Leinefelde - Silberhausen - Schwebda - Eschwege - Eschwege West
(Niederhone) - Waldkappel -(Burghofen)- Malsfeld - Treysa
Der Abschnitt zwischen der Frieda-Brücke bei Meinhard-Schwebda
und dem Bischofferoder Tunnel bei Waldkappel-Burghofen
befindet sich im Werra-Meißner-Kreis.
Bilder vom zerstörten Bahnhof existieren definitiv nicht, daher nur die Brücke, unter der die Lok des Zuges zum Stehen gekommen war.
Bahnhof Waldkappel, die Katastrophe am 31. März 1945
Bereits am Karfreitag, den 30. März 1945 griffen Truppen der alliierten Streitkräfte oder vorauseilende Fliegerverbände, den Bahnhof Waldkappel im Tiefflug an. Sie beschossen die Bahnanlagen, das in den letzten Wochen täglich geschah. An diesem Tag aber gab es im Ort den ersten Toten. Bei dem Beschuss der Bahnanlagen wurde um 15 Uhr der Angestellte, Zivilist Karl Waldemar Diegel aus Kassel-Bettenhausen im Wartesaal des Bahnhofsgebäudes durch ein Geschoß eines der Tiefflieger tödlich getroffen. Er wollte seine Schwester besuchen, die auf Gut Fürstenstein bei Albungen arbeitete. Diegel, am 28. September 1909 in Weißenborn, Kreis Rotenburg/Fulda geboren, wurde auf dem Friedhof von Waldkappel begraben. Quelle: Standesamt Waldkappel, Sterberegister Nr. 11/1945.
Am nächsten Morgen ging es wie ein Lauffeuer durch die Stadt: Die Eisenbahnbrücken sollten gesprengt werden und die Bewohner sollten eine halbe Stunde nach dem noch bekannt zu gebenden Termin die Stadt räumen. Waldkappel sollte verteidigt werden. Zu der Sprengung jedoch kam es nicht mehr. Herrn Wilhelm Brill ist es zu verdanken, dass der Viadukt am Harmuthsächser Tor stehen geblieben ist. Er beobachtete, wie ein Sprengkommando der Wehrmacht zwei schwere Sprengbomben auf der Brücke anbrachte. Hinter dem Rücken der Wache entfernte das Zündkabel. Die Brücke konnte nicht mehr gesprengt werden. Später vernichteten Spezialisten der amerikanischen Streitkräfte die Bomben.
Am Ostersamstag, den 31. März 1945 zeigt sich um 16:55 Uhr folgende Ausgangslage:
Auf der Nordseite in Gleis 1 stand ein Munitionszug mit 35 gedeckten Güterwagen, das entspricht 70 Achsen, der am Vorabend gegen 23 Uhr aus Hirschhagen kommend in Waldkappel eingetroffen war. Eine andere Quelle spricht von vor 1½ Tagen. Er war 400 Meter lang und sperrte das Gleis vom Empfangsgebäude bis etwa 100 Meter vor dem in Richtung Niederhone gestandenem Stellwerk Waldkappel-Ost. Der Zug hatte in Kisten verpackte hochexplosive Zünder für V 1-Raketen, produziert bei der Dynamit AG, Hessisch-Lichtenau-Hirschhagen, geladen. Die Waggons waren vorschriftsmäßig durch ein großes »P« für Pulver und rote Fähnchen gekennzeichnet.
Auf Gleis 2 standen zwei leere Personenzüge, die Arbeiter nach Kassel bringen sollten, aber aufgrund fehlender Lokomotiven nicht fahren konnten. Auf Gleis 3 lagen aus dem gleichen Grund 2 Kohlenzüge fest, die voll beladen mit Briketts, aus Frielendorf gekommen waren.
Auf der Südseite des Bahnhofs auf standen in Gleis 1 und 2 Güterzüge und in Gleis 3 ein Räumungszug aus Saarbrücken mit wertvollen Maschinen. Die Reichsbahn-Direktion Kassel hatte in der Osterwoche zwei Räumungszüge zusammengestellt, die Akten, Büroeinrichtungen und Personal vor den anrückenden Amerikanern in Sicherheit bringen sollten. Diese beiden Züge verließen Kassel am Karfreitag, dem 30. März 1945. Zug 1 räumte die Maschinen-, Verkehrs- und Betriebsämter der RBD Kassel und wurde über Waldkappel, Niederhone, Göttingen und Herzberg nach Seesen geleitet. Den gleichen Weg sollte auch Zug 2 nehmen, der die Dienststelle Hauptbahnhof abtransportiert hatte und dessen Transportführer Reichsbahninspektor Wilhelm Schürle war. Dieser Zug jedoch hatte bereits in Kassel-Bettenhausen Unfall bedingt einen längeren Aufenthalt, wodurch der Zug erst am Samstag um 5 Uhr seine Fahrt fortsetzen konnte. Schon 4 Stationen weiter wurde der Zug in Helsa von Tieffliegern beschossen, wo sich das Begleitpersonal im nahen Wald in Sicherheit brachte. In Walburg der nächste Beschuss, wo eine Unterführung Schutz bot und im Bahnhof Hasselbach gewährten dort lagernde Holzstapel gute Deckung. Durch Beschuss geriet ein Waggon in Brand, wodurch der nächste Aufenthalt fällig war. Mittlerweile befand sich auch Gerhard Holz, Oberreichsbahnrat und Amtsvorstand des Maschinen-Amtes Kassel, mit im Zug, weil er sich über das Zurückbleiben dieses Zugs unterrichten wollte. Endlich, zwischen 16 und 17 Uhr, stand der Zug vor dem auf »Halt« stehenden Einfahrtssignal des Bahnhofs Waldkappel. An Weiterfahrt war nicht zu denken, da der Bahnhof durch die dort stehenden Züge belegt war. Vorher war noch ein letzter Lazarettzug in Richtung Eschwege abgefahren, denn diese Richtung war als einzige noch frei.
