Strecke 6710: Wehrebrücke in Eschwege West

Karte der Kanonenbahn

Teil 22:

Bahnhof Schwebda um 1906;<br />Foto: Witzel, Schwebda, Stadtarchiv Eschwege aus Sammlung K. Fr. Saalfeld und Sammlung H. J. Friske

Die Straßenseite des Bahnhofs Schwebda mit Nebengebäuden;<br />fotografiert von Hermann Josef Friske am 17. Februar 2008

Der Zwischenbahnsteig am Schwebdaer Bahnhof;<br />fotografiert von Hermann Josef Friske am 5. Mai 2005

Der Bahnhof Schwebda bis 1945

Als im Jahre 1872 der Baron von Keudell aus Schwebda für 24.000 Mark Ländereien in der Schwebdaer Flur an das Deutsche Kaiserreich zum Zwecke des Eisenbahnbaus veräußerte, wusste man in der Umgebung: Die Bahn kommt! Mit der Projektierung in Schwebda wurde im Laufe des Jahres 1875 begonnen, während mit dem Baubeginn im Bahnhofsbereich im Jahre 1877 begonnen wurde. Eröffnet wurde der Bahnhof 3. Klasse gemeinsam mit dem Streckenabschnitt von Leinefelde nach Eschwege am 15. Mai 1880 mit dem feierlichen Eröffnungszug, während das Empfangsgebäude erst im Jahre 1881 fertig gestellt wurde. Der Bahnhof befand sich bei km 41,27 in einer Höhe von 170 Meter über NN. Laut der Schwebdaer Chronik soll das Empfangsgebäude allerdings erst im Jahre 1881 vollendet worden sein.

Da die Zufahrtsstraße zwischen Schwebda und seinem Bahnhof nur unzureichend befestigt war, der Verkehr aber ständig zunahm, wurde die Bahnhofstraße bereits im Jahre 1881 ausgebaut.

Ab dem 4. Ju­li 1888 besaß der Bahnhof Schwebda endlich auch seine Bahnhofswirtschaft, deren erster Pächter Friedrich Schilbe war, welcher die Wirtschaft scheinbar nur wenige Jahre betrieb, denn schon im Jahre 1895 wurde im Königlichen Landratsamt zu Eschwege Klage darüber geführt, dass die Bahnhofswirtschaft in Schwebda nicht besetzt sei. In diesem Zusammenhang ist eine Anekdote erhalten geblieben: Da im Jahre 1895 während der Rübenernte täglich etwa 40 Pferdegespanne aus der Umgebung sowie aus dem Raum Wanfried und Treffurt im Bahnhof Schwebda ihre Fuhren mit Rüben anlieferten, konnte man sich nach getaner Arbeit in der Bahnhofsgaststätte Schwebda nicht mit einem Bier erquicken, da diese geschlossen war. Laut Randnotiz auf der Beschwerde im Landratsamt war das aber nicht ganz so schlimm, denn die Güterschuppen-Arbeiter schafften Abhilfe, indem sie heimlich Flaschenbier, die Flasche für 10 Pfennige, im Güterschuppen an die Fuhrleute verkauften.

Im Jahre 1896 bekam der Bahnhof Zuwachs durch ein weiteres Gleis zur neu errichteten Dampfziegelei der Gebrüder von Keudell, das vom Bahnhof aus in Richtung Geismar nach links zur Ziegelei hin abbog und eigentlich aus zwei Gleisen bestand. Die Ziegelei war bis etwa 1917 in Betrieb und wurde danach im Jahre 1919 wieder abgerissen.

Zunächst war der Bahnhof Schwebda nur ein Durchgangsbahnhof, wie viele andere an der Strecke gelegene Bahnhöfe auch. Dieses sollte sich am 2. A­pril 1900 ändern, denn an diesem Tag begannen mit dem obligatorischen ersten Spatenstich beim Bahnhof Schwebda die Bauarbeiten zum Neubau der 16 km langen Bahnlinie von Schwebda über Wanfried nach Treffurt. Im Jahre 1907 wurde die von der Bevölkerung liebevoll »Das Botenlieschen« genannte Bahnlinie in Richtung Eisenach bis Wartha verlängert, wo sie in die Halle-Bebraer Eisenbahn einmündete, aber in Richtung Eisenach Kopf gemacht werden musste.

Die Einweihung dieser Strecke fand am 1. Mai 1902 mit einem feierlichen Eröffnungszug statt, der um 9.45 Uhr in Eschwege losfuhr, zunächst bis Schwebda die Trasse der Kanonenbahn benutzte, um schließlich die Neubaustrecke bis Treffurt zu befahren. Am Zielort angekommen, folgte für die Teilnehmer der Festfahrt ein musikalischer Frühschoppen auf dem Normannstein. Von dort aus strebten die Festteilnehmer, durch einen Dauerregen von innen und außen durchnässt, dem Bahnhof Treffurt zu, um die Rückfahrt nach Wanfried anzutreten und dort am anschließenden Festessen teilzunehmen.

Ab dem 26. Fe­bru­ar 1906 wurde wieder an der Kanonenbahn gearbeitet. Zwischen Schwebda und Küllstedt wurde ein 2. Gleis gelegt, welches die ersten Züge zwischen Schwebda und Geismar ab dem 26. Fe­bru­ar 1907 und zwischen Geismar und Küllstedt ab dem 4. A­pril 1907 befuhren.

Am 10. Ju­ni 1907 wurde auf dem Schwebdaer Bahnhof eine Posthilfsstelle errichtet, die vom Förster Heiderich verwaltet wurde. Wahrscheinlich brachte der Landbriefträger Reyer die Post von hier aus bis nach Kella.

Am 7. Ju­li 1908 kam es zu einem tragischen Unfall. Der Lehrer und Kantor Knoche kam dabei ums Leben, als er auf den bereits wieder anfahrenden Zug aufspringen wollte. Er rutschte ab und geriet dabei unter die Räder des Zuges.

Im Frühjahr 1912 wurde mit dem Bau der 32,06 km langen Strecke zwischen Schwebda und Heiligenstadt begonnen, die erst am 1. Ok­to­ber 1914 infolge des Ausbruchs des 1. Weltkriegs reichlich verspätet und ohne jegliche Feierlichkeiten eröffnet wurde. Der Bau kostete 6.411.000 Mark, das sind etwa 200 Mark pro Meter Strecke. Für diese Strecke musste in Schwebda das Stellwerk »SO« am Bahnhofsende in Richtung Treffurt errichtet werden. Im Volksmund wurde die Heiligenstädter Strecke »Die Eichsfelder Bimmelbahn« genannt, weil der Lokführer durch die vielen unbeschrankten Feldwege-Übergänge fast ständig läuten musste. Durch den zunehmenden Bahnverkehr kam in der Umgebung von Schwebda der Spruch auf: "Hier herrscht ja ein Verkehr wie am Schwebdschen Bahnhof." Das kam daher, da in Richtung Treffurt und Eisenach rund doppelt so viele Züge fuhren, wie nach Leinefelde. Da kamen dann noch die Züge nach Heiligenstadt hinzu. Daher wurde im Jahre 1914 ein dritter Bahnsteig sowie ein weiteres Bahnhofsgleis extra für die Heiligenstädter Bahn errichtet. Weitere Maßnahmen, wie der zweigleisige Ausbau in Richtung Eschwege, waren für 1916 geplant.

Im Jahre 1927 benötigte ein Personenzug für die 41,7 km zwischen Schwebda und Leinefelde bei 7 Haltestellen eine Stunde und 25 Minuten, der Zug war also ein echter Bummelzug. Das war zum Teil auch bedingt durch den schwierigen Trassenverlauf, da in den Steigungsbereichen vielfach mit Schublok gefahren werden musste.

Am Bahnhof Schwebda und im Stellwerk leisteten im Jahre 1928 insgesamt 6 Beamte ihren Dienst.

Zur Kostensenkung kam im Jahre 1928 in den verkehrsarmen Zeiten ein Verbrennungs-Benzoltriebwagen der Baureiher VT 756 Kassel zwischen Eschwege und Ershausen zum Einsatz. Von diesem waren lediglich 2 Exemplare gebaut worden. Er war mit 2 Motoren mit je 75 PS ausgestattet und in Eschwege beheimatet. Der Triebwagen wurde bei dem verheerenden Luftangriff auf den Eschweger Bahnhof am 22. Fe­bru­ar 1945 so stark beschädigt, dass er abgestellt werden musste und schließlich als nicht mehr reparaturfähig im Jahre 1946 ausgemustert wurde.

An Unfällen war bis 1945 in Schwebda folgendes zu verzeichnen:
Am 3. A­pril 1911 lösten sich im Bahnhof Geismar 4 Güterwagen, die mit steigender Geschwindigkeit zum Bahnhof Schwebda hinabrollten. Die Waggons wurden in Schwebda mittels Hemmschuhen gebremst und auf ein Abstellgleis umgeleitet. Dadurch konnte ein Zusammenstoß mit dem Zug aus Treffurt verhindert werden. Die Helden des Tages, die das Unglück verhinderten, waren der Unterassistent Rödiger und der Verwalter Erdmann.

Am 19. Ju­ni 1919 kam es durch falsche Weichenstellung am Bahnhofs-Ende in Richtung Eschwege zu einem schweren Zugunglück. Dabei fuhr ein Güterzug in einen stehenden Personenzug hinein, wobei mehrere Personenwagen entgleisten und dabei umkippten. Etliche Schwerverletzte mussten ins Eschweger Krankenhaus gebracht werden, außerdem wurde ein Hilfszug aus Eschwege angefordert.
Fast an gleicher Stelle fuhr am 15. No­vem­ber 1928 ein außerplanmäßiger Güterzug auf den in Schwebda wartenden Personenzug 986 aus Leinefelde durch falsche Weichenstellung frontal auf. Trotz einer Vollbremsung des Güterzuges war die Kollision nicht zu vermeiden und beim Aufprall wurden die Fahrgäste durch die Waggons und gegen die Fensterscheiben geschleudert. Es gab etliche Verletzte, die meistens mit Schnittwunden und Prellungen davon kamen, aber eine Frau aus Lengenfeld brach sich das Hüftgelenk. Der Eschweger Arzt Dr. Bachrach leistete erste Hilfe. Ein Hilfszug wurde aus Eschwege angefordert, der bei den Aufräumarbeiten half. Während dieser Arbeiten lief der Verkehr am Bahnhof eingleisig in vollem Umfang weiter.

Im Jahre 1944 machte sich nochmals ein Güterwaggon im Bahnhof Geismar selbständig. Dieser rollte nach Schwebda, wo er ohne Schaden anzurichten durch Umlegen einer Weiche auf einem Abstellgleis zum Stehen kam.

Wie bereits erwähnt, wurde Ende 1944 die Hauptverwaltung der Reichsbahn-Direktion Berlin wegen der zunehmenden Bombardierung der Reichshauptstadt in ein Barackenlager verlegt, das im Kellaer Tal oberhalb der Kanonenbahn errichtet wurde. Das Lager befand sich etwa 500 Meter vor der Landesgrenze nach Thüringen, wo die Baracken auf der Wiese standen, die später von Heinrich Krull bewirtschaftet wurde. Einige Gebäude standen auch links vor dem Eingang des Frieda-Tunnels. Der Sonderzug von Reichsverkehrsminister Dr. Ju­lius Dorpmüller, der mit einer mit Tarnfarben versehenen Lok bespannt war, stand im Bahnhof Schwebda an der letzten Weiche vor dem Frieda-Tunnel ständig unter Dampf und wurde stets durch zwei mitgeführte Flakwagen von leichter Flak gesichert. Einer der Lokführer war Heinrich Schädel aus Eschwege. Der Zug wurde stark durch Vierlingsflak gesichert und bei Fliegeralarm stets in den Frieda-Tunnel gezogen. Später stand der Zug auch an der Ostseite des Frieda-Tunnels mit der Lok in Richtung Tunnel unter Dampf. Gegen Kriegsende, Anfang 1945, soll der Zug einmal von amerikanischen Jagdbombern überrascht worden sein. Die Vierlingsflak schoss daraufhin Dauerfeuer, damit der Zug sicher den Frieda-Tunnel erreichen konnte. Der Sonderzug mit der Mannschaft von Dr. Dorpmüller verließ in der Woche zwischen dem 26. und 31. März 1945 den Schwebdaer Bahnhof über die Nord-Süd Strecke in Richtung Bayern. Nur wenige Tage später wurde der Bahnhof kurz nach Ostern von amerikanischen Truppen besetzt, nachdem sich noch verbliebene deutsche Truppenteile in Richtung Eichsfeld abgesetzt hatten, um mit einem letzten Aufgebot die Schlacht um Struth zu bestreiten.

Zum Glück blieb dem Abzweigbahnhof Schwebda ein ähnliches Schicksal wie dem Bahnhof Waldkappel erspart, denn er wurde nie bombardiert, sondern nur mit Bordkanonen der Tiefflieger beschossen, da war es Glück, dass zu diesem Zeitpunkt gerade kein Munitionszug auf dem Bahnhof stand.
Weiter zu Teil 23: Der Bahnhof Schwebda 1945 - 1955

Autor: Hermann Josef Friske

Teil 24:

Postkarte von der Bahnhofsgaststätte Schwebda aus der Zeit von Frau Elfriede Thomas;<br />Foto aus Sammlung: Hermann Josef Friske

Dampflokomotive 052 907-3 am 2. Juni 1973 gegen Mittag in Walburg fotografiert;<br />Foto: Freunde der Eisenbahn Eschwege e.V.

Der Bahnhof Schwebda 1955 bis Ende der 70er Jahre

Im Jahre 1957 standen immer noch etliche kriegszerstörte Güterwagen auf den nicht mehr benötigten Gleisen des Bahnhofs Schwebda.

Obwohl nur noch Haltestelle, ließen die Schwebdaer auch im Jahre 1958 nicht von »Ihrem« Bahnhof ab. In diesem Jahr fuhren noch täglich rund 150 Personen und mehr, immer noch eifrig mit dem Zuge zur Arbeit nach Eschwege oder weiter weg und trafen auch mit dem Abendzug kurz vor 18 Uhr wieder in Schwebda ein. Die Bahnhofstraße soll dann für kurze Zeit schwarz von Menschen gewesen sein. Die Züge verkehrten für die Schwebdaer einfach zu günstigeren Zeiten als der Bus.

Im Jahre 1958 wurde das nicht mehr benötigte Stellwerk an der Kellaer Straße abgerissen. Die paar Weichen, die nach 1955 noch in Gebrauch waren, sind danach vom Bahnhof aus bedient bzw. auf Handbetrieb umgestellt worden. Ein Foto vom Stellwerk existiert nicht mehr. Nicht mehr geklärt werden konnte, ob bei der Schließung des Schwebdaer Bahnhofs im Jahre 1955 auch die Güterabfertigung geschlossen wurde. Es wäre möglich, dass diese noch bis ins Jahr 1960 geöffnet war, denn es gibt Zeitzeugen, die sagen, Ende der 50er Jahre sei die Güterabfertigung noch in Betrieb gewesen. Belegt ist, dass der Güterschuppen im Laufe des Jahres 1960 an eine Spedition verpachtet wurde.

Ab dem 16. No­vem­ber 1959 wurde die Haltestelle trotz der heftigen Proteste aus der Bevölkerung aufgelöst und es hielt offiziell kein Zug mehr am Bahnhof.

Der Frachtverkehr sollte von der Schließung der Haltestelle ohnehin nicht betroffen sein, da dieser durch diese Maßnahme keine Änderung erfahren hatte. Das Verladen von Zuckerrüben, Kartoffeln und anderen Produkten war am Bahnhof weiterhin möglich.

Nach der endgültigen Schließung des Bahnhofs Schwebda auch als Haltestelle wurde bis zur Eröffnung der Bedarfshaltestelle an der Heldraer Strecke am 1. Ju­ni 1970 in der Greifensteiner Straße unterhalb vom Schloss Wolfsbrunnen beim technischen Halt so verfahren, wie es im vorigen Kapitel beschrieben wurde, um eventuell vorhandene Fahrgäste zu befördern.

Nachdem am Bahnhof Schwebda auch die Güterabfertigung geschlossen worden war, wurde der nun nicht mehr benötigte Güterschuppen im Laufe des Jahres 1960 an die Eschweger Spedition Humpf & Co. als Lager zum Unterstellen von Möbeln verpachtet. Lediglich das Freiladegleis war weiterhin zum Transport von Zuckerrüben und anderes in Betrieb.

Mitte der 60er Jahre fuhr der Autor als Jugendlicher mit seinen Kumpels oftmals mit dem Fahrrad zum Bahnhof Schwebda, um in den dort zur Verschrottung abgestellten Dampfloks herumzustöbern. Die unterschiedlichsten Lok-Gattungen waren dort anzutreffen. Vor allem ausgediente alte »Preußen« wie die Baureihe 56, aber auch schwere Güterzugloks der Baureihe 44 standen dort.

