürftiger ausgefallen wäre.

Zunächst als Hauptbahn errichtet, erhielt die Kanonenbahn wahrscheinlich ab 1. Sep­tem­ber 1922 den Nebenbahncharakter. Der Streckenabschnitt zwischen Küllstedt und Schwebda enthält 6 Tunnel, die eine Gesamtlänge von 3.580 Meter besitzen und sich auf schwierigstem Gelände befinden. Abschließend ist zu sagen, dass der Eichsfeld-Teil der Kanonenbahn einen Umweg von 17,8 km gegenüber der Luftlinie macht, das bedeutet einen Umwegskoeffizient von 62 %. Trotz allem ist der Kanonenbahn-Abschnitt übers Eichsfeld der landschaftlich wohl schönste, wenn auch vom Gelände her der schwierigste Teil der Strecke zwischen Leinefelde und Treysa.
Weiter zu Teil 19: Geschichtliches über den Streckentorso Eschwege - Frieda-Viadukt

Autor: Hermann Josef Friske

Teil 20:

Postkarte vom Frieda-Viadukt mit dem Hülfensberg um 1910

Blick vom östlichen Widerlager auf das westliche Widerlager vom Frieda-Viadukt;<br />fotografiert von Hermann Josef Friske am 17. Februar 2008

Sockel vom Stellwerk am Bahnhof Schwebda;<br />fotografiert von Hermann Josef Friske am 24. November 2011

Der Frieda-Tunnel und der Frieda-Viadukt bis 1945

Der Frieda-Tunnel, auch Dachsberg-Tunnel genannt, wurde im Jahre 1876 begonnen und im Laufe des Jahres 1878 vollendet. Er hat eine Länge von 1.066 Metern und liegt zwischen den Bahnhöfen Geismar und Schwebda. Der Tunnel wurde mit einer Holzzimmerung im so genannten Wandrutenbau ausgebaut, wobei als Baumaterial für die Widerlager Sandstein, Bruchsteine mit Werksteinverblendung und für das Tunnelgewölbe und die Portale Sandstein-Werksteine verwendet wurden. Die Gesamtkosten des Tunnels betrugen 1.392.782 Mark, wovon allein für die beiden Tunnelportale 19.103 Mark, das heißt das für den laufenden Tunnelmeter der stattliche Betrag von 1.290 Mark aufgewendet wurden. Was muss dann erst die ganze Strecke gekostet haben. Beim Frieda-Viadukt nahm allein der Bau des Pfeiler-Mauerwerks die Zeit vom Mai 1877 bis zum Oktober 1878 in Anspruch. Das gesamte Brückenbauwerk dürfte somit etwa im Frühjahr 1879 vollendet worden sein. Der Brückenschlag überspannte die Frieda, die 10 Meter breite Straße von Eschwege nach Heiligenstadt und einen Feldweg von 6 Metern Breite. Der Verlauf der Straße musste extra für den Brückenbau geändert werden. Verlief diese vorher am östlichen Berghang entlang, so befindet sie sich nun direkt neben der Frieda.

Der Viadukt wurde, ähnlich wie der Lengenfelder Viadukt, in der so genannten Fischbauchträger-Konstruktion errichtet und besaß eine Mittelöffnung von 36 Meter lichter Weite und 2 Seitenöffnungen von je 23 Metern. Die Gesamtlänge des Viadukts betrug 98,70 Meter und die maximale Höhe 25,70 Meter. Die Gesamtkosten für das Bauwerk betrugen 235.000 Mark, wovon allein der stählerne Überbau einen Betrag von 77.899 Mark verschlang. Die Ansichtsflächen maßen 2.500 m², das entsprach einem Quadratmeterpreis von 94 Mark.