Deshalb wurde für den Munitionszug eine Lok vom Bahnhof Niederhone angefordert, die den Zug nach Eschwege bringen sollte. Diese fuhr auch in Niederhone ab, blieb aber wegen Maschinenschaden in der Nähe der Schwarzen Brücke, auch schiefe Brücke genannt, liegen. Somit kam der Munitionszug nicht aus dem Waldkappeler Bahnhof heraus. Die Herren Holz und Schürle aus dem Räumzug gingen gemeinsam zum Bahnhof, trafen dort auf den Eisenbahn-Bediensteten Friedrich Vogeler, der sie über die Blockierung des Bahnhofs unterrichtete. Noch während des Gesprächs kam ein Anruf aus Göttingen, dass die Bahnstrecken wieder von Tieffliegern angegriffen würden. Daraufhin wurde in Waldkappel sofort Fliegeralarm gegeben. In den Wartesälen des Bahnhofs forderte Herr Vogler alle Anwesenden auf, die Schutzräume aufzusuchen. Anschließend verließ er das Bahngelände, um in seinem Haus in der Wehrgasse nach seiner Familie zu sehen. Die im Empfangsgebäude wohnenden Familien sowie das Diensthabende Personal begaben sich ebenfalls in den Schutzraum. Dieser befand sich im Keller unter dem Dienstzimmer an der Westseite des Gebäudes. Die Zugbegleiter des Räumzuges, Herr Holz und wahrscheinlich auch Herr Schürle, begaben sich ebenfalls in den Schutzraum. Alle bahnfremden Personen, etwa 20 bis 30, begaben sich am Fuß des Abhanges südlich des Bahnhofs in Deckung. Dieses wurde bezeugt durch einen ehemaligen Polizei-Oberwachtmeister der Reserve des Landkreises Fritzlar-Homberg, später Stadthauptsekretär in Borken, der mit einigen Kameraden, unter ihnen der fieberkranke Georg Wagner aus Wabern, zu Fuß in einer befohlenen Absatzbewegung in Richtung Eschwege unterwegs war, und für diesen Kameraden eine Fahrgelegenheit suchte.
Urplötzlich, es war 16:55 Uhr, hörten die Bewohner der Stadt Waldkappel einen fürchterlichen Explosionsschlag und erblickten in diesem Moment aus Richtung Bahnhof eine riesige Feuer-, Rauch- und Staubwand. Gewaltige Erdmassen, sowie Trümmer von Gebäuden und rollendem Material gingen über der Stadt und ihrer Umgebung hernieder. Teile von Eisenbahnschienen, etwa 3 bis 4 Meter lang, flogen bis an den Ortseingang von Bischhausen, Eisenplatten und andere Eisenteile wurden über die Felder zerstreut. Selbst in Reichensachsen bebte die Erde dermaßen, dass man glaubte, etliche Gebäude würden jeden Moment in sich zusammen fallen, etwa das Gasthaus Seibert.
Anschließend trat Stille ein. Lähmendes Entsetzen erfasste die Einwohner von Waldkappel. Mit dem Aufschrei: »Der Munitionszug ist hochgegangen!« lief Friedrich Vogeler zum Bahnhof zurück. Er besann sich, dass Sekunden vor der Explosion 2 amerikanische Jagdbomber in geringer Höhe von Süden her vom Mittelberg kommend den Bahnhof angeflogen und beschossen hatten und deren Geschoßgarben wohl den Munitionszug getroffen und somit die Explosions-Katastrophe ausgelöst haben. Friedrich Vogeler bot sich auf dem Bahnhofsgelände ein grauenhaftes Bild der Verwüstung.
Der Bahnhof Waldkappel in seiner Gesamtheit existierte nicht mehr und es wurde für ihn zur traurigen Gewissheit, dass er der einzige Überlebende des Bahnhofspersonals war. Nur die bahnfremden Personen, die unterhalb des Abhanges Schutz gesucht hatten, waren nahezu unverletzt geblieben. Sie waren von der Druckwelle an den Boden gepresst, dann hochgerissen worden, wieder zum Erdboden zurückgefallen und anschließend mit Staub und Erde bedeckt wie gelähmt liegen geblieben. Auch diese Überlebenden eilten zum Bahnhof, der vollkommen vom Erdboden verschwunden war. Nichts war mehr da von dem zweigeschossigen Empfangsgebäude mit den Wartesälen, Diensträumen und Wohnungen, von den beiden Güterschuppen, der Drehscheibe, den Wirtschaftsgebäuden und Nebenanlagen. Zerstört oder zugeschüttet waren auch die Keller und der Schutzraum. Auch das eingeschossige Doppelwohnhaus nördlich des Bahnhofs am Steinbühl existierte nicht mehr, jedoch konnten dort die beiden Ehefrauen Katharina Schuchhardt, geborene Bierschenk, und Elisabeth Schöneberg, geborene Bohnenkamp, mit ihrem Sohn Otto lebend aus den Kellern geborgen werden.
Vom Maschinenschuppen aus behauenen Sandsteinquadern standen nur noch Teile der Außenmauern und an der Südseite fand man das Umspannwerk der Preußischen Elektro-AG und einen Ausweichbetrieb von Fröhlich und Wolff in Trümmern liegen.
Wo einst die Gleise lagen, befand sich nun ein etwa 400 Meter langer, 20 Meter breiter und über 6 Meter tiefer sich nach unten verjüngender Sprenggraben. Eine andere Quelle berichtet von einer tiefen, etwa 1 km langen und 500 Meter breiten Mulde, wo vorher der Zug gestanden hat. Wie erst später von amerikanischer Seite her bekannt wurde, fehlte seit dem Angriff vom 2. Flugzeug jede Spur. Es muss direkt in die Explosionswelle des Bahnhofs hinein geflogen und dabei total zerfetzt worden sein.
Es gibt von der Katastrophe auf dem Bahnhof aber noch einen weiteren Augenzeugenbericht, den der Fallschirmjäger Ed Fröhlich verfasst hat, der seine Verwundung in einer Genesungskompanie in Lichtenau bei Paderborn auskuriert hat und Ende März gemeinsam mit einigen seiner Kameraden den Marschbefehl erhielt, sich in Jestädt unweit von Eschwege bei einer Fallschirmjäger-Ersatzeinheit zu melden. Da keiner von ihnen wusste, wo Jestädt lag, fuhren sie erst einmal per Anhalter nach Kassel. Dort angekommen, fragten sie an der Fuldabrücke einen Posten nach dem Weg nach Eschwege. Plötzlich entstand ein großer allgemeiner Aufruhr, bei dem es hieß, dass Gauleiter Weinrich nach Kassel käme. Daraufhin gab der Posten dem Fallschirmjäger Fröhlich zu verstehen, sie mögen sich umgehend aus dem Staube machen, da man nicht wisse, ob Kassel verteidigt werden sollte und bekräftigte das Ganze mit einem »Haut ab!«. Nicht weit entfernt stand ein Bauer mit seinem Traktor, den die Kameraden von Fröhlich nach dessen Ziel fragten, wobei dieser Hessisch-Lichtenau angab, worauf der kleine Trupp mit dem Bauern dorthin fuhr. In Hessisch–Lichtenau angekommen, wurde bei einem Zahnarzt übernachtet. Am darauf folgenden Morgen begaben sie sich zum Bahnhof Hessisch–Lichtenau, wo sie erfuhren, dass voraussichtlich im Laufe des Vormittags der wahrscheinlich letzte Zug nach Eschwege fahren werde. Mitten in den Vorbereitungen für die Abfahrt des Zuges gab es Fliegeralarm. Kurz darauf erschienen Tiefflieger, die in der Nähe des Bahnhofs einen Strohhaufen in Brand schossen.