Bis wenige Jahre vor dem Abriss des Waldgasthauses »Leuchtberg-Halle« auf dem großen Leuchtberg im Jahre 1976 bewirtete das alte Eschweger Original Gottlob Gleim, der wohl einzige Wirt, der auf einem Stück Schlauch und einem alten Trichter Trompete spielen konnte, das Ausflugslokal.

Bei »Onkel Gottlob« waren wir regelmäßig zu Gast, denn von dort oben hatte man eine herrliche Aussicht auf das Werratal und konnte stets den Nachmittagszug gegen 17 Uhr in Richtung Wanfried ab der Kurve nahe dem Bahnhof Grebendorf bis wenige Meter vor Frieda entlangdampfen sehen. Nur an den Bahnhöfen Grebendorf und Schwebda verschwanden die Dampfwolken für einige Minuten. Hören konnte man den Zug bereits von der Werrabrücke bei Eschwege an bis kurz vor Wanfried. Der Zug war stets mit einer 86er bespannt und hatte 2 bis 3 Personenwagen, meist alte, so genannte »Donnerbüchsen« und einen Gepäckwagen am Haken, manchmal auch noch einen Güterwaggon. Die Bahnhofsgaststätte in Schwebda wurde in den 50er Jahren von einem Herrn Rödel bewirtschaftet. Im Jahre 1960 übernahm Herr Otto Rodeck, selbst ein alter Eisenbahner und gelernter Fleischer, die Gaststätte und betrieb sie bis ins Jahr 1970. In diesem Jahr erwarb Frau Elfriede Thomas das gesamte Bahnhofsgebäude von der DB und betrieb die Gaststätte bis ins Jahr 1981. Gegen Ende der 70er Jahre war der Autor mit einigen Kumpels anlässlich einer Mai-Wanderung zu Gast in der Bahnhofsgaststätte bei Frau Thomas. In der Gaststätte ging es an diesem Tage hoch her. Bis auf den letzten Platz gefüllt, herrschte eine Bombenstimmung im Lokal, sogar eine zufällig zusammen gewürfelte Kapelle spielte auf. Mit Schifferklavier, Mundharmonika, Löffeln und ähnlichen Taktinstrumenten wurde improvisiert. Auf dem Bahngelände waren die alten Dampfloks schon längst verschwunden, dafür standen wieder etliche Güterwagen auf den Gleisen des Bahnhofs. Den Rückweg nach Eschwege traten wir gegen Abend über die Gleise an, da in den letzten Betriebsjahren der Strecke an Sonn- und Feiertagen hier kein Zug mehr fuhr. Wochentags fuhren immerhin noch zwei Schienenbusse.

Als letzte Dampflok zwischen Eschwege und Wanfried fuhr am 2. Ju­ni 1973 die Lok 052 907-3. Lokführer war Arno Wiegand aus Jestädt und als Lokheizer fungierte Dieter Kern aus Abterode. Danach wurde der Fahrbetrieb zwischen Eschwege und Wanfried zunächst mit ETA 515, danach nur noch mit VT 798 aufrecht erhalten. Im Güterverkehr kamen die unterschiedlichsten Diesellokomotiven zum Einsatz. Von V 60 über die Baureihe 216 bis hin zur Köf war alles vertreten.

Etwa 29 Jahre nach der Sprengung wurden die Trümmer des Frieda-Viadukts im Jahre 1974 endlich abgeräumt. Bis dahin nur provisorisch abgestützt, konnte der Zoll mit seinen VW-Bussen gerade so darunter hindurch fahren. Im gleichen Jahr wurden entlang der Strecke zwischen der damaligen Zonengrenze und dem Bahnhof Malsfeld weitere Rückbauten vorgenommen, da der Streckenabschnitt von Waldkappel nach Spangenberg am 31. Mai 1974 stillgelegt wurde und bereits wenige Tage darauf an dieser Strecke die Bagger anrückten.
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Autor: Hermann Josef Friske

Teil 26:

Der Doppeltunnel bei km 41,683 am 5. Mai 2005;<br />fotografiert von Hermann Josef Friske

Das Stationsgebäude des Haltepunkts Grebendorf;<br />fotografiert am 17. August 2007 von Hermann Josef Friske

Das ehemalige Stationsschild des Bahnhofs Grebendorf in einem Privatmuseum;<br />fotografiert am 12. Oktober 2012 von Hermann Josef Friske

Zwischen Schwebda und dem Haltepunkt (Bahnhof) Grebendorf

Kaum bekannt sein dürfte, dass es bis heute noch bei km 41,468 einen höheren Wasserdurchlass gibt, der etwa in Höhe des Beamtenwohnhauses den Bahnhof komplett unterquert. In früheren Zeiten wäre es möglich gewesen, dass dort eine erwachsene Person geduckt hindurch gehen konnte, aber im Laufe der Jahre ist dieses durch Ablagerung von Schlamm und diversem Bewuchs unmöglich geworden. Der Ein- und auch der Ausgang sind jedoch noch leicht auffindbar.

Unmittelbar hinter dem Bahnhof Schwebda in Richtung Eschwege befand sich bei km 41,55 ein Bahnübergang, da ein Feldweg zwischen Schwebda und Grebendorf dort das Gleis überquerte. Bis Grebendorf gab es noch einige Wasser-Durchlässe und einen auch heute noch als Fußgänger-Unterführung genutzten Doppeltunnel bei km 41,683, der das Gleis sowie den nebenan verlaufenden Feldweg unterquerte. Wenige Meter vor dem Ortseingang von Grebendorf gibt es bei km 42,5 einen weiteren Doppeltunnel, der während des 2. Weltkrieges auch als Luftschutzbunker Verwendung fand, obwohl dieser relativ niedrig ist, in dem aber damals doch gut 20 Personen Unterschlupf fanden. Während der Kriegsjahre war der Tunnel sogar an beiden Seiten mit Türen versehen.

In der Ortslage von Grebendorf gab es zwei Bahnübergänge, den ersten davon noch vor dem Haltepunkt und späteren Bahnhof Grebendorf bei km 43,2, während sich der zweite Übergang bei km 43,33 im damaligen Bahnhofsbereich befand.

Der Bahndamm selbst wurde zwischen Schwebda und Grebendorf in den Jahren 1877 und 1878 aufgeschüttet und der Einschnitt vor der Ortslage von Grebendorf ausgehoben. Dabei wurden mehr als 100 Polen und Schlesier eingesetzt. Der erste Abteilungsbaumeister zwischen Eschwege und dem Entenberg-Tunnel bei Lengenfeld unterm Stein hieß Nitschmann, der aus Königsberg in Ostpreußen kam, aber dann nach Eschwege umsiedelte und dort auch die Orts-Bürgerrechte bekam.

Der Haltepunkt Grebendorf wurde am 1. Ju­li 1902 eröffnet, bestand bis zum 30. Mai 1981 und war mit einer Höhenlage von 160,0 Meter über NN der am tiefsten gelegene Haltepunkt im Streckenabschnitt zwischen Leinefelde und Malsfeld. Am Tag der Eröffnung des Haltepunktes, waren die Loks der ersten zwei dort haltenden Züge mit Kränzen geschmückt. Der erste Zug, der in Grebendorf hielt, kam aus Treffurt und wurde von der Eschweger Stadtkapelle unter der Leitung des Eschweger Originals August Muskat mit fröhlichen Klängen musikalisch begrüßt. Danach bestiegen die Kapelle, August Muskat, der Grebendorfer Bürgermeister Böttner, der Pfarrer Schwedes sowie die Gemeindevertreter und etliche Einwohner aus dem Ort den Zug, um mit diesem bis Eschwege zu fahren. Dort setzten sich die Teilnehmer der ersten Abfahrt aus Grebendorf in den Zug nach Leinefelde, um mit diesem an den Ausgangspunkt zurückzukehren.

Der erste Stations-Vorsteher in Grebendorf war der langjährige Schrankenwärter in Grebendorf, Friedrich Wilhelm Katzwinkel, der seine Schranken aber wahrscheinlich weiter bediente, obwohl er in der Eisenbahner-Hierarchie aufgestiegen war. Zu den Zeiten dieses alten Haltepunktes führte die Strecke noch eingleisig über die Anhöhe »Auf der Klaus«. Der Badestal-Bach verlief am Wege nach Neuerode und wurde mittels einer Röhre unter der Bahn hindurch geführt. Am eingleisigen Haltepunkt gab es damals einen breiten Bahnsteig ohne Treppe, damit dieser auch mit Fuhrwerken befahren werden konnte.

Durch den stetig wachsenden Ausflugsverkehr wurden seit etwa dem Jahre 1900 am Sonntag teilweise mehr Züge eingesetzt als an den Wochentagen. Da gab es auch am Haltepunkt Grebendorf immer mehr zu Tun und dann kamen im Jahre 1914 noch die Züge nach Heiligenstadt hinzu. Im Jahre 1913 wurde Friedrich Wilhelm Katzwinkel von Heinrich Dölle als Stationsvorsteher abgelöst und die nun anfallenden Arbeiten teilte sich Dölle mit Johann Heyer, Willi Weiß sowie Karl Kringel, die aber nur zeitweilig ihren Dienst versahen. Begegnungsverkehr war am Grebendorfer Haltepunkt etwa seit 1914 möglich, wobei aber nicht geklärt ist, ob es am Haltepunkt nun ein Überholgleis gab oder ob es sich um den zweigleisigen Ausbau zwischen Eschwege und Schwebda handelte, wie seit einigen Jahren vorgesehen. Während der Hauptbau vom Bahnhofsgebäude wahrscheinlich in der Zeit der Neuanlage des ersten Haltepunkts errichtet wurde, da sich im Gebäude auch eine Dienstwohnung befand, die mindestens seit dem Jahre 1913 bewohnt war, stammen alle Anbauten, die nicht mit Fachwerk versehen sind, wahrscheinlich aus den 1920er Jahren, als die neuen Bahnanlagen angelegt wurden.

Was den Zugverkehr anbelangte, so fuhr der erste Zug früh um 3.30 Uhr in Grebendorf ab, der dann bestimmt nach Eisenach fuhr, da bekannt ist, dass diese Züge zu den unmöglichsten Zeiten gefahren sind. Der letzte Abendzug fuhr dann um 21 Uhr in Richtung Eschwege.

Diesem Abendzug wurden durch den Stationsvorsteher sämtliche am Tag eingenommenen Gelder sowie der gesamte Schriftverkehr in einer abschließbaren Ledertasche zum Eschweger Bahnhof mitgegeben. Der gleiche Beamte besaß auch einen Schlüssel für den am Bahnhofsgebäude hängenden Post-Briefkasten. Die daraus entnommenen Poststücke wurden mit in den Zügen integrierten Bahnpostwagen weiter befördert, da es damals sowohl auf der Strecke nach Eisenach als auch auf der Kanonenbahn zwischen Leinefelde und Treysa Bahnpostverkehr gab.

Heinrich Dölle wurde im Jahre 1932 von Wilhelm Eiffler als Bahnhofsvorsteher abgelöst. Andere Quellen nennen das Jahr 1935. Im Jahre 1934 erfolgte auch der erste Spatenstich zum Bau einer Güter-Verladestelle, für die seit dem Jahre 1933 verschiedene zusammenhängende Grundstücke von der Bahn aufgekauft worden waren. Das neue Gütergleis zweigte von Eschwege gesehen bei km 43,3 nach rechts vom Streckengleis ab, um dort an einer etwa 170 Meter langen Rampe vorbei zu führen, die bei km 43,13 an einer Frontrampe endete. Im April des Jahre 1934 rollte die erste Ladung in Form eines Waggons Zement auf das neue Ladegleis.

Der letzte Zug von Eschwege nach Treffurt (und Eisenach) fuhr bereits am 31. März 1945 gegen 18 Uhr durch Grebendorf und am 2. A­pril 1945 durchfuhr als allerletzter Zug von Eschwege her ein sehr langer Zug in Richtung Leinefelde. Mit diesem Zug wurde wohl noch alles wichtige Material und sowohl Zivilpersonen als auch Wehrmachtsangehörige dem Zugriff der vorrückenden amerikanischen Verbände vorläufig entzogen. Mit diesem Tag ging auch für den Grebendorfer Bahnhof eine Ära zu Ende, denn ab dem darauf folgenden 3. A­pril wurde Grebendorf durch die Sprengung der Werrabrücke und des Frieda-Viadukts von den beiden Zielbahnhöfen Eschwege auf der einen und Leinefelde auf der anderen Seite abgeschnitten und von diesem Tage an ruhte für die Dauer von etwa 6 ½ Monaten jeglicher Bahnverkehr auf der Strecke.

Nach dem 2. Weltkrieg fuhr dann ab dem 24. Ok­to­ber 1945 von Grebendorf aus die hier oder in Treffurt stehen gebliebene Kleinlok, ein Köf, mit ein paar Personenwagen einen Inselverkehr über Schwebda und Wanfried nach Heldra bzw. Treffurt und zurück.

Im Jahre 1946 wurde der Brückenbauzug der Firma Gollnow aus Stettin, eine Spezialfirma für Eisenbahn-Brückenbau, für mehrere Monate am Haltepunkt Grebendorf stationiert. Dieser Zug wurde über Mühlhausen und Treffurt zum Grebendorfer Bahnhof gebracht.

Um das Jahr 1950 wurde Wilhelm Eiffler von Willi Weiß als Bahnhofsvorsteher in Grebendorf abgelöst. Etwa gleichzeitig kam Wilhelm Hollstein, Jahrgang 1908, als Bediensteter mit an den Bahnhof. Dieser wurde schließlich im Jahre 1955 als letzter Beamter dort zum Bahnhofsvorsteher befördert. Nach der Pensionierung von Wilhelm Hollstein im Jahre 1970 übernahm bis ins Jahr 1975 noch Karl Koschalka die Station, die zu dieser Zeit aber schon dem Eschweger Bahnhof unterstellt war. Bis zur Schließung der Station am 31. Ok­to­ber 1978 teilten sich Herbert Holzapfel und Klaus Dieter Stuhl die anstehenden Arbeiten an der Station Grebendorf. Während dieser Zeit endete im Jahre 1977 endgültig auch die Zuckerrüben-Verladung am Bahnhof.

Nachdem im Sommer 1994 die letzten Güterwagen über die Strecke rollten, erreichten im Frühsommer 2002 der Abrissbagger den Raum Grebendorf und der endgültige Abbau der Strecke wurde auch hier vollzogen.
Weiter zu Teil 27: Der Hochwasserdamm quer durchs Werratal

Autor: Hermann Josef Friske

Teil 28:

Beide Werrabrücken vor dem Umbau um 1910;<br />Stadtarchiv Eschwege aus der Sammlung Saalfeld

Die kleine Werra-Flutbrücke von der Westseite;<br />fotografiert am 18. Juni 2008 von Hermann Josef Friske

Die kleine Werra-Flutbrücke von oben;<br />fotografiert am 23. Oktober 2011 von Hermann Josef Friske

Die große Werra-Flutbrücke mit der Werrabrücke;<br />fotografiert am 6. Februar 2006 von Hermann Josef Friske

Die Werrabrücke mit der großen Flutbrücke im Hintergrund von oben;<br />fotografiert am 9. Oktober 2011 von Hermann Josef Friske

Die Werra-Brücken bei Eschwege (1)

Die erste Werra-Flutbrücke, aus vier Teilen zu je 16 Meter bestehend, folgt bei km 44,6 mit einer Länge von 64,50 Metern und einer Höhe von etwa 9 Metern. Am südlichen Brückenkopf finden wir an den Schlusssteinen des gemauerten Brückenbogens auf der östlichen Seite den Kaiseradler mit Krone und Zepter sowie die Jahreszahl 1877 und an der westlichen Seite trägt der Schlussstein die Kaiserkrone mit der Jahreszahl 1877. Hier sollte wohl die kaiserliche Macht demonstriert werden. Die Brücke wurde ursprünglich im doppelten Fachwerk-System errichtet und es dürfte wohl schon im Jahre 1914 mit dem Umbau begonnen worden zu sein, während sie anscheinend erst im Jahre 1925 in den heutigen Zustand versetzt wurde, wie es einer Inschrift an der Ostseite der Brückenkonstruktion zu entnehmen ist. Neu gestrichen wurde sie in der Zeit vom Mai bis Juli 1973 von der Firma Buddenberg aus Dortmund.

Unmittelbar hinter der kleinen Werra-Flutbrücke befand sich bei km 45,191 in den 60er Jahren die Kiesverlade-Station der Firma Bödicker, die später von der Firma Opermann übernommen wurde. Hierfür wurde eigens ein zweites Gleis zwischen den beiden Werrabrücken errichtet, das an beiden Enden mit dem Streckengleis verbunden war. An der Verladestation wurde der Kies für den Neubau der Rhön-Autobahn verladen, wofür das Unternehmen den Zuschlag erhalten hatte. Entladen wurde der Kies in Welkers/Rhön.