An der Kanonenbahn wurde ab dem 26. Fe­bru­ar 1906 wieder gearbeitet. Die Strecke nach Leinefelde wurde 2-gleisig ausgebaut, die Tunnel soweit erforderlich, erweitert und die Brücken und Viadukte erhielten einen 2-gleisigen Ausbau. Nicht eindeutig geklärt ist indes der Ausbau zwischen Eschwege und Schwebda. Dort waren zumindest die Brücken 2-gleisig ausgebaut. Es gibt auch Zeitzeugen, die behaupten, auch dieser Abschnitt wäre 2-gleisig befahren worden. Die Mutter des Autors, die als Kind und auch später oft mit der Bahn nach Lengenfeld unterm Stein fuhr, sagte ebenfalls, die Strecke sei 2-gleisig gewesen. Ein Gleisplan vom Bahnhof Schwebda aus dem Jahre 1911 zeigt aber nur eine 1-gleisige Ausfahrt in Richtung Eschwege. Zumindest aber war zu Beginn des 1. Weltkriegs im Jahre 1914 eine Baustelle am 2. Gleis der Werrabrücke, die während der Dauer der Bewachung von Tunnel und Brücken noch andauerte. Ist der Ausbau durch die Kriegswirren stecken geblieben oder hat man die Strecke bis Schwebda bis 1918 noch 2-gleisig fertig gestellt und das 2. Gleis später wieder abgebaut? Es gibt auch Stimmen, die behaupten, die Strecke zwischen Eschwege und Schwebda wäre beim Bau der Heiligenstädter Bahn zwischen 1911 und 1914 zweigleisig ausgebaut worden. Belegt ist lediglich die Eröffnung der 2-gleisigen Strecke zwischen Geismar und Schwebda am 26. Fe­bru­ar 1907 sowie von Küllstedt nach Geismar mit dem Zug Nummer 334 am 4. A­pril 1907 und am 30. A­pril 1907 die Eröffnung des 2-gleisigen Betriebs zwischen Eschwege und Eschwege West, damals noch Niederhone, mit dem Zug Nummer 368.

Der Bahnhof Schwebda sollte aber noch größer werden. In den Tagen um Ostern 1912 begann man mit der 32,06 km langen Bahnlinie zwischen Heiligenstadt und Schwebda, deren Luftlinie lediglich 19,4 km betrug. Dies bedeutete einen Umweg von etwa 75 % der einfachen Entfernung. Die Bahnlinie sollte am 1. Ok­to­ber 1913 in Betrieb gehen. Durch diverse Schwierigkeiten beim Bahnbau, bedingt durch die schwierige Trasse, lagen am 15. Au­gust 1914, dem zuletzt anberaumten Eröffnungstermin, noch keine Gleise. Am 28. Au­gust lagen lediglich die Gleise zwischen Heiligenstadt und Heiligenstadt-Ost. Inzwischen war am 1. Au­gust 1914 der Erste Weltkrieg ausgebrochen. Dadurch sind Materiallieferungen ausgeblieben und die Bauarbeiter knapp geworden, da die meisten Arbeiter an die Front mussten. Aus diesem Grund konnte die Strecke erst am 30. Sep­tem­ber 1914 fertig gestellt werden und am 1. Ok­to­ber 1914 ohne jegliche Feierlichkeit in Betrieb gehen. Nur die Lok des Eröffnungszuges war mit einer Girlande geschmückt. Der Bahnbau zwischen Heiligenstadt und Schwebda kostete cirka 6.411.000 Mark, das bedeutet für den laufenden Meter Strecke etwa 200 Mark. Im Bahnhofsbereich von Schwebda wurde im Zusammenhang mit der Neubaustrecke nach Heiligenstadt hinter dem Bahnhof Schwebda rechts vor der Überführung der Straße nach Kella ein großes neues Stellwerk errichtet. Diese Bahnverbindung nach Heiligenstadt bekam sehr schnell den Spitznamen »Die Eichsfelder Bimmelbahn«, weil die Lok auf der Strecke fast fortwährend läutete.

Zu Beginn des Ersten Weltkriegs gab es auch am Frieda-Tunnel sowie am Frieda-Viadukt eine Brücken- und Tunnelwache, welche diese beiden Objekte bis zum Spätherbst 1914 vor Anschlägen durch feindliche Agenten schützen sollte. Außerdem existierte unweit vom Ostportal des Frieda-Tunnels bis in die 20er Jahre ein Gebäude für einen Streckenposten.