Wenig später stand ein Zug, der aus drei bis vier Personenwagen und fünf oder sechs Güterwaggons bestand, am Bahnsteig bereit. Diesem Zug wurde noch ein weiterer Waggon angehängt, der Material vom soeben noch geräumten Flugplatz Hessisch–Lichtenau enthielt. Nach der Entwarnung ist es durch den Fliegeralarm inzwischen Mittag geworden, konnte der Zug von Fröhlich und seinen Leuten endlich bestiegen werden, worauf dieser nur wenig später den Bahnhof Hessisch–Lichtenau verließ und in Richtung Waldkappel fuhr.
In Waldkappel angekommen, durchfuhr der Zug langsam den Bahnhof, als dort ein Hindernis auftauchte. Auf dem Gleis stand ein am Vortag zerschossener Zug, der einfach vor den ankommenden Zug gekuppelt wurde.
Auf dem linken Nebengleis befanden sich Güterwagen mit V-2–Teilen, die wahrscheinlich Treibsätze enthielten, die später zu der verheerenden Katastrophe führen sollten. Nachdem der zerschossene Zug angekoppelt war, verließ der Doppelzug den Bahnhof Waldkappel und setzte sich langsam in Richtung Eschwege in Bewegung. Die Bahnbediensteten von Waldkappel winkten dem Zug noch nach. Daraufhin gab es erneut Fliegeralarm, worauf der Doppelzug ausrollte und die Lok genau unter der Brücke zu stehen kam, die sich noch heute direkt hinter dem Ende des Bahnhofs Waldkappel befindet. Wieder wurde der Alarm abgewartet.
Plötzlich tauchten Jabos (Jagdbomber) über dem Zug auf. Sie kamen in drei Gruppen zu je vier Flugzeugen an und flogen rechts und links am Zug vorbei. Den Rauch der Lok konnten sie nicht sehen, weil diese direkt unter der Brücke zum Stehen gekommen war. Die auf der linken Seite hintereinander fliegenden Jabos wurden plötzlich aus dem letzten Wagen des Zuges durch mitfahrenden bewaffneten Begleitschutz mit einem Maschinengewehr beschossen. Durch die benutzte Leuchtspur-Munition hatte der Pilot in der letzten Maschine den Standort des Schützen ausmachen können. Sofort flog die Maschine eine Schleife und bog in die Richtung des Zuges ein. Verzweifelt rief Fröhlich den begleitenden Schützen zu, das Schießen einzustellen, da sich in den Personenwagen auch Zivilisten befanden. Das ausgescherte Flugzeug flog von hinten, also vom Bahnhof Waldkappel her, direkt auf den Zug zu. Fröhlich und seine Leute verließen daraufhin sofort den vorletzten Waggon, in dem sie saßen und rannten in Richtung des Bahnhofs Waldkappel.
Hinter einer Rübenmiete nahmen sie Deckung, während aus dem Flugzeug aus allen Rohren auf sie geschossen wurde. Die kleinen Einschussflämmchen waren überall zu sehen. Zum Glück wurde niemand getroffen. Kurz vor dem Überfliegen des Zuges flog eine Art Phosphorbombe aus dem Flugzeug, worauf eine schwache Explosion folgte. Danach folgte ein Zischen beim Aufschlag auf einen mitgeführten Panzerladewagen. Sofort fingen die Holzbohlen des Waggons Feuer und brannten lichterloh. Auch der steile Abhang des Bahndammes fing Feuer, worauf die mitfahrenden Zivilisten fluchtartig ihre Personenwaggons verließen und eine Deckung suchten.
Fröhlich hat erst später erfahren, dass eine ältere Dame den steilen Abhang des Bahndammes herunter gefallen war und sich dabei einen Oberschenkel-Halsbruch zugezogen hatte.
In diesem Moment rief ein Infanterist in der Nähe: »Kumpels kommt hierher«, worauf sich Fröhlich und sein Trupp dorthin auf den Weg machte. Landser hatten sich dort in einer letzten Verteidigungslinie zwischen Kassel und Eschwege eingegraben und boten Fröhlichs Leuten an, mit in ihre 2-Mann-Löcher zu kommen, um vor dem Flieger Schutz zu suchen.
Nachdem das Flugzeug eine weitere Rechtskurve geflogen hat, hielt dieses nun direkt auf den Bahnhof Waldkappel zu. Genau über dem Bahnhofsgelände fiel erneut eine Bombe aus dem Flugzeug, worauf dieses sofort wieder abdrehte. Unmittelbar darauf folgte eine ohrenbetäubende Detonation, die eine solche Wucht besaß, die Fröhlich während seiner gesamten Militärzeit noch nicht erlebt hat. Er glaubte, dieses sei das Ende. Als er im Kopf wieder halbwegs klar war, dachte er:
Da ist der Munitionszug explodiert!
Die Leute, die sich in die Zweimannlöcher geflüchtet hatten, wurden durch die Explosion förmlich herausgehoben, um bei der darauf einsetzenden Sogwelle anschließend wieder dorthin zurück zu fallen. Über dem gesamten Bahnhofsgelände stand eine riesige Schmutz- und Staubwolke, die erst nach etwa 20 bis 30 Minuten in sich zusammen gefallen war.
Vollkommen entsetzt fanden Fröhlich mit seinen Leuten dort, wo sich eben noch der Bahnhof befunden hatte, nur noch einen riesigen Krater vor. Von den Gebäuden, die auf dem Bahngelände gestanden hatten, waren nur noch Trümmer übrig geblieben. Dies alles geschah am späten Nachmittag.
Nach einiger Zeit setzte sich der Zug mit dem inzwischen gelöschten Waggon wieder in Bewegung. Als der Zug schließlich vor dem Bahnhof Eschwege-West anhielt, war es bereits dunkel. Fröhlich und seine Leute wurden zum Chausseehaus verwiesen, wo eine größere Anzahl Fallschirmjäger bereits Nachtquartier bezogen hatten, wurden aber von dort nach Germerode weiter geleitet, wo sie in einem Privatquartier übernachteten.
Am 2. Ostertag machten sie sich zu Fuß auf den Weg nach Jestädt. In der Nähe von Rodebach trafen sie auf zwei Landser, die ihnen sagten, dass die Amis in etwa einer Stunde vor Ort sein könnten. Über dem Meißner waren Motorengeräusche eines Luftkampfes zu hören und vom Meißner selbst waren bereits die Kettengeräusche fahrender Panzer zu vernehmen.