Die große Werrabrücke beginnt bei km 45,2 mit den 7 Öffnungen von 16 Metern Länge der größeren Flutbrücke, die Gesamtlänge von etwa 113 Meter bei einer Höhe etwa 9 Meter hat, die im Jahre 1914 noch während des Ersten Weltkriegs umgebaut wurde, wobei sie wahrscheinlich bereits ihr heutiges Aussehen erhielt, aber zunächst die alte Brückenkonstruktion als zweites Gleis erhalten blieb. Ihr folgen die zwei großen Überbauten mit einer Länge von 31,50 Meter, die direkt die Werra überspannen. Die Gesamtlänge der Brücke beträgt 210 Meter, die Höhe über dem Wasserspiegel der Werra beträgt etwa 15 Meter. Die Arbeiten zum Bau der Brücke begannen im Jahr 1876, wobei zunächst eine provisorische Transportbrücke über die Werra errichtet wurde. Diese wurde vom Eschweger Bahnhof her mit einem normalspurigen Arbeitsgleis ausgestattet und führte direkt bis an die Bauplätze der jeweiligen Pfeiler.

Die Sandsteine zum Bau kamen aus Cornberg und die Werksteine zum Abdecken der Pfeiler kamen aus Arenshausen. Der Mörtel zur Vermauerung der Steine bestand aus hydraulischem Kalk, der von der Firma Engelhardt aus Aschaffenburg geliefert wurde, sowie aus Werrasand, der im Verhältnis 1 : 2,15 bis 1 : 3 vermengt wurde. Der dazu verwendete Zement kam von der Firma Teege aus Frankfurt am Main, der im Mischungsverhältnis von 1 Teil Zement, 1 Teil hydraulischer Kalk, 5 bis 8 Teilen Werrasand sowie 8 Teilen Kalksteine zu Beton verarbeitet wurde.

Beim Bau der Brücke kam es zu etlichen Schwierigkeiten, da lediglich das Widerlager auf der Eschweger Seite auf Fels gegründet werden konnte. Eigentlich wollte man die Werra während der Bauarbeiten zur Gründung des Flusspfeilers umleiten und mit dem gewonnen Sand eine Insel im Fluss aufschütten, aber da wegen einer Linien-Veränderung ein Baustopp verhängt wurde, war die Insel durch ein größeres Werrahochwasser wieder weggespült worden, als die Bauarbeiten im Herbst 1876 fortgeführt werden sollten. Die Maurerarbeiten waren im Jahre 1877 abgeschlossen und nach der Errichtung des eisernen Überbaus wurde das Bauwerk im Sommer 1878 vollendet.

Der östliche Schlussstein des gemauerten nördlichen Brückenkopf-Bogens dürfte ursprünglich ebenfalls behauen worden sein, da die Brücke das größte und wichtigste Bauwerk in der Umgegend ist und jedes kleine Bauwerk eine Verzierung enthält, ist das naheliegend. Hier kann man aber nichts Genaues mehr erkennen, weil es an der Brücke im Laufe der Jahre etliche bauliche Veränderungen gab. Bei den Baukosten für die gesamte Brücke wirkte sich die Errichtung der insgesamt 15 Pfeiler aus, der alleine mit 107.471 Mark zu Buche schlug. Dazu kamen noch die Kosten für die eisernen Überbauten, so dass die Gesamtkosten der Werra-Hauptbrücke 224.000 Mark betrugen, dazu kommmen noch die Kosten für die kleine Flutbrücke in Höhe von 72.130 Mark hinzu kamen. Die Einzelkosten für die Pfeiler, deren unterschiedliche Höhen zwischen 5,76 Meter und 7,71 Meter schwankten, reichten von 5.855 Mark für den günstigsten Flutbrückenpfeiler bis hin zu 21.672 Mark für den Außenpfeiler der Werra-Hauptbrücke auf der Eschweger Seite.

Die Fischbauch-Trägerkonstruktion wurde schließlich im Jahre 1913 ausgebaut, da man schon damals die fehlerhafte Konstruktion erkannte, außerdem wurden Loks und Züge immer schwerer, der Verkehr in Richtung Eisenach lief schon seit ein paar Jahren und der nach Heiligenstadt sollte auch noch hinzukommen, daher reichte auch die Tragfähigkeit der alten Konstruktion nicht mehr aus. Am Sonntag, dem 14. Sep­tem­ber 1913, wurde der nördliche Überbau durch die heutige Konstruktion ersetzt, die ein Gewicht von 109 Tonnen besitzt, die alte Brücke wog lediglich 78 Tonnen. Die Arbeiten begannen um 6 Uhr früh, wobei die alte und die neue Brücke auf je vier Plattformwagen gestellt wurden, die sich auf Schienen bewegten. Die Brücken wurden mittels von Hand betriebener Seilwinden, die jede eine Zugkraft von 15.000 kg besaßen und auf einen Flaschenzug wirkten, bewegt. Die alte und die neue Brücke waren miteinander verbunden, so dass das Entfernen und das Aufbringen gleichzeitig statt fand. Der Bau der Schienenbahn und das Verladen der Brücken dauerte bis gegen 11 Uhr, während das Weggleiten der alten und das Aufziehen der neuen Brücke zu ihrem Standort die Zeit bis 14 Uhr in Anspruch nahm. Danach wurde die Schienenbahn wieder entfernt, die Auflager verlegt sowie Schwellen und Gleise erneuert, was bis 19 Uhr dauerte. Zum Schluss erfolgte noch die Belastungsprobe, die mit zwei schweren Güterzug-Loks in langsamer und in schneller Fahrt durchgeführt wurde, wonach die Brücke sofort wieder dem Verkehr übergeben wurde.

Die Umbauarbeiten an der nördlichen Brücke einschließlich der Lieferung des neuen Brückenkörpers waren an die Firma August Klönne aus Dortmund per Ausschreibung für den Betrag von 77.000 Mark vergeben worden. Die Leitung des Umbaus fand unter Herrn Oberingenieur Rickett von der Firma Klönne, von Bahnmeister Bürgel vom Eschweger Eisenbahn-Betriebsamt sowie vom Betriebsingenieur Martin und Regierungs- und Baurat Schneider statt. Außerdem waren zugegen: der geheime Baurat Schwidtal, Regierungs-Baumeister Franken aus Kassel und vom Militär Hauptmann Erler von der Betriebsabteilung der Eisenbahn-Brigade in Berlin. In Anbetracht des schönen Wetters sahen sich zahlreiche Passanten dieses Schauspiel an. Die ebenfalls anwesende Sanitätskolonne brauchte nicht tätig zu werden, denn bei den Umbauarbeiten wurde niemand verletzt.

Am Sonntag, dem 7. De­zem­ber 1913 wurde schließlich der südliche Teil der Brücke erneuert. Hierbei stellte der Schornstein der alten Wasser-Pumpstation ein Hindernis dar. Er stand so nahe an der alten Brücke, dass diese nicht hätte komplett ausgefahren werden können. Aus diesem Grund wurden Gurtungen und das Gitterwerk des westlichen Haupt-Trägers zerschnitten. Daraufhin wurden ein Querträger sowie einige Neben-Konstruktionsteile entfernt, um Platz für die Gleitbewegung zu schaffen. Die Zerschneidung der alten Eisenteile erfolgte sofort an Ort und Stelle und wurde mittels Sauerstoff-Verfahren in kürzester Zeit erledigt. Die Ausführung der Umbauarbeiten erfolgte ebenfalls durch die Firma Klönne und stand dieses Mal unter der Leitung ihres Ingenieurs Volkhardt. Der Umbau begann ebenfalls um 6 Uhr morgens und war trotz der widrigen Umstände um 20 Uhr abends beendet. Nach der anschließenden Belastungsprobe wurde die Strecke sofort wieder für den Verkehr freigegeben. Die übrige Leitung bestand aus den gleichen Herren wie beim Umbau im September, nur das Militär war wesentlich zahlreicher vertreten. Hiervon waren zugegen: Major Meichsner vom Eisenbahn-Regiment I in Berlin, Major Moßner von der Inspektion der Eisenbahn-Truppen in Berlin, Hauptmann Zeitz von der 2. Eisenbahn-Brigade in Hanau, Hauptmann Pleger vom Eisenbahn-Regiment Nr. II in Hanau und Oberleutnant Strebinger vom Eisenbahn-Regiment III in Hanau. Das ist der Beweis, dass das Militär bei Entscheidungen und Umbauten an dieser Strecke ein gewaltiges Wörtchen mitzureden hatte.

Die bereits erwähnte alte Wasser-Pumpstation, bei km 45,45 am Ende der Brücke auf westlicher Seite unterhalb vom Widerlager auf der Eschweger Seite gelegen, deren Schornstein beim Umbau der Brücke im Wege war, lieferte ursprünglich bis zum 9. De­zem­ber 1912, als das Brauchwasser für die Lokomotiven auf Meißnerwasser umgestellt wurde, das Wasser für den Hochbehälter für Brauchwasser des Bahnhofs Eschwege, der sich hinter der damaligen Eisenbahnstraße befand. Ob durch das Werrawasser gelegentlich ein Werrafisch in einer Lok mitgekocht wurde?

Die Träger mit dem zweiten Gleis der Werra-Flutbrücke wurden in der Zeit von 1926 bis 1945 ausgebaut, da die zerstörte Brücke nach dem Krieg an der Flutbrücke nur noch ein Gleis aufwies. Leider ist für diesen Vorgang nichts festgehalten worden. Nur wenige Tage vor Kriegsende, am 3. A­pril 1945, kam es beim Rückzug der deutschen Truppen zum traurigsten Kapitel der Eschweger Werrabrücke.
Weiter zu Teil 29: Die Werra-Brücken bei Eschwege (2)

Autor: Hermann Josef Friske

Teil 30:

Eschweger Bahnhof um 1912;<br />Stadtarchiv Eschwege

Das ehemalige Empfangsgebäude des Bahnhofs Eschwege;<br />fotografiert am 4. Juli 2010 von Hermann Josef Friske

Die Westfront des ehemaligen Bahnbetriebswerkes Eschwege;<br />fotografiert am 14. Januar 2007 von Hermann Josef Friske

Bahnhof Eschwege - Der Betriebsmittelpunkt

Die Stadt Eschwege, im Jahre 1870 etwa 7000 Einwohner, hat sich bereits im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts zur bedeutendsten Industriestadt in Nordost-Hessen entwickelt, und so ist es nicht verwunderlich, dass man den Betriebsmittelpunkt des Kanonenbahn-Abschnitts von Leinefelde nach Treysa in Eschwege angesiedelt hat. Deshalb bekam der Bahnhof Eschwege schon in der Bauphase einen großen Lokomotivbahnhof mit einer daran errichteten Neben-Werkstätte des Bahnhofs Niederhone, die wohl als zentrale Werkstätte des Streckenabschnitts konzipiert war. Die Ausschreibungen für den 8-ständigen, ringförmigen Lokschuppen wurden am 11. Mai 1878 vergeben und für das Werkstattgebäude schließlich am 16. März 1878. Im Jahre 1895 besaß diese Nebenwerkstatt die gleichen Funktionen wie die Hauptwerkstätten in Kassel oder Göttingen, war jedoch nur für einen kleineren Bezirk zuständig. Dieser umfasste im Jahre 1905 die Streckenabschnitte von Leinefelde bis Malsfeld, von Bebra bis Eichenberg, von Waldkappel bis Walburg sowie von Walburg bis Großalmerode. Im Jahre 1895 wurde am Ringschuppen die 16-Meter Drehscheibe eingebaut und am 20. Ja­nu­ar 1900 wurde von der Neben-Werkstatt Eschwege bei der Maschinen-Inspektion in Göttingen die Erweiterung des Lokschuppens um weitere vier Stände beantragt, worauf schließlich sogar fünf genehmigt und am 31. Au­gust 1908 fertig gestellt waren.

In Eschwege waren gewiss bereits seit der Eröffnung des Streckenabschnitts von Leinefelde nach Treysa Lokomotiven stationiert, schriftliche Nachweise existieren jedoch erst seit 1895, als in Eschwege fünf Loks beheimatet waren, wobei 1898 auch eine Tenderlok der Baureihe T 9.1 dabei gewesen sein muss. Im Jahre 1900 wies der Lokbestand bereits sieben Personenzug- und zwei Tenderloks der Baureihe T 3 aus. Da die Stationierung einer weiteren Personenzuglok im Jahre 1902 unmittelbar bevorstand und die zwei bereits vorhandenen Tenderloks hätten im Freien abgestellt werden müssen und in dem Jahr auch noch zwei weitere Tenderloks der Baureihe T 3 hinzukamen, war die Erweiterung des Ringschuppens dringend erforderlich. Im Betriebswerk Eschwege war auch eine Schmiede vorhanden, deren technische Ausstattung im Jahre 1908 um einen Dampfhammer erweitert wurde.

Ab dem Frühjahr 1909 durfte sich das Betriebswerk "Königliche Betriebswerkstätte Eschwege" nennen.

Ein völlig neuer Loktyp kam am 1. Ok­to­ber 1914 mit den fünf Zahnradloks der Baureihe T 26 hinzu, die zunächst die Bezeichnung Cassel 9001-9005, ab 1925 Baureihe 97, trugen, die bis 1920 hier im Einsatz waren und auf der Strecke von Eschwege über Schwebda nach Heiligenstadt ihren Dienst versahen.

Nach dem 1. Weltkrieg, spätestens jedoch im Jahre 1925, fand bei den Betriebswerken Eschwege und Niederhone eine Neuordnung statt. Die Beheimatung der Loks fand nur noch in Niederhone statt, jedoch wurden die Güterzugloks seit dieser Zeit ausschließlich in Niederhone gewartet, der Großteil der Reisezugloks jedoch weiterhin in Eschwege stationiert und gewartet, da von hier der größte Teil aller Reisezüge der von Niederhone ausgehenden Strecken begann und endete. Daher nannte sich das Betriebswerk Eschwege seit dieser Zeit "Bahn-Betriebswerk Niederhone, Lokschuppen Eschwege", welch ellenlange Bezeichnung.

Im Jahre 1928 kam ein weiterer neuer Loktyp hinzu, denn in diesem Jahr wurde der bis 1945 hier in Dienst stehende Verbrennungs-Benzol-Triebwagen der Baureihe VT 756 in Eschwege beheimatet. Von dieser Kleinserie sind lediglich zwei Exemplare gebaut worden.

Gegen Ende des zweiten Weltkriegs kam es am 22. Fe­bru­ar 1945 zum Schicksalsschlag für den Eschweger Bahnhof. Dieser wurde beim Angriff britischer Bomberverbände mitsamt den Anlagen seines Bahnbetriebswerkes fast vollständig zerstört, nur das Empfangsgebäude selbst entging dem Inferno weitgehend ohne größere Schäden.

Nach 1945 änderten sich die Verhältnisse an der Kanonenbahn infolge der Grenzziehung gen Osten so grundlegend, dass an einen Wiederaufbau des Betriebswerkes nicht zu denken war.

Obwohl in Eschwege auch nach 1945 noch Dampfloks stationiert waren, nutzte man von nun an die nur notdürftig geflickten Überreste des Betriebswerkes zur Fortführung der wichtigsten Arbeiten, wie Ölen und Entschlacken der Loks und zum Unterstellen über Nacht. Ansonsten fuhr man auf dem Bahnhofsgelände nur noch zum Wasserfassen, alle anderen Wartungen wurden fortan in Eschwege West durchgeführt.

Ab Herbst 1954 wurden durch Zuweisung in Eschwege zunächst sieben, kurze Zeit später noch fünf weitere einmotorige Triebwagen der Reihe VT 95 mit Anhänger beheimatet und hier auch gewartet. Im Bahnhof Eschwege muss es übrigens mehr als eine Drehscheibe gegeben haben, denn diese vor dem Ringlokschuppen wurde nach dem Krieg zunächst wieder instand gesetzt und per Handbetrieb gedreht, weil sie weiterhin als Zufahrt zu den übrig gebliebenen Gebäuderesten des ehemaligen Ringlokschuppens benötigt wurde. Diese Werksabteilung des ehemaligen Betriebswerkes, der DB-Direktion Frankfurt unterstellt, war nur dazu da, diverse Werkstattmaschinen und Gerätschaften zu warten und wurde im Jahre 1953 geschlossen. Die Gebäude dienten nun als Triebwagenhalle. Infolge der Zuweisung von Schienenbussen in Eschwege ging der Einsatz der Dampflokbaureihe 56.2 erheblich zurück. Am 30. Ju­ni 1959 waren nur noch acht Maschinen davon in Eschwege beheimatet. Die Baureihen 50 und 86, seit 1952 in Eschwege, wurden nun nach Kassel umbeheimatet, versahen aber weiterhin bis zum Ende der Dampflokzeit am 2. Ju­ni 1973 ihren Dienst in Eschwege. Das Betriebswerk wurde nach diversen Strecken-Stilllegungen im Umkreis schließlich am 1. Fe­bru­ar 1975 aufgelöst.
Weiter zu Teil 31: Der Bahnhof Eschwege bis 1914

Autor: Hermann Josef Friske

Teil 32:

Die belgische Beutelok wird im Herbst 1914 am Eschweger Bahnhof präsentiert<br />Sammlung Freunde der Eisenbahn / Sammlung Hermann Josef Friske

Die 36 190 mit Gustav Völke und Karl Spieß im Jahre 1922<br />Sammlung Saalfeld / Sammlung Hermann Josef Friske

Lokführer Karl Spieß (links) mit Heizer Gustav Völke (rechts) auf der P 4 im Jahre 1922<br />Sammlung Saalfeld / Sammlung Hermann Josef Friske

Stahlschwelle Hoesch 1930 unweit Abzweig Becker & Hach I;<br />fotografiert am 18. Juli 2002 von Hermann Josef Friske

Ferdinand Leitschuh mit seiner 91 852 am 29. März 1936<br />Stadtarchiv Eschwege, Sammlung Saalfeld / Sammlung Hermann Josef Friske

Der Bahnhof Eschwege bis 1945

Der Erste Weltkrieg spielte für den Eschweger Bahnhof keine all zu große Rolle, da ein Großteil des Verkehrs über Niederhone und die Bebra-Friedländer Bahn abgewickelt wurde. Lediglich in der Aufmarschphase rollten hier die Züge in ununterbrochener Folge auch durch diesen Bahnhof. Ansonsten waren es in erster Linie Versorgungs- und Lazarettzüge, die hier durchfuhren. Zu Beginn des Krieges wurde an der Strecke um die große Werrabrücke die Brückenwache eingeführt, die vom Landsturm-Bataillon 44 aus (Kassel-)Niederzwehren durchgeführt wurde.