Im Jahre 1921 wurden auf der Zahnradstrecke nach Heiligenstadt Versuchsfahrten mit einer 7-achsigen Jumbo-Tenderlok der Rübelandbahn (HBE) durchgeführt, die Namen wie Mammut, Büffel usw. trugen, um die Zugkraft auf Steilstrecken zu ermitteln. Eventuell sollte dieser Loktyp auch für die Reichsbahn gebaut werden, man entschied sich jedoch für einen anderen Loktyp mit sehr hoher Achslast, die BR 95 (Preußische T 20). Somit dürfte dieser extrem starke Loktyp auch auf der Kanonenbahn, zumindest aber im Bahnhof Schwebda, gesehen worden sein. Die 4 Lokomotiven dieses Typs wurden später in der DDR unter der Baureihe 95.66 eingereiht und wurden dort sogar noch auf Ölfeuerung umgestellt.

Den Freitod suchte im Jahre 1925 ein Liebespaar aus Schwebda, das sich im Frieda-Tunnel von einem Zug überrollen ließ.

Nach lang anhaltenden Niederschlägen stürzte der Frieda-Tunnel durch einen Wassereinbruch am 21. Ju­li 1929 auf einer Länge von 50 Metern ein. Daher wurde der Tunnel bis zum 1. Ok­to­ber des gleichen Jahres gesperrt. Die Reisenden wurden während dieser Zeit im Schienenersatzverkehr befördert.

Am 18. Sep­tem­ber 1930 wurde der 38 Jahre alte Bahn-Polizeibeamte Ernst Rebensburg aus Nordhausen während einem Kontrollgang im Frieda-Tunnel von einem Güterzug überrollt und getötet.

Mitte Februar 1945 ging vom Bahnhof Heiligenstadt ein Sondertransport des Oberkommandos der Wehrmacht in Richtung Schwebda ab. Nach Angaben des Bundestags-Abgeordneten Gerhard Reddemann soll dieser Zug 27 Großkisten mit dem legendären Bernsteinzimmer sowie weitere Kunstschätze aus Königsberg und Danzig enthalten haben und von Feld-Gendarmerie schwer bewacht worden sein. Er soll in den Frieda-Tunnel geleitet worden sein, wo sich die Spuren aber verlieren. Ob der Zug über Schwebda weitergeleitet oder dem Zug von Julius Dorpmüller angehängt wurde, der sich zwischen dem 26. und 31. März 1945 über die Nord-Süd-Strecke wahrscheinlich in Richtung Bayern absetzte, oder ob der Zug für längere Zeit im Frieda-Tunnel stand und danach von den Amerikanern übernommen wurde, wird wohl nicht mehr zu klären sein. Vielleicht leitete man diesen Zug aber auch über Leinefelde und die Kanonenbahn in Richtung Schwebda und er wurde schon vorher in Lengenfeld unterm Stein entladen, denn es gibt auch Hinweise auf Auslagerung von Kunstschätzen in dieser Gegend bis in den Raum Treffurt hinein, wo sich Privatpersonen Kunstgegenstände unter den Nagel gerissen haben, die sie an bestimmten Stellen in der Umgebung gefunden hatten, denn es sind in den letzten Jahren in diesem Umkreis immer wieder Kunstgegenstände entdeckt worden, die man schon seit langer Zeit hier vermutet und bei den Versuch Ihrer Veräußerung beschlagnahmt hatte.

Das Thema mit dem Bernsteinzimmer im Frieda-Tunnel wurde im Jahre 2011 von Henning Schäfer aufgegriffen, einem im Jahr 2014 verstorbenen Kri­mi­autor aus dem Eschweger Ortsteil Oberhone, der regionale Kri­mi­nal­ro­mane schrieb, in dem die Tatorte real existieren, ebenso teilweise die in den Ro­ma­nen er­wähn­ten Personen. Das Buch trägt den Titel: »Falscher Schein«.

Am 2. A­pril 1945 fuhr dann von Eschwege kommend der allerletzte Zug über­haupt nach Leinefelde, da am 3. A­pril 1945 die vor den vorrückenden ame­ri­ka­ni­schen Verbänden zurückweichenden deutschen Wehrmachts-Einheiten den Frieda-Viadukt gesprengt hatten. Hiermit wurde die Teilung der Strecke in ei­nen westlichen und einen östlichen Teil vorweg genommen, denn das Frieda-Viadukt sollte nie wieder aufgebaut werden.
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Autor: Hermann Josef Friske