Den Rest der Odyssee von Fröhlich und seinen Leuten möchte ich hier nur stichpunktartig erzählen. Jestädt wurde schließlich erreicht, Sprenglöcher waren an der Werrabrücke bereits angebracht, worauf Fröhlich die Brücke laut Befehl um 10:05 Uhr sprengte. Dadurch ist an der gesamten östlichen Werraseite schlagartig der Strom ausgefallen, da die Versorgungsleitungen über die Brücke führten.
Fröhlich ist dann mit seinen Leuten noch bis in den Harz gezogen, wo sie dann gefangen genommen wurden.
Zurück zu dem Zug, mit dem Fröhlich und seine Leute von Hessisch-Lichtenau her gekommen sind.
Hierbei kann es sich nur um den als Lazarettzug im ersten Bericht bezeichneten Zug gehandelt haben, da der erste Räumzug aus Kassel am Vortag durch Waldkappel fuhr und der zweite noch vor Waldkappel vor dem Einfahrtssignal stand. Zwischen dem 1. Räumzug am Vortag und dem Zug, in dem Fröhlich saß, konnte auch kein weiterer Zug gefahren sein, da die Strecke immer noch durch die am Vortag von Tieffliegern zerschossenen Waggons blockiert war und diese erst durch den Zug aus Hessisch-Lichtenau nach Eschwege weggeräumt wurden, indem diese Waggons einfach vorne an den Zug gekuppelt worden waren.
Weiter zu Teil 62: Der Bahnhof Waldkappel nach der Katastrophe 1945
Autor: Hermann Josef Friske
Der Wiederaufbau des Bahnhofs Waldkappel ab 1945
Am 2. April 1945 nahmen amerikanische Truppen nach einem kurzen Scharmützel, bei dem viele Gebäude von Waldkappel in Trümmer fielen, etliche Häuser abbrannten und drei Personen starben (die Stadt wurde noch für einige Stunden verteidigt), die Stadt und den Bahnhof Waldkappel ein.
Am Sonntag, den 15. April 1945 fand in den unzerstörten Kirchen von Friemen und Rechtebach die Trauergottesdienste für die Opfer der Explosion statt. Am gleichen Nachmittag folgte um 15 Uhr auf dem Waldkappeler Friedhof die Gedächtnisrede, gehalten von Pfarrer Ferreau, für die still beigesetzten Opfer der Katastrophe statt.
Auf Initiative des Betriebsamtes Eschwege fanden bald nach Kriegsende unter der Leitung von Reichsbahn-Oberrat Widinger an einem Sonntag im Mai im Verlauf einer Zusammenkunft Überlegungen statt, um mit den Arbeiten zur Beseitigung der Kriegsschäden am Bahnhof Waldkappel zwecks Wiederaufbau der Eisenbahnstrecke von Eschwege über Waldkappel nach Kassel, beginnen zu können.
Der Wiederaufbau des Bahnhofs Waldkappel begann bereits wenige Tage nach dem Treffen. Sämtliche im Raum Eschwege verfügbaren Eisenbahner wurden, ausgerüstet mit Hacken und Schippen, von Eschwege aus mit einem Arbeiterzug nach Waldkappel gefahren, wo sie begannen, den über 400 Meter langen Sprenggraben zu verfüllen. Eine große Hilfe war dabei ein Elektrobagger, der von der Baufirma Bödicker aus Eschwege dafür bereitgestellt wurde, denn Treibstoff gab es keinen und elektrischer Strom stand zumindest stundenweise zur Verfügung, um die umfangreichen Erdarbeiten auf dem Bahnhofsgelände in Angriff zu nehmen. Die Arbeiten zur Verfüllung des Sprenggrabens nahmen mehr als einen Monat in Anspruch, da etwa 25.000 Kubikmeter Erde und Gestein für die Arbeiten erforderlich waren. Anschließend wurde von der neu gegründeten Firma Wieditz aus Oetmannshausen zunächst ein Umgehungsgleis verlegt, da das aufgefüllte Erdmaterial sich erst noch verdichten musste. Dieses Gleis scheint direkt unterhalb des heutigen Gossmannsringes in Richtung Holz-Otto gelegen zu haben, da dort noch heute ein 1,50 Meter höher als das übrige Gleisniveau liegendes Gleisbett zu erkennen ist, das in keinem Gleisplan zu finden ist. Nachdem nach einigen Wochen nochmals Erde nachgefüllt worden war, wurden auf der alten Trasse die endgültigen Gleise neu verlegt. Nachdem diese Arbeiten beendet waren, ging es darum, die Trümmer der zerstörten Gebäude im Bahnhofsbereich zu beseitigen und neue Bahnsteigkanten zu setzen. Einen Teil der Trümmer hat man aber nicht beseitigt, sondern in dem Viereck zwischen Auffahrt, Empfangsgebäude, Kanonenbahngleisen und Straße zu einem Haufen aufgetürmt und deponiert. Dort liegen die Trümmer auch heute noch. Außerdem musste noch das Stellwerk Waldkappel Ost (»Wo«) wieder hergerichtet werden.
Anfang Juni 1945 trafen die ersten Züge nach der Stunde Null von Kassel oder Eschwege kommend (durchgehende Züge waren anfangs noch nicht möglich) im Bahnhof Waldkappel ein. Für eine Fahrt aus einem anderen Ort in Deutschland, die normalerweise 7 Stunden gedauert hätte, wurden 63 Stunden gebraucht, um das Reiseziel Waldkappel zu erreichen. Viele Umleitungen, etliche Zwangsaufenthalte und mehrmaliges Umsteigen waren nötig und zeitraubend. Die Herkunft des Besuchers (der die lange Fahrt auf sich nahm) von Albert Schröter aus Waldkappel kennen wir leider nicht. Der Zug, mit dem er in Waldkappel ankam, erreichte die Stadt jedoch am 20. Juni 1945 gegen 19 Uhr. Albert Schröter schrieb Ereignisse aus der unmittelbaren Nachkriegszeit in seinen Tagebüchern auf, unter anderem auch die des ersten Zuges nach dem Krieg.
Mit dem 18. Juli 1945, dem Tag der Herausgabe des ersten Fahrplans für die Strecke von Eschwege über Waldkappel nach Kassel nach dem Krieg, fuhr der erste durchgehende Zug zwischen Kassel und Eschwege. So konnte das Eschweger Tageblatt am 20. Juli 1945 berichten, dass der Personenverkehr zwischen Eschwege, Waldkappel und Kassel wieder durchgehend stattfinden konnte.