Vermutlich noch im Herbst 1914 kam die erste erbeutete Belgische Lokomotive am Eschweger Bahnhof an, die vermutlich in den Eschweger Eisenbahn-Werkstätten für den Betrieb im Bereich der Preußischen Eisenbahn-Verwaltung umgerüstet wurde. Nur so ist es zu erklären, dass sich die Mannschaft der Eisenbahn-Werkstätte Eschwege mit ihrem Vorsteher Keller, vorne in der Mitte mit Hut und Bart, stolz auf der Lok dem Fotografen stellten.

Nachdem bereits ein Teil der Eschweger Garnison des Landwehr-Ersatzbataillons 83 im Jahre 1915 mit dem Zug die Stadt verlassen hatte, wie auf einer Postkarte dargestellt, wurde der Rest des Bataillons am 20. März 1916 unter reger Anteilnahme der Bevölkerung am Eschweger Bahnhof verabschiedet. Am 9. Au­gust 1917 wurden ein weiteres Mal Soldaten vom Eschweger Bahnhof aus zur Front geschickt. Ob das wohl der letzte Transport war?

Am 20. Sep­tem­ber 1916 verstarb in Friedenau bei Berlin im 72. Lebensjahr der Geheime Oberbaurat Franz Nitschmann, der als Regierungsbaumeister in Eschwege tätig war und von dort aus den Bau des Teilabschnitts der Kanonenbahn zwischen Eschwege bis etwa zum Entenberg-Tunnel hinter Lengenfeld in Richtung Leinefelde geleitet hatte. Nitschmann besaß die Ehrenbürgerwürde der Stadt Eschwege.

Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg und trotz der Herabstufung der Strecke Leinefelde-Treysa zur Nebenbahn ging der Betrieb auf dem Eschweger Bahnhof weiter, wenn auch von nun an noch beschaulicher. So ließ sich im Jahre 1922 der Lokführer Karl Spieß mit seinem Heizer Gustav Völke auf seiner bis zu 90 Km/h schnellen Lok aus der Preußischen Baureihe P 4 mit der Nummer 36 190 von außen und sogar noch im Inneren der Lok ablichten, wobei die Armaturen der Lok deutlich sichtbar werden.

Am Eschweger Bahnhof gab es seit dem Jahre 1901 den "Eisenbahn-Verein Eschwege", der im Jahre 1926 sein 25-jähriges Stiftungsfest feierte. Wir wissen davon, weil sich 2 Eisenbahner auf dem Weg zur Generalprobe für das Stiftungsfest mit einer selbst gebastelten Handkarre fotografieren ließen, da auf dem Fest vermutlich auch Sketche aufgeführt werden sollten.

In den Jahren 1925 und 1926 wurde im Umkreis von Eschwege, obwohl die Strecke an vielen Stellen auf eingleisigen Betrieb zurückgebaut worden ist, weiter in das Gleisnetz investiert.

Die kleine Werra-Flutbrücke wurde umgebaut und erhielt dadurch ihr heutiges Aussehen, an der Werrabrücke und der großen Flutbrücke wurden Erneuerungsarbeiten durchgeführt und im Bahnhofsbereich selbst wurden etliche Gleise neu verlegt bzw. erneuert, wie die Aufnahmen mit der Rotte aus dem Jahre 1926 vor dem Fahrdienstleiter-Stellwerk "Em" oder am Treffurter Schuppen sowie am großen Rundschuppen belegen.

Am 14. Ju­ni 1926 trafen die neuen Glocken für die Altstädter sowie die Neustädter Kirche am Freiladegleis des Güterbahnhofs ein, wurden dort auf Pferde-Pritschenwagen umgeladen und in feierlichem Geleit zunächst über die Ladestraße in Richtung Bahnübergang und von da aus zur jeweiligen Kirche gebracht, da die alten Glocken im Verlauf des 1. Weltkriegs abgeliefert werden mussten.

Am 17. Ju­ni 1927 fuhr vom Gleis 2 des Eschweger Bahnhofs ein Sonderzug mit dem Gesangverein Arions zu einem Sängerwettstreit in Großneuburg ab. Leider wurde uns nicht überliefert, welcher Verein gewonnen hat und wie lange die Fahrt ging.

Ende Mai 1928 wurde am Eschweger Bahnhof erstmalig ein Benzol-Verbrennungs-Triebwagen in Eschwege aus der Serie VT 756 Kassel stationiert, von der überhupt nur 2 Exemplare gebaut worden waren. Dieser Triebwagen war mit 2 Motoren zu je 75 PS für Vorwärts- und Rückwärtsfahrt ausgerüstet und hielt vorwiegend in der verkehrsarmen Zeit den Zugverkehr zwischen Eschwege und Ershausen aufrecht.

Am 20. A­pril 1932 hatte die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft extra für eine Rede Adolf Hitlers anlässlich seines 43. Geburtstages in Kassel einen Sonderzug von Eschwege nach Kassel und zurück eingesetzt, ein Zeichen dafür, dass doch scheinbar unter der Bevölkerung des Eschweger Umlandes, obwohl sozialdemokratisch geprägt, ein großes Interesse bestand, einen Demagogen als Redner persönlich zu sehen und zu hören.

In der Zeit nach 1933 machte die Politik auch vor dem Eschweger Bahnhof nicht Halt. Das Bahnhofs- und Lokpersonal musste an den Umzügen zum 1. Mai teilnehmen und sogar die Loks wurden anlässlich der verschiedensten Wahlen zu Propaganda-Zwecken missbraucht, indem diese mit den verschiedensten Parolen bemalt wurden.

Über derartige Aktivitäten wurde auch im Eschweger Tageblatt berichtet. So geschah das auch zur Wahl des Reichstages am 29. März 1936, als folgender kleine Bericht abgedruckt wurde, obwohl die Wahl selbst wohl eher eine Farce war:
"Lokomotiven rufen die Deutschen Wähler!
Auch die Deutsche Reichsbahn hat sich restlos für die kommende Reichstagswahl eingesetzt. Alle Lokomotiven in ganz Deutschland sind mit Inschriften geschmückt, die alle Wähler an ihre Pflicht am kommenden Sonntag ermahnen."
Der Lokführer Ferdinand Leitschuh ließ sich stolz mit einer Lok der Baureihe 91 fotografieren, es war die 91 852, die mit Propaganda für die Wahl am 29. März bemalt worden war.

Im Laufe der Jahre entwickelte sich der Verkehr in Richtung Treffurt und Eisenach stärker als der auf der Kanonenbahn in Richtung Leinefelde, während der in Richtung Heiligenstadt noch unter dem Aufkommen der Strecke nach Leinefelde lag, also teilweise sogar sehr dürftig war.

Das zeigte schon der Einsatz des Triebwagens nach Ershausen, das noch voll im Einzugsbereich von Eschwege lag und teilweise auch heutzutage wieder liegt. Da aber die Züge nach Eisenach bzw. Heiligenstadt fast ausschließlich ab dem Bahnhof Niederhone, seit 1936 Eschwege West, eingesetzt wurden, war der Eschweger Bahnhof für diese Züge nur Durchgangsstation. So hielt der Zug nach Eisenach am Eschweger Bahnhof ausschließlich auf Gleis 1 am Hausbahnsteig. Nur die Züge der Kanonenbahn wurden, soweit es keine durchgehenden Züge zwischen Leinefelde und Treysa waren, in beide Richtungen von Eschwege aus eingesetzt.

Im Jahre 1936 fanden letzte größere Umbauarbeiten im Bahnhofsbereich und auf der Strecke in Richtung Eschwege West statt, denn in diesem Jahr wurden auf der Strecke letztmalig neue Gleise verlegt. Die Schienen dafür stammten aus den Jahren um 1930. Zur gleichen Zeit wurde zwischen Eschwege und seinem Stadtteil Niederhone der neue Flugplatz gebaut, der im Jahre 1936 an das Gleisnetz angeschlossen wurde. Die Abzweigweiche dorthin befand sich etwa in der Höhe der heutigen Firma Stiebel-Eltron, wo das Gleis vom Bahnhof her kommend, die Kanonenbahntrasse über eine Rampe verließ, die Niederhoner Straße überquerte und an einem Pförtnerhaus durch ein großes Tor in das Flugplatzgelände hinein geführt wurde. Dort musste zunächst Kopf gemacht werden, um von dort aus in das Gleissystem des Flugplatzes rangieren zu können. Dort wurden fast alle Werkshallen an das Eisenbahn-Netz angeschlossen, da der Flugplatz als Reparatur-Flughafen der Reichs-Luftwaffe konzipiert wurde. Dieser Flugplatz wurde letztendlich am 2. A­pril 1945 durch Soldaten der Deutschen Wehrmacht unmittelbar vor dem Einmarsch der Amerikaner gesprengt.

Der Bereich des Eschweger Bahnhofes mit seinen umfangreichen Gebäude- und Gleisanlagen wurde am 22. Fe­bru­ar 1945 durch einen Angriff Britischer Bomberverbände fast völlig zerstört. Seitdem nie wieder komplett aufgebaut, wurden nur noch einige Teile des Bahnhofs wie ein Flickenteppich wieder notdürftig repariert, weil etliche Anlagen durch die spätere Grenzziehung etwa 1 km hinter dem ehemaligen Friedaviadukt bei km 37,86 nicht mehr benötigt wurden. Sofort nach dem Angriff wurde zumindest ein Gleis binnen weniger Stunden wieder befahrbar gemacht, damit konnte der durchgehende Verkehr zumindest wieder notdürftig aufgenommen werden.

Der Rest der zerstörten Gebäude wurde nach und nach abgerissen, einige alte Gleise preußischer Bauart ohne Verbindung zum übrigen Gleiskörper lagen noch bis etwa ins Jahr 1998. Das ganze Ausmaß des Angriffs folgt in einem extra Beitrag.

Am 3. A­pril 1945 folgte morgens um 6 Uhr schließlich noch die Sprengung der Eschweger Werrabrücke und der Straßenbrücken über die Werra. Gegen Mittag des gleichen Tages wurde die Stadt Eschwege, der Flugplatz und auch der Bahnhof nach kurzem Beschuss der Reichensächser Straße kampflos an die amerikanischen Truppen übergeben. Damit war der Krieg für die Eschweger Bevölkerung beendet und die amerikanischen Besatzer wurden von ihr zwar ängstlich aber freundlich begrüßt, die Offiziere wurden teilweise sogar zum Mittagessen eingeladen.
Weiter zu Teil 33: Die Judentransporte vom Eschweger Bahnhof

Autor: Hermann Josef Friske

Teil 34:

Der zerstörte Lokschuppen 1946 mit den Häusern der Eisenbahnstraße im Hintergrund;<br />Foto: Stadtarchiv Eschwege, Sammlung Saalfeld / Sammlung Hermann Josef Friske

Gleistrümmer und zerstörte Kleinlok, im Hintergrund Häuser der Niederhoner Straße 1945;<br />Foto: Stadtarchiv Eschwege, Sammlung Hermann Josef Friske

Der teilweise wieder aufgebaute Bereich des ehemaligen Betriebswerkes;<br />fotografiert am 29. März 2004 von Hermann Josef Friske

Die Gräber mit den Toten vom Bombenangriff auf dem Eschweger Ehrenfriedhof;<br />fotografiert am 22. April 2008 von Hermann Josef Friske

22. Fe­bru­ar 1945, der Eschweger Bahnhof stirbt im Bombenhagel

Der 22. Fe­bru­ar 1945 wurde zum Schicksalstag für den Eschweger Bahnhof. Bereits um die Mittagszeit so gegen 12 Uhr ertönte aus dem Volksempfänger die Luftwarnmeldung: »Feindliche Kampfverbände von Martha-Anton 1 nach Martha-Anton 4 unterwegs«, das war der Raum Eschwege. Die Bewohner der Brückenstraße begaben sich daraufhin in den Schutzkeller im so genannten »Braunen Haus« in der Brückenstraße 33. Kaum dort angekommen, es war etwa 12.55 Uhr, krachte es auch schon fürchterlich, das große Schiebetor zur Lederfabrik Döhle wurde aus den Angeln gehoben und fiel direkt auf das am Nachbargrundstück stehende Toilettenhäuschen. Dann war der ganze Spuk auch schon vorbei. Da war es gerade wenige Minuten nach 13 Uhr, worauf sich die Nachricht wie ein Lauffeuer verbreitete: Der Bahnhof ist zerstört!

Die Familie eines Reichsbahnbeamten, der in einem Zeitungsbericht in der Werra-Rundschau mit Georg V. angegeben wurde, konnte sich noch recht gut an den Beginn des Infernos erinnern. Das Mittagessen, das an diesem denkwürdigen Tag etwas später stattgefunden hatte, war um 13.03 Uhr gerade beendet worden, als laut dröhnendes Flugzeuggeräusch sich rasch aus nordwestlicher Richtung näherte. Ein Verband Britischer Lancaster-Bomber, der etwa 15 bis 20 Maschinen umfasste, die genaue Anzahl ließ sich in der Eile nicht genau definieren. Laut Chronik des Bombenkrieges handelte es sich um 30 Maschinen, befand sich im Anflug auf das Stadtgebiet. Die Flieger hatten ihre Bombenschächte bereits geöffnet und die tödliche Fracht begann inzwischen, dem Bahnhofsareal entgegen zu trudeln. Die Bewohner des Hauses Eisenbahnstraße 7 beeilten sich, nachdem sie die bereitstehenden Koffern mit dem Nötigsten ergriffen haben, den rettenden Schutzkeller zu erreichen, aber sie kamen nicht mehr bis dort hin. Noch im Treppenhaus wurde über ihnen das Dach abgeräumt, eine Bombe rasierte sämtliche Balkone am Haus ab, bevor diese die Außenwand zur Waschküche einstürzen ließ, wo sich die Familie bei Fliegeralarm normalerweise aufhielt, wenn sie ihren Zufluchtsort denn erreicht hätte. In diesem Fall war das Glück im Unglück.

Unmittelbar nach dem Ende des Angriffs trafen Ärzte und Sanitäter am Ort des Geschehens ein und begannen sofort mit der Bergung von den Toten und Verletzten, egal, ob diese Reichsbahnbeamte waren oder aus der Zivilbevölkerung kamen. Wegen der akuten Einsturzgefahr bei den meisten Gebäuden musste bei der Suche nach Toten und Verletzten mit äußerster Vorsicht vorgegangen werden. Dafür wurde ein Bergungs- und Räumkommando von der Eschweger Luftschutzleitung eingesetzt, das vom Bauunternehmer Siebert geleitet wurde. Dabei suchten die Bahnbeamten Walter Mühlhausen und Erich Graf zunächst in den Ruinen des Reichsbahn-Betriebsamtes nach einem Durchlass zum Heizungskeller des Gebäudes, um vielleicht dort noch überlebende zu finden. Dabei stießen sie im Luftschutzraum auf ihren Kollegen Heinrich Wenderoth, der in den Trümmern eingeklemmt war und sie nach Wasser bat. Noch bevor das Wasser endlich gebracht wurde, starb Wenderoth an seinen schweren Verletzungen. Bevor er jedoch verstarb, gab er seinem Kollegen Mühlhausen noch Tipps, wo noch weitere Opfer zu finden sein könnten. Noch kurz vor dem Angriff hatte Amtsvorstand Baurat Korn zum Luftschutzstollen am »Schlossersrain« gebracht, worauf er aber wieder zu seinen Kollegen im Amtsgebäude zurückgekehrt war. So wurde bei dem Angriff die ganze 10-köpfige Belegschaft des Betriebsamtes getötet.