Gleichzeitig begann laut Akte der Bundesbahndirektion Kassel der vorläufige Wiederaufbau des Bahnhofs Waldkappel. Dieser Wiederaufbau dauerte bis ins Jahr 1946. Die Bauarbeiten für das Verfüllen des Sprenggrabens und das Herbeischaffen der 25.000 Kubikmeter Gestein und Erde verschlang etwa 83.500 Reichsmark. Für die Baustellen-Einrichtung wurden am 3. August 1945 27.000 RM ausgewiesen, worin auch die Kosten zum Verlegen eines vorläufigen Umgehungs-Gleises, ausgeführt von der Firma Wieditz aus Oetmannshausen, sowie der Einbau von drei Weichen und die Kosten für die Beseitigung der Trümmermassen des ehemaligen Empfangsgebäudes enthalten waren. Laut Zusammenstellung vom 30. November 1945 wurden für die Instandsetzung des Stellwerks Waldkappel-Ost 1.800 RM und für die Neuerrichtung der Bahnsteigkanten 2.500 RM gezahlt. Als provisorisches Empfangsgebäude wurde auf dem inzwischen trümmerfreien Gelände eine Holzbaracke errichtet, die aus dem Barackenlager der Reichsbahndirektion im Kellaer Tal stammte. Hierfür wurden 6.500 RM benötigt und der Bau einer Wohnbaracke verschlang weitere 5.000 RM, alles zusammen kostete 15.800 RM. Nach der Berechnung vom 13. Februar 1946 wurden für Restarbeiten weitere 20.000 RM benötigt. Die Gesamtkosten für die vorläufige Wiederherstellung des Bahnhofs betrugen 146.300 RM.
Aus dieser Unterlage geht leider nicht hervor, ab wann die Züge in Richtung Spangenberg oder Fuldabrücke bei Malsfeld wieder fuhren.
Mitte November 1945 verließ der letzte Zug des Tages den Bahnhof Eschwege um 17.42 Uhr. Der Autor nimmt an, dass der Zug in Richtung Waldkappel fuhr, denn die Wiederaufbauarbeiten am Bahnhof waren bereits weitgehend abgeschlossen.
Ab 1. März 1946 wurde das Briefporto um 100 % erhöht und ab 1. April 1946 wurde der Fahrtarif im Personenverkehr der Reichsbahn ebenfalls um 100 % angehoben.
Belegt ist für den Verkehr auf der Kanonenbahn zwischen Waldkappel und der Malsfelder Brücke, dass zwischen dem 23. und 25. April 1947 Holz für die Bahnverladung am Bahnhof Burghofen angeliefert wurde.
Die Bahnhofsgaststätte Waldkappel hatte zu dieser Zeit ihr Domizil in einem alten Eisenbahnwaggon und wurde bis ins Jahr 1955 von Frau Ernestine Schöneberg aus der Stadt bewirtschaftet.
Im Juni 1947 kamen die Beerensammler mit der Bahn aus weitem Umkreis nach Waldkappel, sogar von Kassel um in den Wäldern bei Waldkappel nach Beeren zu suchen. Die Ausbeute war in jenem Jahr aber minimal.
Der alte Lokschuppen stand noch einige Jahre als Ruine rechts vom Ausfahrtssignal in Richtung Kassel und wurde wahrscheinlich in den 1960er Jahren abgerissen. In den Jahren 1994/95 erbaute man an gleicher Stelle ein Wohnhaus.
In Waldkappel war für viele Jahre noch eine Rotte zu Hause, die aber seit der Auflösung der Bahnmeisterei Waldkappel bis 1951 von der Bahnmeisterei Eschwege her betreut wurde. Der Großvater von Heinrich Vollmann aus Waldkappel, Herr Neugebauer, war im Jahre 1947 Rottenführer und war auf den Strecken rund um Waldkappel zu Hause.
Vom Bahnhof Waldkappel existiert ein Gleisplan, im dem der Zustand der Gleise im Jahre 1951 festgehalten wurde. Auf diesem sind sämtliche Gleise gestrichelt aufgeführt, die nach 1945 nicht wieder neu verlegt worden waren. So wurde unter Anderem auf das Aufstellgleis auf der Kasseler Seite und dem Zufahrtsgleis zum Lokschuppen total verzichtet. Man brauchte sie sowieso nicht mehr, da der Lokschuppen zerstört war und Lokomotiven nicht mehr gewartet wurden. Auf das Aufstellgleis konnte ebenfalls verzichtet werden, denn die Züge nach Kassel und der Kanonenbahn fuhren nun ab Eschwege. Auf der Kanonenbahnseite wurde auf ein Verbindungsgleis zwischen den beiden Zufahrtsgleisen zum Güterbahnhof verzichtet, das auch einen direkten Zugang zum Auszugsgleis besaß. In späteren Jahren sollte lediglich noch ein Abstellgleis, das zum Materiallager der Rotte im Bereich des Vorplatzes zur ehemaligen Drehscheibe führte, hinzukommen.
Die Behelfsbaracke stand auf dem Areal des zerstörten Empfangsgebäudes, rechts daneben das provisorische Befehlsstellwerk »Wp« (Personenbahnhof), das für den westlichen Bahnhofsbereich zuständig war, für den östlichen Teil war weiterhin das alte Stellwerk »Wo« zuständig. Außerdem sind sämtliche zerstörten Gebäude mit Ausnahme des Empfangsgebäudes, das ebenfalls nicht mehr existierte (schwarz dargestellt), auf dem Gleisplan schraffiert dargestellt. Das Ausziehgleis in Richtung Eschwege führte damals noch einige Meter über die Brücke hinaus und endete neben dem Streckengleis in Richtung Eschwege an einem Prellbock.
In den späten 1950er Jahren wurde das Eisenbahnviadukt über die Kasseler Landstraße dahingehend umgebaut, dass durch den westlichen Brückenbogen ein Fußgängerweg geschaffen wurde, da durch die ansteigende Motorisierung und der Engstelle an der Brücke der Durchgang für Fußgänger zu einer großen Gefahrenquelle geworden war. Außerdem war hinter der Brücke der neue Stadtteil »Bonifatiussiedlung« entstanden, so dass hier reger Fußgängerbetrieb herrschte. Die Bundesbahn musste das Bauvorhaben vorher lediglich genehmigen, die Kosten dafür wurden aber allein von der Stadt Waldkappel getragen, damit die Fußgänger künftig auf dem Weg zur Siedlung ihr Ziel gefahrlos erreichen konnten.
Die provisorische Empfangsbaracke am Bahnhof wurde im Winter mittels eines alten Kanonenofens beheizt, trotzdem zog es überall. Der Mäusefraß war in dem Gebäude ebenfalls ein Problem, da sich die lieben Tierchen häufig auch an der Uniform zu schaffen machten und sich manchmal eine Maus sogar am Mützenfutter gütlich tat.
In den ersten Nachkriegsjahren war der Bahnsteig montags schwarz vor Menschen, die mit dem Zug zur Arbeitsstätte gelangen wollten. Schwieriger war es, überhaupt eine Wochenkarte zu bekommen, denn diese gab es nur auf Antrag mit dem Nachweis der auswärtigen Arbeitsstelle. Damals wurde das Gehalt für die Bahnbediensteten in einer verplombten Ledertasche mit dem Zug aus Eschwege angeliefert, deren Erhalt am Bahnhof quittiert werden musste.
Der Bahnhofsvorsteher, sowie der Bürgermeister von Waldkappel hatten die Bundesbahn mehrmals um den endgültigen Ausbau des Bahnhofs Waldkappel gebeten, aber erst am 19. Dezember 1956 lag der Kostenvoranschlag für den Neubau des Empfangsgebäudes in Höhe von 120.000 DM, für den oberbautechnischen Teil in Höhe von 44.000 DM und für die Signaltechnik von 146.000 DM, vor. Die Fernmeldetechnik sollte 7.000 DM und die Starkstromtechnik 10.000 DM kosten. Dazu kam noch ein Betrag in Höhe von 60.000 DM für das Dienstwohngebäude, also alles zusammen für 387.000 DM.
Nach 13-jähriger Abstinenz durch ein Provisorium in einer Baracke sollte dieser Zustand nun seinem Ende entgegen sehen. Mit dem Neubau wurde schließlich im Laufe des Jahres 1957 begonnen und das neue Empfangsgebäude konnte endlich auf den Tag genau am 1. April 1958 feierlich eingeweiht werden.
Der eingeschossige Neubau enthielt außer den erforderlichen Dienst- Betriebs- und Lagerräumen auch wieder eine Bahnhofsgaststätte. Diese wurde von Frau Herold, einer Schwester vom Gastwirt Simon Mengel aus Eltmannshausen, während der ganzen Jahre ihres Bestehens geführt.
Die Baracke, die ab Juni 1945 als Empfangsgebäude fungierte, wurde während der Bauarbeiten zuerst versetzt, nach der Einweihung des Neubaus aber abgerissen. Es wäre möglich, dass sich ein kleiner Teil der Baracke bis in die heutige Zeit hinüber gerettet hat. Auf dem Bahngelände steht nämlich bis heute eine Baracke, die in Teilen ähnlichkeiten mit der damaligen aufweist.
Das neue Empfangsgebäude entstand nicht exakt auf den Grundmauern des alten Gebäudes bei km 62,26, sondern ein paar Meter weiter nach Westen bei km 62,3.
Die Einweihung des neuen Waldkappeler Bahnhofsgebäudes erfolgte unter Beisein sämtlicher am Bau beteiligten Firmen, des gesamten Bahnhofspersonals und Vertretern der Deutschen Bundesbahn, vieler geladener Ehrengäste und unter reger Beteiligung der örtlichen Bevölkerung. Während der Feier kam auch die Erinnerung an das Inferno vom März 1945 wieder hoch.
Ein Original war der Bahnspediteur und Gastwirt Willi Röß aus Waldkappel. Er betrieb seine bahnamtliche Spedition über die ganzen Jahre hinweg, in denen sein Fuhrunternehmen bestand, nur per Pferdefuhrwerk. Jeden Morgen gegen 9 Uhr hat der Bahnhofsarbeiter Dietrich auf Willi Röß gewartet. Als dieser aber nicht erschien, öffnete er um Punkt 9 Uhr seine Frühstücksdose, denn auch bei der Bahn war pünktlich Frühstückspause. Man konnte die Uhr danach stellen, Willi Röß erschien jeden Tag erst kurz nach 9 Uhr auf dem Bahnhof. Dietrich brüllte ihn regelmäßig wegen des unterbrochenen Frühstücks an, schmiss alles, was gerade greifbar war, in eine Ecke oder schleuderte es Willi Röß entgegen. Diese Zeremonie wurde fast täglich wiederholt. Dass es hierbei keine Verletzten gab, grenzt bis heute an ein Wunder. Das Frachtaufkommen bei der bahnamtlichen Spedition in Waldkappel war nach Aussage von Willi Röß mehr als dürftig. Nach eigener Aussage verdiente er mit seinem Fuhrgeschäft nicht den Hafer für seine Pferde. Da er es mit dem Finanziellen nicht so hatte, ging seine Frau Fine stets zu Fuß hinter seiner täglichen Tour her und kassierte den Fuhrlohn. Die zu dieser Zeit wohl einzige Bahnspedition per Pferdefuhrwerk im weiten Umkreis, wenn nicht sogar von ganz Deutschland, betrieb Willi Röß bis ins Jahr 1984 oder 1985.
Nach dieser Zeit übernahm ein anderer Spediteur per LKW den Abtransport des anfallenden Frachtaufkommens, das aber auch nur noch ein paar Jahre dauerte, bis es am Waldkappeler Bahnhof auch kein Frachtgut mehr gab und die Strecke nach dort endgültig dicht gemacht wurde.
Weiter zu Teil 64: Der Bahnhof Waldkappel bis 1974
Autor: Hermann Josef Friske
Waldkappels Abschied von der Kanonenbahn
Im Mai 1974 erging der Aufruf an die Stammtischbrüder des Stammtisches »Rotes Horn« in Waldkappel, dass am Sonntag, den 19. Mai 1974 anlässlich der bevorstehenden Schließung des Kanonenbahnabschnittes von Waldkappel nach Spangenberg, der traditionelle Frühjahrsausflug des Stammtisches dazu verwendet werden sollte, noch einmal die Strecke bis nach Homberg bzw. Remsfeld zu befahren. Ein genaues Programm solle noch folgen. Was sich die Organisatoren des Stammtisches da ausgedacht hatten, sprengte jegliche Vorstellungskraft. Dieser Tag sollte für die gesamte Waldkappeler Bevölkerung unvergesslich bleiben und zu einer Demonstration für »ihre« geliebte Kanonenbahn werden.
So traf sich der Stammtisch am Sonntag, den 19. Mai 1974 um 8:30 Uhr an der Waldkappeler Kirche, um von dort aus mit einem gemeinsamen Trauerzug, an dem auch noch etliche Waldkappeler Bürger teilnahmen, bekleidet teilweise mit schwarzem Anzug, Trauerflor und Zylinder, den Weg zum Bahnhof antraten. Sie marschierten die Leipziger Straße entlang, zogen anschließend noch einmal durch die alte Bahnhofstraße, während die neue schon im Bau war, und bogen zum Schluss in die herrliche Allee ein, die auf direktem Weg zum Bahnhof führt.