Das ganze Ausmaß der Zerstörungen wurde erst bei der anschließenden Besichtigung der Bahnanlage und der betroffenen umliegenden Straßenzüge durch die Verantwortlichen der Aufräumarbeiten sichtbar. Diese fanden ein Chaos aus eingestürzten Gebäuden, zerfetzten Waggons, stark beschädigten oder zerstörten Lokomotiven, ein Gewirr aus verbogenen Leitungen und Gleisen sowie durchschlagenen Dachkonstruktionen vor. Der Luftdruck durch die Bombeneinschläge war so groß, dass die 7 Tonnen schwere Drehscheibe vom Lokschuppen rund 100 Meter weit den Hang hinauf bis in die Eisenbahnstraße hoch geschleudert wurde. Beim Angriff herausgeschleuderte Gleise fanden sich nach einem 500-Meter-Flug in der Nähe der ehemaligen Ziegelei wieder und eine Achse von einem Eisenbahnwaggon schlug in der Eisenbahnstraße 1 ein, wobei sie im 1. Stockwerk die Hauswand durchschlug, um genau im Schlafzimmer von Karl Klemm zu landen.

Des Weiteren sind einige Feldbahnloks oder Köfs, die auf dem Abstellgleis am Güterschuppen gestanden hatten, bis in die Niederhoner Straße geschleudert worden, wo sie auf den Trümmerhaufen zu liegen kamen. Die Gleisanlagen des Bahnhofs waren nach Westen hin völlig zerstört, wobei die Schienen teilweise bis 6 Meter in die Höhe empor ragten. Vom Sonderzug, der im Bahnhof gestanden hatte, war überhaupt nicht mehr zu sehen. Mehrere beim Angriff von den Waggons abgerissene Puffer sind durch die Explosionen sogar bis zum Anstieg des Heuberges geflogen, also rund einen Kilometer weit. Von etlichen Häusern in der Niederhoner Straße waren durch den Luftdruck etliche Dächer weggerissen und sogar in der Eschweger Innenstadt gab es vom Druck zerstörte Schaufenster.

Durch den Angriff, bei dem die britischen Flieger das Reichsbahngelände mit seinen Betriebswerkstätten, den Lokomotivschuppen und die Gleisanlagen mit einem Bombenteppich belegten, wurden außer den Bahnanlagen die Wohnhäuser der Eisenbahnstraße, die in unmittelbarer Nähe vom Betriebsgelände verläuft, auch Häuser in der Niederhoner Straße sowie am heutigen Westring von den Bombern getroffen, einige auch völlig zerstört. Hier konnten erst einmal keine Züge mehr fahren.

Sofort nach der Bergung der Toten und Verletzten wurde auf dem Bahnhofsgelände, in der Eisenbahnstraße, Niederhoner Straße und weiteren betroffenen Straßenzügen mit den Aufräumungsarbeiten begonnen. Hierzu sind auch die Eschweger Bauunternehmen Bödicker und Hämmerling herangezogen worden. Die ersten Toten wurden dabei im Keller des Hauses Eisenbahnstraße 4 geborgen. Außerdem lagen zwischen den Häusern Nummer 10 und 11 mehrere Tote herum. Mehrere zur Reichsbahn gehörende Bautrupps arbeiteten in Tag- und Nachtschicht an der Wiederherstellung der Gleisanlagen, denen es gelang, dass die Strecke von Eschwege nach Niederhone bereits 14 Stunden nach dem Angriff wieder eingleisig befahren werden konnte. An den Aufräumarbeiten beteiligten sich mehr als 600 Personen, die mithalfen, die Trümmer weitgehend zu beseitigen. Bei der mit Trümmern und Schuttbergen übersäten Niederhoner Straße ging es zwar zügig aber nicht ganz so schnell voran. Diese konnte erst nach knapp einer Woche wieder für den bis auf Militärverkehr spärlichen Verkehr freigegeben werden. So etwas wie Freude an der notdürftig wieder hergestellten Straßen- und Schienenverbindung dürfte in Anbetracht des weiter vorrückenden Feindes wohl nicht aufgekommen sein, denn man hatte in diesen Tagen bekanntlich andere Sorgen.

Durch den Angriff amerikanischer Flugzeuge auf den Bahnhof wurde das Betriebsamts-Gebäude völlig, sowie der Lokschuppen, die Werkhallen, der Triebwagen-Schuppen, die Häuser der Eisenbahnstraße, sowie 60 % der Gleisanlagen im Bahnhofsbereich weitgehend zerstört. Das Empfangsgebäude blieb dabei wie ein Wunder fast verschont. Beim Angriff starben mehr als 30 Menschen, die offiziellen Quellen sprechen von 44 Opfern, bei denen es sich laut der im Eschweger Sterberegister erhaltenen Angaben, für das Stadtgebiet von Eschwege, um 23 männliche und vier weibliche Erwachsene sowie eine 12-jährige Schülerin und ein nur wenige Monate altes Kleinkind gehandelt hat. Von den Opfern sollen 21 Personen aus Eschwege gekommen sein. Weitere Opfer verstarben in den Wochen nach dem 22. Fe­bru­ar 1945, wo in den Standesamts-Unterlagen dann der Vermerk »Feindeinwirkung« oder »feindlicher Luftangriff« eingefügt wurde. Unter den Toten befanden sich auch alle Mitarbeiter des Eschweger Eisenbahn-Betriebsamtes, dessen Gebäude einen Volltreffer erhalten hatte. Außerdem starb das Personal eines im Bahnhof stehenden Sonderzuges, einige Bedienstete des Lokbahnhofes, der Werkabteilung sowie der Bahnmeisterei. Ein Güterzug mit 40 Achsen, der auf Gleis 3 gestanden hatte und am Tag zuvor am Eschweger Flugplatz entladen worden war, noch weitere 40 Güterwaggons und 3 Lokomotiven wurden völlig zertrümmert, rund weitere 100 Güter- und Personenwaggons sowie der Triebwagen VT 756 Kassel wurden bei dem Angriff stark beschädigt, so dass der Triebwagen danach ausgemustert werden musste. Eine von mehreren Drehscheiben, es gab eine 16-Meter Drehscheibe vor dem Rundschuppen und mehrere kleinere im Bereich der Werkstätten, lag von nun an bis weit in die 1960er Jahre hinein schräg in ihrer Führung.

Bei dem verheerenden Luftangriff kam auch ein Mann aus Oberhone ums Leben. Es handelte sich hierbei um den Eisenbahnschmied Emil Däumigen, geb. am 8. Fe­bru­ar 1891, der sich bei dem Luftangriff gerade in der Schmiede aufhielt und, aus welchem Grund auch immer, nicht den Schutzraum aufgesucht oder aber nicht mehr rechtzeitig erreicht hat. Es könnte damit zusammenhängen, dass das Zug- und Lokpersonal, das technische Wagenuntersuchungspersonal sich auch während des Alarmes an den Zügen aufhielt und das Büropersonal in den Dienststellen ebenso wie die Arbeiter in den Werkhallen weiter gearbeitet hatten. Folglich war nach Aussage vom damaligen Bahnhofsvorsteher Walter Haase, der zugleich Eisenbahn-Luftschutzleiter war, der Luftschutzraum nur mäßig mit Bediensteten, sondern weitgehend mit Reisenden besetzt. Die Wucht der Bomben war beim Angriff so groß, dass die Notausgänge des Luftschutzraumes durch den enormen Luftdruck eingedrückt wurden. Weitere etwa 500 Schutzsuchende sollen sich während des Angriffes in der Unterführung im Bahnhofsbereich befunden haben. Dieser war restlos überfüllt, obwohl die Zahl der Schutzsuchenden als etwas zu hoch angesetzt erscheint.

Der Wagenmeister Hans Brüßler aus der Eisenbahnstraße 8, geboren um das Jahr 1890, wurde noch kurz vor dem Angriff gemeinsam mit einigen andere Eisenbahnern zu einem Munitionszug gerufen, der wahrscheinlich aus Hirschhagen gekommen war und gen Osten rollen sollte. Dieser Zug war in der Nähe des Stellwerks Ew bei der Weiche zum Flugplatz liegen geblieben und es galt, diesen wieder flott zu bekommen, was Gott sei Dank auch gelang. Nachdem der Zug angefahren war, heulten auch schon die Sirenen. Die Kollegen von Hans Brüßler suchten am hohen Bahndamm Schutz vor den Bombern, während Brüßler den weiten Weg über die Gleise hin zum Bunker gewählt hat, um bei seiner Familie zu sein. Den Bunker hat er nicht mehr erreicht. Unweit seines normalen Arbeitsplatzes, einem kleinen Gebäude nahe der Drehscheibe, der Angriff war bereits im vollen Gange, wurde er von einer schweren Betonplatte getroffen und darunter begraben. Bei den Aufräumarbeiten wurde er in einer Stellung vorgefunden, als ob er noch versucht hätte, die Betonplatte von sich weg zu drücken. Ob Brüßler nun direkt von der Platte getötet wurde oder darunter jämmerlich erstickt ist, wurde nie geklärt. Hans Brüßler wurde auf dem Friedhof in Niederhone beigesetzt, weil er von dort gebürtig war und seine Familie es so wollte.

Außer Hans Brüßler gab es am Eschweger Bahnhof noch zwei weitere Wagenmeister, von denen einer Huhn hieß und der mit seiner Familie ebenfalls in der Eisenbahnstraße gewohnt hatte. Huhn und seine Frau hatten 6 Kinder und wenn diese bei Alarm von der Eisenbahnstraße über die Treppe hinunter zum Bunker marschiert sind, dann immer wie im Gänsemarsch. Die Mutter ging mit dem Kleinsten auf dem Arm und dem nächst größeren Kind an der Hand vorweg, die restlichen vier Kinder liefen in einer Reihe wie die Gänse hinter ihr her. Die Familie Huhn und der dritte Wagenmeister hatten das Inferno überlebt.

Frau Schilderoth aus Niederhone, die Enkelin von Hans Brüßler, war gerade bei ihren Großeltern, als das Inferno begann. Es war keine Zeit mehr, ihre Puppe, mit der sie immer gespielt hatte, mit in den Bunker zu nehmen. Bei der Bergung von noch verwertbaren Gegenständen aus dem zerstörten Haus fand man in der Wohnung nach dem Angriff die Puppe unversehrt in einem Sack Mehl, der immer in der Küche gestanden hatte, wieder.

Außer diesen beiden soeben erwähnten Toten sind noch einige weitere Namen bekannt. Aus dem Eisenbahn-Betriebsamt starben:
Der Vorstand des Amtes die Reichsbahn-Räte Korn, Bing und Neisecke sowie die Reichsbahn-Oberinspektoren Mildner und Gustav Steinmetz, geb. am 4. März 1895, der Reichsbahn-Obersekretär Johannes Wilhelm Appel, geb. am 3. Ok­to­ber 1889, Reichsbahn-Sekretär Karl Wilhelm Schäfer, geb. am 8. Sep­tem­ber 1889, der Reichsbahn-Assistent Heinrich Wenderoth, geb. am 30. März 1894, sowie die Amtsgehilfin Wolter und der Amtsgehilfe Gustav Vogt, feb. am 28. Ja­nu­ar 1889. Außerdem kamen noch einige Bewohner der Eisenbahnstraße bei dem Angriff ums Leben, da die Häuser 4 und 5 einen Volltreffer erhielten.

Im total zerstörten Gebäude des Eisenbahn-Betriebsamtes gab es aber auch eine Überlebende, die nach dem Angriff in den freien Wänden an der Nordseite des Gebäudes stand und um Hilfe schrie. Sofort lief Walter Haase mit einem weiteren Bediensteten zum zerstörten Betriebsamt, nahm unterwegs eine dort herum liegende Leiter mit und rettete mit Hilfe dieser Leiter die Frau aus den Trümmern des Betriebsamtes. Die Frau hatte, welch Wunder, nur leichte Schnittverletzungen davongetragen.

Auf dem Eschweger Ehren-Friedhof, der im unteren rechten Teil des Städtischen Friedhofs am Höhenweg integriert ist, befinden sich unter den Toten des 2. Weltkriegs in der letzten oberen Reihe rechts 15 Gräber von Opfern des Bombenangriffs, die am 25. Fe­bru­ar 1945 beigesetzt worden waren. Es ist anzunehmen, dass diese Reichsbahnbeamte und Mitglieder der NSDAP oder deren Gliederungen waren und auf Grund einer höheren Anweisung durch die »Partei« dort zur letzten Ruhe gebettet wurden, da die restlichen der 44 Opfer an anderen Orten beigesetzt worden waren. Unter den auf dem Ehrenfriedhof beigesetzten Opfern befinden sich auch die mit Geburtsdatum versehenen Namen aus dem Eisenbahn-Betriebsamt. Außerdem befinden sich hier die Gräber von weiteren 10 Personen, die außer Franz Henschen alle am 22. Fe­bru­ar 1945 offensichtlich ebenfalls bei dem Bombardement ums Leben gekommen waren. Hierbei handelt es sich um:
Johann Heinrich Fusch, geb. am 13. Fe­bru­ar 1888, Elly Wolter, geb. am 26. Ju­ni 1923, Karl Götting, geb. am 20. Mai 1888, Margarete Dietrich, geb. am 28. Ju­li 1896, Pauline Scholze, geb. am 3. Sep­tem­ber 1879, Johannes Scholze, geb. am 12. De­zem­ber 1873, Irene Reuffurth, geb. am 6. Ok­to­ber 1932, Elisabeth Klug, geb. am 6. Au­gust 1885, Franz Henschen, geb. am 2. Mai 1899, gest. am 25. Fe­bru­ar 1945 sowie Berta Spies, geb. am 3. Ja­nu­ar 1895.
Zwei weitere Namen finden sich noch in der Schwebdaer Chronik, wonach beim Bombenangriff auch die beiden aus Schwebda stammenden Eisenbahner Heinrich Bürmann und Fritz Blum ums Leben gekommen waren.
Von den Opfern des Angriffs konnte der Autor nur 24 Personen namentlich erfassen, der Rest wird wohl auf den Friedhöfen ihres jeweiligen Heimatortes beigesetzt worden sein.

Während anderswo Flächenbombardements auf die Wohngebiete stattfanden, hatte man es in Eschwege gezielt auf den Bahnhof mit seinen Reparatur- und Wartungsanlagen zwecks Ausschaltung der Infrastruktur für den unmittelbar bevorstehenden Vormarsch der amerikanischen Truppen abgesehen. Die Zerstörung der umliegenden Wohnhäuser wurde dabei wohl bewusst in Kauf genommen, da dort bekanntlich viele Eisenbahner wohnten. Außerdem sollte wohl durch diesen Angriff der Nachschub für den Eschweger Flugplatz unterbunden werden. Ein weiteres Indiz dafür, dass den amerikanischen Invasionstruppen durch den Angriff der weitere Vormarsch geebnet werden sollte, ist die Tatsache, dass am gleichen Tag im Bereich der Reichsbahndirektion Kassel weitere 17 Bahnhöfe bombardiert wurden. Die Meinung einiger Eschweger über den Angriff auf den Bahnhof war allerdings eine andere, dieser soll dem Munitionszug gegolten haben, der noch in letzter Minute durch den Bahnhof geschleust werden konnte. Dieses Thema wurde den Eschwegern wohl von offizieller Seite vorenthalten, da in den Quellen nirgendwo etwas darüber zu erfahren ist.