Am Bahnhof angekommen, wurde als sichtbares Zeichen für den endgültigen Abschied von der Kanonenbahn gegenüber dem Empfangsgebäude der mitgebrachte selbst gebaute Sarg platziert, in den das Modell einer Lokomotive hineingelegt wurde. An einen Grabstein wurde dabei ebenfalls gedacht, ebenso an einen Nachruf.
Während der kurzen Trauerfeier wurde nochmals der Kanonenbahn gedacht, wobei es einige Grabreden gab, die sich Stammtischbrüder des Stammtisches »Rotes Horn« ausgedacht hatten. Nach den Grabreden war die Kranzniederlegung an der Reihe, gefolgt von der Beisetzung des Sarges. Die nachfolgende Predigt wurde von Stammtischbruder Horst gehalten:
»Kanonenbahn! Wir sind gekommen, um Abschied von Dir zu nehmen. Fast ein Jahrhundert hast Du im Dienste der Menschheit gestanden. Dein Weg führte von hier in mühsamer Strecke, von der Landschaft geprägt, bergan gen Westen.
Bestückt mit stählernen Schienen hast Du den pulsierenden Strom des regen Verkehrs verspürt. Unendlich viele Mal, an Stationen vorbei, hast Du Menschen auf rollenden Rädern sicher ans Ziel geleitet. Selbst einen Tunnel nennst Du Dein eigen. Schlechte und gute Zeiten sind ins Land gegangen. Krieg und Frieden. Du bist heil geblieben und hast geduldig den Verkehr über Dich ergehen lassen. Doch seit langem ist es still um Dich geworden. Von Menschenhand bist Du einst erbauet.
Jedoch hat man Dich nun verlassen und geopfert. Es ist schmerzlich, Dich liegen zu sehen, so stille. Es war nicht unser Wille. Aber sie werden kommen und werden herausreißen das eherne Band der Gleise aus Deiner getreuen Erde. Sie werden Deinen Damm durchstoßen und Raum schaffen für andere Wege. Neue Wege kommen und alte werden gehen.
Doch lass fahren dahin. Sie haben keinen Gewinn. »Ein neues Verkehrsnetz will ich Euch geben!«, spricht die Regierung
und deren Wille geht oft andere Wege. Lasst uns nicht klagen. Die Zukunft gehört dem Fortschritt. So lasst uns hingehen und die letzte Reise auf der Kanonenbahn antreten.«
Nach der Trauerfeier, an der auch die Waldkappeler Bevölkerung regen Anteil genommen hatte, stellten sich auch die Mitglieder des Stammtisches »Rotes Horn« dem Fotografen, nachdem am Grab auch noch ein verkürzter Nachruf angebracht worden war, der in ausführlicher Form später noch während der nachfolgenden Fahrt mit der Kanonenbahn zum Einsatz kommen sollte.
Nachdem die Fotografen, unter denen sich auch Vertreter der lokalen Presse befanden, ihre Fotos geschossen hatten, begab sich der Stammtisch zum Bahnsteig, an dem der Triebwagen nach Treysa schon bereit stand. Es war ein Schienenbus der Baureihe VT 95 mit der Betriebsnummer 795 488-6 und einem Beiwagen.
Schnell wurde zunächst der reichlich vorhandene Reiseproviant verladen, der auf einer Schubkarre bereit stand. Drei Kisten Einwegbier, ein Eimer Gurken, etliche Rote Würste (Ahle Worscht), sowie weitere Verpflegung musste verstaut werden. Hinzu kam noch das von jedem Einzelnen mitgeführte Handgepäck, in dem sich sicherlich auch noch die eine oder andere flüssige »Überraschung« befand.
Sogar die Schubkarre wurde mitgenommen, denn diese sollte später in Remsfeld noch zum Einsatz kommen. Dann hieß es auch für die Stammtischbrüder: Die Fahrt geht los!
Diese hatten für die Fahrt schon eine weitere Protestaktion vorbereitet. Sie hatten Flugblätter gedruckt, die sie an sämtlichen Haltestellen unterwegs anbrachten, an denen der Zug hielt. Außerdem wurden diese auch an die anwesenden Passanten verteilt. Das Flugblatt hatte folgenden Wortlaut:
Nachruf!!
Unsere liebe Kanonenbahn, Schwester des Botenlieschens, geschaffen mit dem Schweiß unserer Urgroßväter, starb im 98. Lebensjahr an einer heimtückischen Krankheit. Wir sind tief erschüttert und können es nicht verschmerzen, dass eine Heilung der Krankheit, die man auch wirtschaftliche Schwindsucht nennt, ausblieb. Durch Einwirkung verschiedener, widriger Umstände wurde die Krankheit höchstwahrscheinlich gefördert. All denjenigen, die auf den Tod hingearbeitet haben, sowie den Vollstreckern, die nach neuesten Berichten auch die Verbindung von Waldkappel nach Eschwege erdrosseln wollen, möchten wir unser Bedauern aussprechen, in dem wir ihnen für ihre grausige Tat politisches Fehlverhalten bescheinigen.
Für die Bemühungen und Anstrengungen, die verantwortungsbewusste Mitmenschen für das Zonenrandgebiet vergeblich geleistet haben, danken wir herzlich. Diesen umsichtigen, und keinesfalls mit dem Bazillus »Guillaumes« befallenen Menschen, zollen wir Anerkennung und Dank.
Stammtisch R o t e s H o r n*
*Freie Bürger der Stadt Waldkappel in zwangloser Vereinigung
Unter die Stammtischbrüder hatte sich auch ein Künstler gemischt, der in der Chronik der Vereinigung, die übrigens nur aus Feuerwehrleuten und einem Eisenbahner bis in die heutige Zeit besteht, zwei lustige Skizzen im Zusammenhang mit der Fahrt gezeichnet und mit einem dazu passenden Gedicht versehen.
Dort stand zu lesen:
»In Remsfeld ist dann Endstation,
die Schnitzelranch, die wartet schon,
Zu Fuß geht’s weiter auf Schellbach zu.
Die Sonne brennt heiß, es drückt der Schuh.
Wir treffen noch den (Anton) Henner Schmidt.
Der geht das Stückchen mit.
Einige Herrn, die wollten nicht laufen.
Sie mussten sich ein Billett für die Taxe kaufen.