Kürzlich erreichte mich ein Bericht der von der zur Zeit des Geschehens 6 Jahre alten Anita Witzel, verwitwete Müller, aus der Goethestraße, die diesen Angriff und die Tage darauf folgendermaßen erlebt hat:
Es war Mittagszeit und es gab bei uns die bei mir wenig geliebte »Dicke Suppe«, die meine Mutter mit Speckgrieben zu verfeinern pflegte, was für mich immer der wahre Horror war, da ich allein von dem Geschmack von einem Brechreiz übermannt wurde. Aber die Suppe musste gegessen werden, egal wie. Und es gab ja nichts anderes! Ich saß gerade mit dem Rücken zum Fenster am Küchentisch und meine Mutter versuchte, meine unwillige Nahrungsaufnahme mit dem bereit liegenden Rohrstock zu beschleunigen, aber auch durch die mündliche Aufforderung, ich solle mich doch beeilen, denn die Sirenen hatten schon durch ihren Heulton gewarnt und die Luftschutzwarte an der gegenüber liegenden Friedrich-Wilhelm-Schule hatten in Richtung Jestädt gezeigt. Das hatte mich damals bei meinem ungeliebten Mittagessen aber kaum interessiert. Plötzlich tat es einen Schlag, alles bebte, ich tauchte geistesgegenwärtig ab unter den Küchentisch, während hinter mir die Fensterscheiben zerbarsten. Wir Kriegskinder waren ja quasi darauf trainiert, bei Gefahr auf dem schnellsten Weg in den Keller zu rennen. Also rannte ich. Als ich zwischen der Doppeltür war, kam die zweite Detonation, verbunden mit einem gewaltigen Luftdruck, der die verschlossene und übertapezierte zweiflügelige Tür zur Nachbarwohnung aufriss, schwere Kleiderschränke durch den Raum schob und sämtliche noch heilen Fensterscheiben in der Umgebung zu Bruch gehen ließ. Während der nachfolgenden Einschläge stürzte ich die Kellertreppe hinunter, wo ich schon meine Mutter nach mir schreien hörte. Sie war sofort an das Bett meines kleinen Bruders gestürzt und hatte das schlafende Kind heraus gerissen, ohne in ihrer Panik nach mir zu schauen. Wir Kinder, wir waren damals zu zehnt im Haus, fanden die Folgen wunderbar, weil wir durch die aus den Angeln gerissenen Türen einen Rundlauf von einer Wohnung in die nächste machen konnten und ich war besonders erleichtert, denn meine Suppe musste ich wegen der darin liegenden Glasscherben an dem Tag nicht mehr essen.
Damals wurde erzählt, der Flugplatz sei bombardiert worden, aber dabei sei überwiegend der Bahnhof und seine Umgebung getroffen worden. Die Häuser der Eisenbahnstraße waren entweder zerstört oder völlig unbewohnbar. Glück hatte die Stadt, dass das Gaswerk in der Niederhoner Straße nicht getroffen wurde.
Während der darauf folgenden Tage ging meine Mutter Josefa Witzel, geb. Habig, mit uns in die Eisenbahnstraße, wo wir in den Trümmern nach Brennholz suchten. Dabei versuchten wir auch, Balken aus den Trümmern zu ziehen, eine ziemlich gefährliche Angelegenheit, wie ich das inzwischen beim Betrachten von alten Fotos aus dieser Zeit sehe. Besonders beeindruckt hatte mich damals die aus ihrer Auflage gerissene riesige Drehscheibe, die durch den Luftdruck während des Angriffs von ihrem Standort vor dem Lokschuppen bis in die Eisenbahnstraße geflogen war. Sie war in meinen Augen riesig, denn als Kind erscheinen einem die Dimensionen ja auch viel größer.

Die Personalstärke des Bahnhofs Eschwege betrug auch nach dem Bombenangriff im März/April 1945 noch 120 Personen, davon waren 45 + 3 Mann Reserve Zugpersonal.
Der Luftschutzbunker des Bahnhofs Eschwege lag direkt unterhalb der Eisenbahnstraße, der für die dortigen Bewohner nur durch eine heute noch existierende Treppe zu erreichen war und dessen Eingang direkt in den Hang hinein gearbeitet wurde, so dass auch die Arbeiter des Bahnbetriebswerkes diesen ebenso benutzen konnten wie die Bewohner der Eisenbahnstraße. Warum ausgerechnet an diesem Tag trotz Bunker so viele Menschen sterben mussten, wird reine Spekulation bleiben. Der Bunker ist im Sommer 1957 während eines Unwetters eingestürzt, so dass sich in der Eisenbahnstraße ein riesengroßes Loch wie nach einem Bombenangriff befand, die Stelle lässt sich im Asphalt noch heute ausmachen.

Über die Treppe am Hang gelangten die Bewohner der Eisenbahnstraße auch zu den Wannenbädern, die in einer Baracke in unmittelbarer Nähe untergebracht waren, wahrscheinlich das Gebäude der Kegelbahn, die als soziale Einrichtung von der Bahn schon frühzeitig errichtet wurden. Dort nahmen die Eisenbahner mit ihren Familien für 25 Reichspfennig pro Kopf und Wanne ihr regelmäßiges Vollbad.

Das Alles ist nun schon 70 Jahre her. Wie viel Bomben bei dem Großangriff auf den Bahnhof gefallen sind, blieb unbekannt. Erschreckend war jedoch das Ausmaß der Zerstörung. Die Särge für die Toten, die teilweise noch nicht lackiert waren, da in der Eile nicht so viel fertige Särge aufzutreiben waren, wurden im Garten des zerstörten Eisenbahn-Betriebsamtes bereit gestellt.
Weiter zu Teil 35: Der Eschweger Bahnhof nach 1945

Autor: Hermann Josef Friske

Teil 36:

Güterwaggons vor der Güterabfertigung am 11. Juni 1994;<br />Foto: Hermann Josef Friske

Bahnhof Eschwege, Gleis 54, Bahnsteig 2, Sonderzug mit Lok 50 2874, Lokführer Theo Brill, abfahrtbereit für Betriebsausflug der Eschweger Tuchfabrik nach Holzminden 1952<br />Foto: Stadtarchiv Eschwege, Sammlung Hermann Josef Friske

Tunneleingang in der Niederhoner Straße;<br />fotografiert am 20. März 2005 von Hermann Josef Friske

Der freigelegte Tunnel;<br />fotografiert am 28. April 2007 von Hermann Josef Friske

Der Bahnhof Eschwege und das Wirtschaftswunder

Die Bedeutung des Bahnhofs Eschwege begann sich nach dem Kriege zunächst zu erhöhen, denn ab hier fuhren die Züge nach Westen in Richtung Kassel oder Treysa, sowie nach Bebra und nach Osten nach der Wiederherstellung der Werrabrücke am 1. Au­gust 1946 zunächst auch noch bis Treffurt, ab Ende der 1940er Jahre, spätestens jedoch ab 1951 nur noch bis zum Haltepunkt Heldra. Auch im August 1961 fuhren noch durchgehende Personenzüge zwischen Bebra und Eschwege. Der Autor fuhr selber am 6. Au­gust 1961 mit einem Solchen. Er erreichte abends um etwa 18.30 Uhr den Bahnhof Eschwege.

Das Wirtschaftswunder am Bahnhof Eschwege begann erst, als in anderen Gegenden Deutschlands die ersten Betriebe ihre Pforten bereits wieder geschlossen hatten oder in verkehrsgünstiger gelegene Standorte abgewandert waren. Die Betriebe vor Ort siedelten sich vorwiegend um das ehemalige Flugplatzgelände an, da dieses Areal schon seit 1936 an die Eisenbahn angeschlossen war.

Ein typisches Beispiel hierfür war ein Betrieb, der auch ein Stück Deutsche Eisenbahngeschichte geschrieben hat. Es handelte sich hierbei um die Orion-Werke, die noch im Jahre 1945 unter dem Namen Henschel & Co. GmbH gegründet wurden. Hier wurden mit einigen aus den ausgebombten Henschel-Werken herbeigeschafften und in der Hindenburgkaserne vorgefundenen Werkzeugen zunächst kriegsbeschädigte LKW der ehemaligen Wehrmacht und defekte Fahrzeuge der Amerikaner wieder hergerichtet.

Bereits seit dem 1. Ja­nu­ar 1946 wurde, unter dem Namen Orion Radowitz & Co. KG firmierend, und im Laufe dieses Jahres die ehemalige Flugplatz-Flak-Kaserne in Niederhone, Sonnenhügel 1, der diversen Flugplatz-Flakstellungen von den Amerikanern als Betriebsgelände erworben, da dieses über einen eigenen Gleisanschluss verfügte. Auf dem Gelände besaß der Betrieb die erforderlichen Ausdehnungsmöglichkeiten und bereits im Jahre 1949 firmierte das Unternehmen unter Orion Werk, Motor- und Fahrzeugbau. Der Inhaber des Betriebes war bis zu seinem frühen Tod Wolfgang Hartdegen, der in der Zeit vom 8. Mai bis zum 31. Au­gust 1945 auch Landrat des damaligen Kreises Eschwege war. Das Kürzel für alle Orion-Fahrzeuge war WH, gefolgt von der Seriennummer, für Wolfgang Hartdegen. Unter seiner Leitung wurden zunächst weiterhin Lkw aufgekauft und repariert oder aus Teilen neu zusammengesetzt. Von diesen gingen sogar einige in den Export. Später kam noch der Bau moderner Reisebusse hinzu, die modernsten, die es damals in Deutschland gab, außerdem wurden jetzt auch Personen-Beförderungs-Anhänger gebaut, die zu einem großen Teil an Post und Bahn verkauft wurden, aber das wohl wichtigste Standbein des Orion-Werkes war der Bau von Schienenbus-Anhängern. Von diesen Fahrzeugen wurden im Monat bis zu 25 Einheiten gebaut, in den ganzen Jahren der Produktion, werden es wohl fast 600 Schienenbus-Anhänger gewesen sein, einige gingen sogar in den Export. Während die anderen Produkte des Orion-Werks auf flache Güterwagen verladen werden mussten, war der Abtransport der Triebwagen-Anhänger sehr einfach. Da das Werk über einen Gleisanschluss verfügte, der aus dem Bahnanschluss und drei Freilade-Gleisen bestand, wurden diese einfach auf die Gleise gesetzt und von dort mittels einer Dampflok abtransportiert.

Das Ende des Orion-Werkes kam schnell, aber nicht plötzlich. Es begann damit, dass der Firmenchef Wolfgang Hartdegen plötzlich verstarb und ein Nachfolger nicht in Sicht war. Die Produktion von Personen-Beförderungs-Anhängern war schon vorher weggebrochen, da diese gesetzlich verboten wurden und die Post im Jahre 1955 trotz einer 5-jährigen Übergangsfrist zur Nutzung dieser Anhänger und dringendem Kapazitätsbedarf keine mehr abnahm, da diese mit einer Abschreibungszeit von 8 Jahren rechnete. Gute und moderne Reisebusse produzierten andere Firmen auch, wenn auch nicht die Besten, und obwohl hier bereits ein Nachfolgemodell mit Einzel-Rad-Aufhängung mit einem übernommenen Patent der Firma Pekol in Oldenburg bereitstand, konnte dieses Modell keine nennenswerten Stückzahlen mehr erreichen. Ein letzter Omnibus dieser Serie, zumindest die Außenhülle, ist bis heute in Oldenburg erhalten und sollte eigentlich wieder restauriert werden. Lkw wurden schon lange nicht mehr gebaut und die junge DB nahm keine Triebwagen-Anhänger mehr ab, da der alte Kontrakt erfüllt war und diese, trotz mündlicher Zusage, weitere Anhänger abzunehmen, dieses nicht mehr tat, da diese Absprache, wie damals üblich, womöglich per Handschlag besiegelt worden ist. Diese VB 142-Anhänger waren aber inzwischen in größerem Umfang bereits auf Halde produziert worden. So kam es, dass das Orion- Werk per 31. De­zem­ber 1956 seine Produktion einstellen musste, da die Wechsel, diese waren in den 50er-Jahren üblich, mangels flüssigem Kapital nicht eingelöst werden konnten. Der Betrieb schloss seine Pforten Mitte des Jahres 1957 für immer, obwohl es nicht zu einem Konkurs kam, da wieder genügend Barvermögen vorhanden war. Das Orion-Werk hatte als einer der ersten Hersteller seine Fahrzeuge in der so genannten Leichtbauweise, wie heute allgemein üblich, produziert.

Während der Zeit des Wirtschaftswunders profitierte auch der Eschweger Bahnhof von diesem Boom, denn rechts und links der Bahn in Richtung Eschwege West siedelten sich die verschiedensten Betriebe an, die meisten aber am so genannten Industriehof, der sich auf dem Gelände des ehemaligen Flugplatzes etabliert hatte. Eine Rangierlok der Baureihe 86 bimmelte fast den ganzen Tag über auf dem Industriehof herum, denn so lange brauchte sie, um alle angekommenen Güterwagen an die Betriebe zu verteilen und andere, mit fertigen Produkten beladen, wieder einzusammeln und zum Bahnhof Eschwege zu ziehen, von wo aus diese ihren Weg nach ganz Europa antraten.

Auch im Bereich zwischen dem Güterschuppen und dem Bahnübergang gab es einen kleinen Betrieb im Wiegehaus der bahnamtlichen Waage. Darin hatte der Waagenbauer Alois Langer sein Domizil. Das Gebäude stand direkt an der Ladestraße zum Güterbahnhof. In unmittelbarer Nähe dieses Gebäudes gab es noch ein Baustofflager. Hinter dem Güterschuppen unterhielt die Spedition Chr. Humpf Jun. noch Mitte der 1960er Jahre an den Freiladegleisen der Ladestraße ein kleines Kohlenlager direkt am Gleis. Meistens stand dort auch ein Kohlenwaggon auf dem Gleis, von dem aus die Kohlen dann per Förderband auf das Pferdegespann oder einen alten LKW der Firma Ford, verladen wurde. Die Firma Humpf war in den letzten Jahren ihres Bestehens immer noch bahnamtliche Spedition und hat ihre Güter im Jahre 1962 auch noch mit dem Pferdefuhrwerk transportiert. Der Gespannführer hieß Werner Kawsky.

Schon vorher, nämlich im Jahre 1955, siedelte sich ein weiterer Großbetrieb auf dem Industriehof an, der Britische Landmaschinenhersteller Massey Harris-Ferguson, später Massey Ferguson, nahm seine Produktion auf. Dieser Betrieb ist als Ausgleich angeworben worden, da der Kupferbergbau im Sontraer Land defizitär gearbeitet hatte und daher geschlossen werden sollte. In der Zeit zwischen 1955 bis mindestens Mitte der 1960er Jahre verließ täglich ein Güterzug mit Pflügen, Traktoren und Selbstbindern, später auch mit Mähdreschern das Betriebsgelände der Firma Massey Harris, die damals etwa 1.300 Beschäftigte hatte, auf dem ehemaligen Flugplatzgelände. Die Züge wurden über die Güterabfertigung des Eschweger Bahnhofs abgewickelt.

Die Personenbeförderung am Eschweger Bahnhof profitierte ebenfalls von den Eschweger Firmen. Für die Firma Massey Harris fuhr Mitte der 1950er Jahre täglich morgens und abends ein Arbeiterzug bis nach Cornberg. Außerdem war es große Mode, die alljährliche Betriebsfeier in Form einer »Samba-Fahrt« durchzuführen. Mehrere Eschweger Betriebe, so die Firma Woelm, das Orion-Werk sowie die Tuchfabrik Bartholomäus & Gleim unternahmen mehrmals solche Fahrten im Laufe der 1950er und 1960er Jahre. Sambafahrten von Betrieben gab es aber auch noch in späteren Jahren, wie sie beispielsweise noch in den 1980er Jahren von der Deutschen Bundespost für ihr Personal aus dem Kreisgebiet durchgeführt wurden.

Die Kies-Verladestation der Firma Bödicker bzw. Firma Oppermann, die sich in den 1960er Jahren zwischen der Werrabrücke und der Flutbrücke auf dem ehemaligen 2. Gleis bei km 45,191 befand, wurde ebenfalls über den Bahnhof Eschwege abgewickelt und besaß sogar einen bahneigenen Telefonanschluß. Mehrere, mit Kies beladene Züge verließen wöchentlich den Eschweger Bahnhof in Richtung Bahnhof Welkers/Rhön, wo der Kies entladen wurde und beim Bau der Rhön-Autobahn, gebaut von der Eschweger Baufirma Bödicker, Verwendung fand.

Am 1. Ja­nu­ar 1976 wurde der Eschweger Bahnhof noch betrieblicher Knotenbahnhof und Stückgut-Knoten nach dem Modell 400, das heißt, es gab nun lediglich 400 Stückgut-Bahnhöfe im Bundesgebiet, und wurde dadurch für die folgenden 10 Jahre nochmals aufgewertet.

Im Zuge dieser Maßnahme wurden folgende Bahnhöfe mit ihren Güterschuppen an den Eschweger Bahnhof verwaltungsmäßig und betrieblich angeschlossen:
Der Bahnhof Bad Sooden Allendorf mit Oberrieden mit Gerhard Greiling als letzten Bahnhofsvorsteher, der Bahnhof Hoheneiche mit Reichensachsen mit Otto Reitz als letzten Bahnhofsvorsteher. Diese beiden Bahnhöfe liegen an der Strecke von Bebra nach Göttingen.
Von der Kanonenbahn war davon der Bahnhof Waldkappel mit Bischhausen betroffen, dessen letzter Bahnhofsvorsteher Helmut Apel war.

Mit Wirkung vom gleichen Tag wurden die Signal- und Fernmeldetechnischen Aufgaben vom Betriebsamt Eschwege West auf die Signalmeisterei Bebra übertragen.

In den folgenden Jahren kam noch ein weiterer kompetenter Bahnkunde für Waggonbelieferung hinzu, das war die Firma Becker & Hach mit gleich 2 Bahnanschlüssen im Bereich der ehemaligen Flak-Kaserne.

Die Freude darüber und dem Modell 400 sollte aber nicht all zu lange dauern, da mit der Stückgutabfertigung am Eschweger Bahnhof mit dem 31. De­zem­ber 1989 Schluss war. Der tägliche Nahverkehrs-Güterzug, der das für Eschwege bestimmte Stückgut vor den Güterschuppen geschoben hatte, holte auch das Frachtgut bisher mit dem gleichen Zug dort ab, um die Güter per Übergabe nach Bebra zu fahren, wo sie auf die jeweiligen Züge in Richtung Bestimmungsort umgeladen wurden.

Mitten unter dem Güterschuppen befand sich ein mehr als 100 Meter langer Fußgängertunnel, der vom Schützengraben bis in die Niederhoner Straße in Höhe der Abzweigung Kuhtrift geführt hat. Bei diesem wurde nach einem schweren Unwetter, bei dem sich Schlamm und Geröll etwa 1 Meter hoch in die Niederhoner Straße hinein ergossen hatte, vom Eingang Schützengraben her zugeschüttet und diente danach als Abwasserkanal. Der Eingang an der Niederhoner Straße blieb bis zum Abriss des gesamten Tunnels im Jahre 2008 erhalten, wurde jedoch durch einen Vorbau verdeckt. Die Unterführung führte kaskadenartig in Stufen vom Schützengraben bis zur Niederhoner Straße, wobei sich der Tunnel nach unten hin verjüngt hat, damit sich das anfallende Wasser aus dem Tunneleingang gegebenenfalls auch abfließen konnte. Im Tunnel selbst wird so mancher Passant sein überschüssiges Wasser los geworden sein, da es im Inneren der Tunnelröhre immer recht streng nach Urin gerochen hatte. Beim Bau der Straße zwischen Schützengraben und Kuhtrift wurde der als Abwasserkanal genutzte Tunnel durch große Rohre ersetzt. Der endgültige Abriss des Tunnels erfolgte in der Woche vom 25. bis 29. Fe­bru­ar 2008.
Weiter zu Teil 37: Bahnhof Eschwege, die Güterabfertigung und der Industriehof

Autor: Hermann Josef Friske

Teil 38:

Dampfloks der BR 50 über das Wochenende am Eschweger Bahnhof abgestellt um 1970;<br />Foto: Stadtarchiv Eschwege , Sammlung Saalfeld / Sammlung Hermann Josef Friske

Letzte Dampflokfahrt in Eschwege am 2. Juni 1973;<br />Foto aus der Sammlung der Freunde der Eisenbahn Eschwege / Sammlung Hermann Josef Friske

Letzte Dampflokfahrt in Eschwege am 2. Juni 1973;<br />Foto aus der Sammlung der Freunde der Eisenbahn Eschwege / Sammlung Hermann Josef Friske

052 907-3 am 2. Juni 1973 auf dem Ablaufberg des Bahnhofs Walburg;<br />Foto aus der Sammlung von Erwin Bödicker / Sammlung Hermann Josef Friske

Bahnhof Eschwege von den 60er Jahren bis 1973

17. Ju­ni 1960, Bahnhof Eschwege West:
Der Sonderzug des Bundespräsidenten Heinrich Lübke, gezogen von der Diesellok V 200 060, fuhr im Bahnhof ein, um dort von der Dampflok 50 1374 übernommen zu werden, da diese die knapp 5 km bis zum Eschweger Bahnhof wegen ihres zu hohen Achsdruckes nicht fahren durfte. Die 50 1374, gefahren von Oberlokführer Franz Zahn und Reserve-Lokführer Joachim Cypis, transportierte den Sonderzug weiter bis zum Eschweger Bahnhof, wo der Präsident vor dem Bahnhofsgebäude von einer Ehrenhundertschaft des BGS, sowie vom Landrat des Kreises Eschwege und dem Eschweger Bürgermeister begrüßt wurde. Nach einer kurzen Begrüßung fuhr der Bundespräsident zum Marktplatz, um anlässlich des 17. Ju­ni dort eine Ansprache zu halten, hier war ebenfalls eine BGS-Einheit dabei. Von dort aus fuhr er anschließend zum Jugenddorf Meißner, um vor ausgesuchtem Publikum aus dem Landkreis nochmals eine Rede zu halten. Anschließend erfolgte gegen Abend die Rückfahrt vom Eschweger Bahnhof aus.

Bis in die Mitte der 60er Jahre befand sich ein Fußgänger-Tunnel unter dem Bahnhofsgelände, der an der Ecke von Eisenbahnstraße und Schützengraben begann, den Bahnkörper und die Güterabfertigung unterquerte und in der Niederhoner Straße an der Abzweigung Thüringer Straße endete.

Eine weitere Eigenart am Bahnhof war eine Lorenbahn, die beim Prellbock am ehemaligen neuen Teil der Güterabfertigung begann, in dem nach 1995 bis zum Abriss des Gebäudes der Sender Rundfunk Meissner RFM untergebracht war. Die Bahn überquerte auf einer Brücke die Niederhoner Straße und führte zum gegenüber liegenden Eschweger Gaswerk, das sich auf dem Gelände der Eschweger Stadtwerke befand. Die Brücke musste in den 60er Jahren abgerissen werden, nachdem der LKW einer hiesigen Baufirma mit einem Kran im Schlepptau das Bauwerk rammte und den Mittelpfeiler stark beschädigte. Gleichzeitig mit dem Aufprall schoss eine Stichflamme aus der Brücke und ein ohrenbetäubender Knall ließ mehrere Fensterscheiben in der Niederhoner Straße zerspringen. Das Rohr, durch das Flüssiggas über die Brücke transportiert wurde, war durch den Kran eingerissen worden. Sofort brannte der Hang zur Güterabfertigung und die Niederhoner Straße lichterloh. Der Fahrer des LKWs musste mit schweren Brandverletzungen ins Eschweger Krankenhaus eingeliefert werden. Der Verkehr wurde anschließend bis 20 Uhr über die Ladestraße am Güterbahnhof umgeleitet.

Mit dem 1. Ok­to­ber 1965, infolge der Einstellung des Dampflok-Betriebes auf der Nord-Süd-Strecke, begann der zunächst schleichende Niedergang des Eschweger Bahnhofs und seiner Nebenbahn-Verbindungen in der Umgebung. Daher fand schließlich am 1. A­pril 1968 die Zusammenlegung des Bahnhofs Eschwege mit dem Bahnhof Eschwege West statt. Wenden wir uns nun zunächst dem Eschweger Bahnhof selbst zu. Obwohl gerade an diesem Bahnhof der Betriebsmittelpunkt des Kanonenbahn-Abschnittes von Leinefelde über Schwebda und Eschwege nach Treysa gewesen ist, war die Eschweger Station eigentlich nur ein Durchgangsbahnhof, wenn auch zusätzlich noch mit einem Bahnbetriebswerk sowie einer recht großen Güterabfertigung ausgestattet, an der reger Güterverkehr geherrscht hat. Da zumindest bis ins Jahr 1945 die meisten Personenzüge entweder den gesamten Streckenabschnitt zwischen Leinefelde und Treysa befuhren, begannen oder endeten viele Züge, die von Heiligenstadt oder Eisenach her kamen, in Eschwege West und nur ein kleiner Teil aller Züge begannen oder endeten in Eschwege selbst, sowie ein Teil der Züge aus Leinefelde, Treysa oder Malsfeld.

Daher fand die Abfertigung aller Personenzüge in Eschwege auf lediglich 2 Bahnsteigen mit 3 Gleisen statt, wobei der Bahnsteig 2 durch eine Unterführung, die 1912 erbaut wurde, vom Hausbahnsteig her erreicht werden konnte. Für die Jahre bis 1945 ergab sich für die Personenzug-Abfertigung am Eschweger Bahnhof somit folgendes Bild:
Die Züge nach Treffurt und Eisenach fuhren vom Gleis 1 am Hausbahnsteig ab und wurden zuletzt von einer Lok der Baureihe 74 gezogen, der letzte Zug nach Treffurt fuhr am 31. März 1945 gegen 17.30 Uhr ab. Die Züge nach Leinefelde und Heiligenstadt fuhren vom Bahnsteig 2 ab, wobei eine Festlegung des Abfahrtsgleises leider nicht mehr zurückverfolgt werden konnte. Die Züge nach Heiligenstadt waren mit der Baureihe 94 bespannt, wobei der letzte Zug am 2. A­pril 1945 nach dort fuhr und wahrscheinlich am gleichen Tag noch als Personenzug nach Eschwege zurückkam, da sämtliche in Eschwege West stationierten Loks der Baureihe 94 nach Kriegsende vor Ort waren. Außerdem fuhr noch bis 21. Fe­bru­ar 1945 der Benzoltriebwagen VT 756 Kassel nach Ershausen. Der letzte Zug nach Leinefelde fuhr am späten Vormittag des 2. A­pril 1945 vom Bahnsteig 2, bespannt mit 2 Loks und reichlich militärischem Material nach Leinefelde. An diesem Bahnsteig gab es übrigens bis in die 60er Jahre eine Vorrichtung, die an einem Pfeiler von der Bahnsteigüberdachung angebracht war und Hinweisschilder für alle Endbahnhöfe enthielt, die von Eschwege her angefahren wurden. Dieses Gestänge wurde Zug-Zielanzeiger oder mit Spitznamen auch »Hampelmann« genannt. Die Schilder, die außer den Bahnhöfen, die auch noch nach 1945 angefahren wurden, auch noch die Endbahnhöfe Eisenach, Leinefelde, Treffurt und Heiligenstadt sowie die Art des Zuges, entweder Personen- oder Eilzug, enthielten, hingen senkrecht in der Vorrichtung und wurden mittels eines Zughebels bedient, der an sämtlichen Schildern extra angebracht war und bei waagerechter Stellung des jeweiligen Hinweises für den Zielbahnhof dann eingerastet ist. Es kam auch in den 60er Jahren immer noch mal vor, dass an Stelle von dem Schild »Kassel« aus Versehen das Schild »Leinefelde« oder auch ein anderes aus der Vorkriegszeit angezeigt wurde.

Kommen wir aber nun zur Zugabfertigung im Zeitraum zwischen 1945 und 1974. Bis in die Mitte der 60er Jahre konnte sich ein Relikt aus der Vorkriegszeit retten, das war die Zugverbindung von und nach Bebra. Diese Zugverbindung wurde am Bahnsteig 2 auf Gleis 2 abgefertigt. Diese Zugverbindung besaß ab Ende Mai 1963 die Besonderheit, von Bebra her bis Eschwege West von einer Elektrolok gezogen zu werden. Dort wurde diese Lok abgehängt und der Zug wurde mit einer Dampflok bespannt, die diesen dann bis nach Eschwege fuhr. Das wurde der DB auf Dauer aber wohl zu teuer, so wurde die Zugverbindung Mitte der 60er Jahre endgültig eingestellt und die Züge wurden von Bebra her bis Göttingen gefahren.

Außer dieser Verbindung gab es seit Mitte der 50er Jahre für ein paar Jahre noch einen Arbeiterzug für die Firma Massey Harris bis Cornberg, der mit einem VT 95-Triebwagen gefahren wurde. Mit diesem Triebwagen wurden die Massey-Arbeiter von den Bahnhöfen entlang der Strecke morgens zur Arbeit abgeholt und abends wieder zurück gefahren. Die Züge von und nach Kassel wurden ebenfalls über das Gleis 2 am Bahnsteig 2 abgefertigt, aber nicht ausschließlich, da einige Verbindungen auch am Hausbahnsteig am Gleis 1 ankamen oder auch abfuhren.

Schließlich gab es da noch die Zugverbindungen, die grundsätzlich am Hausbahnsteig vom Gleis 1 abfuhren. Das waren in westlicher Richtung die Züge in Richtung Treysa, die aber nicht alle bis zum Endbahnhof fuhren, sondern wo es auch Verbindungen gab, die nur bis Malsfeld oder sogar nur bis Waldkappel fuhren.

Nach Osten hin gab es nach 1945 nur noch die Verbindung nach Wanfried, die zunächst noch bis Heldra weiter geführt wurde. Die Züge in diese Richtung fuhren ebenfalls vom Hausbahnsteig auf Gleis 1 ab. Da es Belegfotos aus den 60er Jahren gibt, auf denen die Züge oder der ETA 150 auf Gleis 4 am Bahnsteig 2 zur Abfahrt nach Wanfried bereit standen, muss davon ausgegangen werden, dass die Abfahrt der ostwärts fahrenden Züge auf diesem Gleis noch aus der Zeit vor 1945 stammt und nach dem Krieg zunächst beibehalten wurde. Ab wann die Züge dann vom Gleis 1 her fuhren, konnte derzeit nicht ermittelt werden. Auf der Strecke nach Heldra fuhren zunächst noch die Lokomotiven der Baureihe 86, in späteren Jahren dominierte die Baureihe 50, wenn es sich nicht um einen ETA 150, VT 95 oder VT 98 gehandelt hat.

Bis zur Einstellung des Personenverkehrs zwischen Wanfried und Heldra am 24. Ok­to­ber 1966 wurden die Züge bis zum Bahnhof Großburschla gezogen, danach setzte sich die Lok hinter den Zug, worauf dieser bis Heldra geschoben wurde, da dort nur das Streckengleis vorhanden war und die Lok keine Möglichkeit zum Rangieren besaß. Bei der Betriebsführung für den Zug nach Wanfried gab es noch eine weitere Eigenart im Eschweger Bahnhof. Wenn ein Zug aus Wanfried in Eschwege ankam, musste der Pendelzug, der zwischen Eschwege und Eschwege West die Verbindung aufrecht erhielt und ebenfalls auf Gleis 1 ankam oder abfuhr, dem Wanfrieder Zug Platz machen, damit dieser zum Hausbahnsteig auf Gleis 1 einfahren konnte. Der Pendelzug wartete dann so lange hinter der ersten Weiche in Richtung Eschwege West, bis der Wanfrieder Zug das Gleis 1 wieder frei gemacht hat, um anschließend dort auf Fahrgäste für Züge, die nur am Bahnhof Eschwege West hielten, zu warten. Die mit einer Lok bespannten Züge, die in Richtung Treysa fuhren, hielten nicht an jeder Station. Vor Allem an den kleinen Haltepunkten, die um das Jahr 1954 entstanden waren, fuhren sie durch, schon alleine deshalb, weil eine Dampflok eine gewisse Anlaufzeit benötigt, um wieder voll auf Touren zu kommen. Daher hielten dort nur die Schienenbusse der Baureihen VT 95 oder VT 98.

Sonderzüge von Betriebs- oder Vereinsfahrten versuchte man, ebenfalls am Hausbahnsteig auf Gleis 1 bereit zu stellen, aber da das nicht immer möglich war, kam in solchen Fällen auch der Bahnsteig 2 mit den Gleisen 2 oder 4 in Frage.

Die Zusammenstellung sämtlicher Züge erfolgte auf den Gleisen des ehemaligen Betriebswerkes, von wo aus sie auf Gleis 1, 2 oder 4 zur Abfahrt bereitgestellt wurden. Die Triebwagen wurden meistens im Bereich der Triebwagenhalle oder in einem daneben befindlichen Verschlag über Nacht untergestellt, während die im Jahre 1959 nach Kassel umbeheimateten Dampfloks der Baureihe 50, die aber weiterhin ihren Dienst in Eschwege versahen, auf den hinteren Gleisen, die sich direkt unterhalb der Eisenbahnstraße befanden, über das Wochenende abgestellt wurden.

Im Gebäude der ehemaligen Lokleitung befand sich während der Dampflokzeit im Obergeschoss eine riesige Stahlwanne, die als Wasserbehälter für den Wasserkran, der sich in unmittelbarer Nähe des Gebäudes befunden hat, gedient hat. Links an das Gebäude hat sich bis Februar 1945 der Rundschuppen angeschlossen, später trat an dessen Stelle ein kleiner Schuppen. Die Gebäude wurden im Zuge des Neubaus der Stichstrecke zum Stadtbahnhof im Jahre 2007 abgerissen.

Um das Jahr 1970 war der Eschweger Bahnhof einer der wenigen verbliebenen Einsatzorte für die gute alte Dampflok im Bereich der Bundesbahndirektion Kassel. Hier aber tat sie sowohl im Güter- als auch im Personenverkehr weiter ihren Dienst. Nur im Rangierdienst gab es bereits Dieselloks der Baureihen 211 bis 213, die V 100. Aber da waren im Personenverkehr nur noch die Strecken von Eschwege nach Kassel und von Eschwege nach Wanfried, die mit Dampf gefahren wurden, aber auch hier verkehrten schon in den verkehrsarmen Zeiten die Schienenbusse der Serie VT 95 und der ETA 150. Nur im Güterverkehr waren die Dampfloks noch gefordert, wenn auch nur noch im Umkreis von Eschwege und auf der Kasseler Strecke und von Walburg nach Eichenberg sowie von Walburg nach Großalmerode.

In den letzten Dampflokjahren begann die Zeit der Dampflok-Sonderfahrten, die den Dampflokverkehr auf manchen Bahnhöfen nochmals aufleben ließen. In unserem Raum war vorwiegend der Hessencourier unterwegs, der damals aber noch nicht über eigene Lokomotiven verfügen konnte. So gab es eine allerletzte Sonderfahrt vor der Einstellung des Dampfbetriebes. Diese fand am 11. März 1973 statt, als nochmals mit der 24 009 eine an der Strecke von Leinefelde nach Treysa aus den 30er Jahren altbekannte Baureihe in Eschwege zu sehen war.

Nicht nur im Raum um Korbach und Frankenberg und auf der Strecke in Richtung Brilon Wald durften die Dampfloks der Baureihe 50 noch ihre Kraft unter Beweis stellen, sondern gerade auf den Strecken zwischen Kassel, Walburg, Großalmerode, Witzenhausen Süd, Waldkappel, Eschwege und Wanfried wurden die in Kassel beheimateten 20 Güterzuglokomotiven dieses Typs mangels Alternativen bis ins Jahr 1973 noch als Universalloks eingesetzt. Hinzu kamen noch 31 Loks der Baureihe 44, die auf den zum Teil elektrifizierten großen Strecken zwischen Kassel, Frankfurt und Hannover immer noch im schweren Güterzugdienst eingesetzt wurden. Vereinzelt konnten sie auch noch auf der Nord-Süd-Strecke im Bahnhof Eschwege West bei der Vorbeifahrt beobachtet werden. Dazu kamen immer wieder die Dampfloks, die auf ihrer letzten Reise zum Verschrotten dort zu sehen waren.

Auf der Kanonenbahn gaben die Dampfloks der Baureihe 50 nicht nur im Personenzugdienst, sondern auch im Güterzugdienst bis Mitte des Jahres 1973 ihr Bestes, wenn auch auf dieser Strecke zwischen Schwebda im Osten und Treysa im Westen außer auf dem Abschnitt zwischen Malsfeld und Treysa keine Höchstleistungen mehr erforderlich waren. Der Abschnitt von Malsfeld nach Treysa diente auch als Umleitungsstrecke beziehungsweise als Abkürzung zwischen Nordhessen und dem Ruhrgebiet. Daher waren dort auch immer wieder Dampfloks der Baureihe 44 zu sehen.

Von Eschwege aus sind da vor Allem die täglichen Güterzüge nach Schwebda und Wanfried, nach Kassel über Waldkappel und nach Bebra zu nennen, die mit der BR 50 bespannt waren. Zwischen Waldkappel und Malsfeld gab es nur noch gelegentlich durchgehende Bedarfsgüterzüge, während die Dampfloks der Baureihe 50 am Bahnhof Eschwege West sogar im Verschiebe- und Rangierdienst tätig waren. Hinzu kamen noch die vielen mit Dampf gefahrenen Personenzüge nach Wanfried, Walburg und Kassel.

Für die DB war die Betriebsführung auf der Strecke von Eschwege zum Bahnhof Großburschla über Schwebda und Wanfried besonders teuer. Der Zug, der von der Bevölkerung liebevoll »Das Werralieschen« genannt wurde, bestand im Personenverkehr von Eschwege nach Wanfried in der Regel nur aus 2 alten Personenwagen, dem maximal noch ein Gepäckwagen oder manchmal sogar ein Güterwaggon angehängt wurde. Dieser Zug fuhr in den letzten Jahren der Dampflokzeit an Werktagen lediglich morgens und abends, während der Zug an den Samstagen nur morgens fuhr. Um die Mittagszeit fuhr dann noch ein ETA 150 nach Wanfried, der aber keine Rückleistung hatte und dort bis am späten Nachmittag stehen blieb. An Sonn- und Feiertagen fuhr schon seit den 50er Jahren kein Zug mehr und der Personenverkehr wurde durch Busse bewältigt, die aber während der Wochentage zusätzlich fuhren und der Bahn die Fahrgäste wegnahmen.

Der tägliche Nahgüterzug fuhr meistens nur wegen einem Gepäckwagen nach Wanfried und zurück. Bestenfalls hatte er auf der Hinfahrt noch am Bahnhof Frieda einen Güterwagen mit Chemikalien für die Firma Friedola abzuliefern oder aber leer dort abzuholen, was auch auf der Hinfahrt nach Wanfried geschah. Gelegentlich kam noch ein Waggon Kohlen oder Briketts für den Kohlenhändler Gerlach hinzu. Außerdem wurden während der Kampagne auch Zuckerrüben in großen Mengen abgefahren, aber diese Transporte wurden in der Regel gesondert abgefahren, da meistens ein ganzer Zug zusammen kam. Das war auch bei der Holzabfuhr der Fall.

Wenn Eisenbahnfreunde die Dampflok in Wanfried fotografieren wollten, sorgte Heizer Rodeck, der öfters auf der Strecke für ein gutes Feuer im Kessel zuständig war, für richtig viel schwarzen Dampf. Bei der Abfahrt des Nahgüterzuges ließ er extra die Feuertür offen und betätigte den Abschlamm-Schieber, um die herrliche Dampfwolke während der Anfahrtsphase zu produzieren. Schließlich verkehrte der Packwagen letztmalig am Freitag, den 1. Ju­ni 1973 unter Dampf zwischen Eschwege und Wanfried, bei dem auch der ETA auf der Rückfahrt hinten an den Zug angehängt wurde.

Schneller als erwartet rückte der große Tag heran, der eigentlich Anlass zu einem traurigen Ereignis war: Am 2. Ju­ni 1973 hieß es Abschied von der geliebten Dampflok zu nehmen. Im Direktionsbezirk Kassel wurden die letzten Dampfleistungen erbracht und ausgerechnet vom Eschweger Bahnhof aus fuhr dann der allerletzte Dampfzug nach Kassel.

Auch an einem solchen Tag kann es Pannen geben und schon gerät der ganze Einsatzplan durcheinander, weil eine Lok, die eigentlich schon vormittags in Kassel abgestellt werden sollte, am frühen Nachmittag noch mal in Eschwege zu sehen war. Aber erzählen wir alles der Reihe nach. Bereits mitten in der Nacht fuhr die erste Dampflok der Baureihe 50 um 2.44 Uhr als LZ 75402 (Leerzug) von Eschwege nach Eschwege West, um sich dort seinen Güterzug nach Walburg zusammen zu stellen. Um 4.14 Uhr war die Abfahrt vom Zug 16574, der um 4.52 Uhr schließlich in Walburg ankam. In Walburg wurde dann um 6 Uhr der Personenzug aus Kassel mit der Zugnummer 2931 übernommen, der Eschwege um 6.40 Uhr erreicht hat. Dieser Zug fuhr dann als P 2938 bereits um 6.48 Uhr zurück nach Walburg, das um 7.28 Uhr erreicht wurde. Diese Lok, deren Nummer bisher nicht ermittelt werden konnte, hätte normalerweise nun den Nahgüterzug nach Witzenhausen fahren müssen, aber entweder während der Fahrt nach Walburg oder zu Beginn der Güterzugleistung nach Witzenhausen Süd gab die Luftpumpe für die Druckluftbremse ihren Geist auf.

Inzwischen begann der Tag in Wanfried mit dem dampfbespannten Personenzug von Wanfried nach Eschwege mit der Zugnummer 2982 mit der Abfahrt in Wanfried um 7.09 Uhr und der Ankunft in Eschwege um 7.28 Uhr. Die 052 907-3 war als Zugnummer 16491 mit Abfahrt in Eschwege um 5.16 Uhr als Güterzug mit anhängenden leeren Personenwagen und der Ankunft in Wanfried um 6.20 Uhr nach dort gekommen, um den Personenzug, das »Werralieschen«, letztmalig unter Dampf nach Eschwege zu fahren. Da mussten nach der Ankunft in Wanfried zunächst die Güterwaggons rangiert werden, es könnte eine Ladung Kohle für die Kohlenhandlung Gerlach gewesen sein, um anschließend den Personenzug am Bahnsteig zu postieren. Vor der Abfahrt wurde die Lok von einem Passanten unter tatkräftiger Mithilfe von Lokführer Dieter Kern aus Abterode, der für diese Fahrt als Heizer eingeteilt war, geschmückt und der Tender wurde mit der Aufschrift »Unsere letzte Fahrt, lebe wohl, ade, auf Wiedersehen unser geliebtes Wanfried« versehen. Nach dem Schmücken war es dann so weit. Ein letzter Pfiff und der Zug, gefahren von Oberlokführer Arno Wiegand, machte sich der Zug mit der Dampflok 052 907-3 ein letztes Mal auf den Weg nach Eschwege. Eigentlich war Lokführer Erwin Bödicker für diese letzte Fahrt eingeteilt worden, aber da er nach mehrwöchentlichem Lehrgang auf der ETA 150 ausgerechnet an diesem Tag seine Prüfung zum Führen dieser Triebwagen-Baureihe ablegen musste, kam eine Ersatzmannschaft zum Zuge. Nach der Ankunft in Eschwege sollte die Lok eigentlich sofort als Leerzug nach Kassel gebracht und dort abgestellt zu werden, aber es kam anders. Da in Walburg die bereits erwähnte Lok durch Schaden ausgefallen war, die Luftpumpe für die Luftdruckbremse war defekt, übernahm eine andere Mannschaft mit Wilhelm Hammerl als Lokführer und Wilhelm Melchert, der bei seinen Kollegen unter dem Namen »Dampfwilhelm« bekannt war, als Heizer die 052 907-3 in Walburg und fuhr damit anschließend den Güterzug Nummer 16581, normale Abfahrt 8.20 Uhr, zwischen Walburg und Witzenhausen Süd, normale Ankunft um 9:40 Uhr. Dabei wurde auf den Tender eine weitere Bemalung vorgenommen. Darauf war dann noch zu lesen, wobei das Wort Wanfried mit Witzenhausen überschrieben worden war: »Unser liebes Witzenhausen, schade Witzenhausen Süd«. Die Rückleistung erfolgte nach dem Rangieren auf dem Südbahnhof unter der Nummer 16582 mit der Abfahrt in Witzenhausen Süd um 10.15 Uhr und der Ankunft in Walburg um 11:20 Uhr.

In der Zwischenzeit hatte die Crew von Arno Wiegand von Walburg aus die schadhafte Lok ohne Anhängelast an Stelle der ursprünglich vorgesehenen Lok als Leerzug nach Kassel gebracht. Ohne Luftdruckbremse und nur mit Handbremse, die vom Heizer bedient wurde, da auf der rechten Seite angebracht, und Dampf-Gegendruck gebremst, konnte nur langsam gefahren werden. Trotzdem war das schon ein heikles Unternehmen, bei dem Arno Wiegand ganz schön ins Schwitzen geriet und das wohl einmalig in seiner Laufbahn als Lokführer war.

Die 052 907-3, gefahren von dem Team Hammerl und Melchert, machte sich nach der Zusammenstellung ihres Güterzuges nach Eschwege West um 13 Uhr mit diesem unter der Nummer 16571 auf den Weg, um dort um 13.40 Uhr anzukommen. Um 13.54 Uhr ging es dann als LZ 75413 weiter nach Eschwege mit der dortigen Ankunft um 13.59 Uhr. Damit die 052 907-3 dann doch noch am gleichen Tag in Kassel abgeliefert werden konnte, wurde sie in Eschwege vor den fahrplanmäßigen ETA 150 mit Beiwagen, Abfahrt um 14.39 Uhr als P 2944, gesetzt, um mit diesem schließlich um 16.28 Uhr in Kassel anzukommen. Wer allerdings die Lok damals nach Kassel gefahren hat, war nicht mehr zu ermitteln. So kam es, dass die 052 907-3 ein zweites Mal von Eschwege Abschied genommen hat und von dort aus ihre letzte Dienstleistung mit einem ETA und dessen Beiwagen am Haken im Plandampf der DB-Direktion Kassel später und anders als geplant durchführen konnte.

Die Lok, gebaut im Jahre 1942 bei der BMAG, vormals Schwartzkopff unter der Fabriknummer 11963, wurde anschließend in Kassel abgestellt und dann am 24. Au­gust 1973 ausgemustert. Nach einer anderen Quelle soll sie allerdings erst am 11. Ju­ni 1976 ausgemustert worden sein.

Der eigentliche Dampfabschied im Bereich der DB-Direktion Kassel aber sollte erst noch kommen und den machten die Stationen Kassel und Eschwege unter sich aus. Und so gab es am Nachmittag des gleichen Tages am Kasseler Hauptbahnhof eine Art Volksfest, an dem die Kasseler Bevölkerung einen regen Anteil nahm und mit Kind und Kegel dort erschien. Die Eisenbahner-Blaskapelle aus Kassel spielte auf, während die 050 912-5 mit samt ihrer Besatzung bei einem Fototermin im Hauptbahnhof verabschiedet wurden. Dabei wurden auch Erinnerungsgeschenke und Blumensträuße an den Lokführer Adolf Schunck und den Heizer Franz Wilzoch aus Kassel überreicht. Bei der Abfahrt wurde dem Zug seitens der Bevölkerung nochmals kräftig hinterher gewunken, wonach dieser dann als N 2941 mit der Abfahrt um 14.25 Uhr ein letztes Mal in Richtung Eschwege abgedampft ist. Auch an der Strecke erweckte dieser Zug reichlich Aufmerksamkeit, da es das letzte Mal sein sollte, dass ein Dampfzug im Plandienst dort zu sehen war. Nach gut 1 ¾ Stunden Fahrzeit über Kaufungen, Hessisch-Lichtenau, Walburg, Waldkappel und Bischhausen sowie vielen kleinen Haltepunkten, um nur die größten Stationen zu nennen, hatte der Zug schließlich den Eschweger Bahnhof erreicht. Dort am Bahnsteig 2 auf Gleis 2 um 16.13 Uhr angekommen, wurde von der letzten Dampflok, obwohl diese an der Front und am Führerhaus festlich geschmückt war, zunächst kaum Notiz genommen. Nur ein paar Eisenbahnfreunde erwarteten den Zug, um ihn fotografisch fest zu halten. Nachdem die 050 912-5 umgesetzt und ein letztes Mal in Eschwege am Wasserkran ihren Durst gestillt hatte, wobei Eisenbahnfreunde während des Rangiervorgangs und am Wasserkran nochmals Erinnerungsfotos von der Lok geschossen haben, setzte sie sich mit der Front vor die Waggons, damit sie als N 2954 um 19.02 Uhr ihre allerletzte Rückfahrt nach Kassel antreten konnte. Mittlerweile hatte sich am Bahnhof eine große Schar Schaulustiger eingefunden, die dem letzten regulären Dampfzug in Eschwege einen würdigen Abschied bereiten wollten. Nach ihrer Ankunft in Kassel um 20.54 Uhr wurde die Lok zunächst dort für ein paar Tage abgestellt, um auf die Überführung nach Betzdorf zu warten. Somit konnte die Bundesbahn-Direktion Kassel verkünden, dass sie nun dampffrei sei, wie es im Fachjargon hieß.

Die 50 912 wurde im Jahre 1940 von der Firma Krupp in Essen unter der Fabriknummer 2373 gebaut und wurde nach ihrer letzten Fahrt am 2. Ju­ni 1973 für das BW Kassel, am 8. Ju­ni 1973 von dort zum BW Betzdorf umbeheimatet. Von dort aus ging sie noch am 1. März 1974 zum BW Duisburg-Wedau, wo sie dann bald abgestellt und am 5. De­zem­ber 1974 ausgemustert wurde.

Am Sonntag, den 3. Ju­ni 1973 gab es keinen Güterverkehr auf den Nebenstrecken rund um Kassel und die Leistungen im Personenverkehr wurden mit Triebwagen abgewickelt. Auf der Strecke von Eschwege nach Wanfried ruhte der Verkehr an Sonn- und Feiertagen sowieso schon seit Jahren und wobei der Personenverkehr an diesen Tagen mit Bussen bewältigt wurde.

Seit Montag, den 4. Ju­ni 1973 haben auf den Nebenstrecken im Kasseler Umland neue Dieselloks der Baureihe 216 die Aufgaben der Dampfloks sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr übernommen. Geblieben sind nur die Leistungen der Triebwagen, die in den folgenden Jahren dank sinkender Fahrgastzahlen den Personenzugverkehr zum Teil ganz übernommen haben und die Leistungen der Baureihe 216, die sich dem Eisenbahnfreund damals noch in rot gezeigt haben, die dann überwiegend den Güterzügen vorbehalten blieben.
Weiter zu Teil 39: Der Bahnhof Eschwege von 1974 bis 2002

Autor: Hermann Josef Friske

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Fortsetzung des Textes von der linken Seite:

Die gute Seele dieses Betriebes war Franz Kotrbach, der hier den Kochlöffel schwang. In der Betriebsküche wurden aber nicht nur die Bediensteten vor Ort verpflegt, sondern auch das fahrende Personal sowie die Rotte, die bei Wind und Wetter auf der Strecke gearbeitet hat. Für diese Bahnarbeiter hielt Franz Kotrbach im Winter außer der üblichen Stulle auch schon mal eine heiße Suppe oder ein heißes Getränk bereit, im Sommer auch eine kalte Cola.

Weil die Rotte und auch die Busfahrer, ebenso wie die Güterabfertigung verköstigt wurden, überdauerte die Betriebsküche den letzten Personenzug um ganze 2 Jahre und wurde dann doch, nachdem immer mehr Personal vom Bahnhof Eschwege abgezogen wurde, am 6. A­pril 1987 für immer geschlossen.
Weiter zu Teil 41: Vom Entstehen des Eschweger Stadtbahnhofs

Autor: Hermann Josef Friske