Doch sind wir glücklich angekommen,
wird ein Bier zur Brust genommen.«
Die Anteilnahme der Waldkappeler Bürger an der gesamten Protestaktion war grandios. So hatte die Waldkappeler Bevölkerung nur wenige Tage, bevor am 25. Mai 1974 der allerletzte Zug den Bahnhof in Richtung Malsfeld verlassen hatte, die Bevölkerung der Stadt Abschied von »ihrer« Kanonenbahn genommen, aber nicht nur die Waldkappeler Bevölkerung, sondern auch die Eisenbahner vom "fahrenden Personal" begaben sich hinterher zum Grab und nahmen Abschied von "ihrer" Kanonenbahn.
Die Streckenstilllegung war notwendig geworden, weil für die Umgehung Waldkappels eine Neutrassierung der B7 erforderlich wurde, und da war die dazu erforderliche Errichtung einer Brücke für die ohnehin marode Bahnstrecke nach Malsfeld durch die zu erwartenden weiter schwindenden Fahrgastzahlen nicht mehr gerechtfertigt.
Schade drum!
Weiter zu Teil 66: Der Bahnhof Waldkappel bis zur heutigen Zeit
Autor: Hermann Josef Friske
Zwischen Waldkappel und Burghofen
Von den beiden Ausfahrten in Richtung Kassel und Malsfeld ist heute nichts mehr zu sehen.
Bestand die Ausfahrt ursprünglich aus einer Unterführung in Richtung Kassel und einer Brücke mit stählernem Überbau in Richtung Malsfeld, so wurde dieses Ensemble am Ende des 2. Weltkriegs durch die Explosion des Munitionszuges auf dem Gelände des Bahnhofes ebenfalls zerstört und nach dem Krieg an beiden Ausfahrten mit einem stählernen Überbau versehen. Leider scheint es keinerlei Bildmaterial von den Ausfahrten von der Erbauung bis zum Abriss zu geben. Aus einem Videofilm konnte jedoch eine Aufnahme mit dem Zustand des östlichen Widerlagers von der Kanonenbahnausfahrt aus dem Waldkappeler Bahnhof um 1995 herausgefiltert werden. Leider wurde diese Mauer noch vor dem Jahre 2000 entfernt. Vom westlichen Widerlager ist heute nur noch ein Rest vom Sockel erhalten. Hinter der Ausfahrt wurde der Bahndamm bis zum Durchstich beim Bau der neuen B 7 weitgehend abgetragen. Bis dahin waren an der Bahnstrecke um Waldkappel herum noch 3 Brücken zu erkennen.
Heute erhebt sich der erhaltene Bahndamm hinter der Bundesstraße wuchtig aus dem Talkessel heraus, gefolgt von zwei Viadukten, von denen der größere die Wehre überspannt und der kleinere und niedrigere die alte Landstraße nach Harmuthsachsen. Hier umfuhr die Kanonenbahn, ähnlich wie in Dingelstädt, die Stadt Waldkappel in einem großen Halbkreis, um sie im Westen der Stadt am kleinen Viadukt nochmals zu berühren. Diese beiden Viadukte gehören wohl zu den bedeutendsten Bauwerken entlang des Kanonenbahnabschnitts zwischen Leinefelde und Treysa und verdienen es, dass wir uns ausführlicher mit ihnen befassen.
Erbaut in den Jahren 1875 bis 1876, kündet heute noch der Schlussstein am kleinen Viadukt davon.
Beim Bau des großen Viadukts wurde ein italienischer Gastarbeiter getötet, der am großen Flusspfeiler in die Tiefe gestürzt und nahe der seitlichen Stützmauer aufgekommen ist. Ein Kreuz in der Stützmauer der Brücke kennzeichnet noch heute die Stelle, an der dieses geschah.
In der Mitte des großen Viadukts kann man noch heute die Strecken-Kilometer-Angabe erkennen. Das Bauwerk steht auf km 62,7 und befindet sich also nur 500 Meter hinter dem Bahnhof Waldkappel.
Die große Wehrebrücke besteht aus 4 Bögen, deren Öffnungen jeweils eine Spannweite von 10,00 Metern besitzen, ist 19,80 Meter hoch, 52,00 Meter lang und wurde komplett in Sandstein ausgeführt. Der Inhalt der Ansichtsflächen beträgt 669 m², die Kosten per m² der Ansichtsflächen betrugen 166 Mark, der laufende Meter der Ansichtsflächen kostete 2.131,60 Mark und der Kubikmeter Mauerwerk kostete 27,42 Mark.
Die Gesamtkosten für das Bauwerk schlugen mit 111.084 Mark zu Buche.
Der Bedeutung des Bauwerkes entsprechend wurden die vier Schlusssteine, die die beiden hohen Bögen krönen, mit bildlichen Darstellungen versehen. An der Ostseite zeigt der Stein über dem Flussbogen zwei sich umrundende Schlangen, während auf dem Stein über dem Wegbogen hingegen ein stilisierter Löwe ziert, der allerdings in seiner Ausführung recht stümperhaft in den Stein gehauen wurde. Die zwei mittleren Schlusssteine der großen Torbögen auf der Westseite sind ebenfalls behauen, die Steine sind aber inzwischen sehr stark verwittert, dass die bildlichen Darstellungen hier nur noch sehr schwer zu erkennen sind. So zeigt hier der Stein über dem Wegbogen ein großes Löwengesicht, während der Stein über der Wehre einen grimmig dreinschauendes Wolfsgesicht zeigt, das über einen unter ihm liegenden Fischkopf wacht oder ähnliche Darstellung. Die zwei Schlusssteine der jeweils äußeren Brückenbögen enthalten an beiden Seiten keinerlei Verzierungen.
Im oberen Brückenbereich finden wir, wie an vielen ähnlichen Brücken, oberhalb der Pfeiler die inzwischen zugemauerten Löcher, über die das Oberflächenwasser abfließen sollte.
Rechts und links von der Brücke befinden sich entlang der beiden knapp 20 Meter hohen abgeschrägten Dämme wuchtige, etwa 2,50 Meter hohe Stützmauern, die diese fast halbkreisförmig umgeben, die aber zu den seitlichen Enden hin an Höhe verlieren. Am hohen Pfeiler, der sich zwischen Fluss und Weg befindet, sind Markierungen vom der Hochwasser führenden Wehre aus den Jahren 1909 und 1979 eingemeißelt, die zeigen, wie sinnvoll es war, so hohe Stützmauern gegen das Flusshochwasser zu errichten.
Weil exakte Daten für den kleinen Viadukt fehlen oder nicht mehr zu erhalten sind, muss sich der Autor auf eine Schätzung beschränken. Mit dem kleinen Viadukt, bei km 62,898 gelegen, wurde die alte Kasseler Landstraße überquert. Die Brücke besitzt 3 Bögen, hat eine Höhe von etwa 8,50 Meter und eine Länge von cirka 31 Metern.
Zwischen den beiden Brücken liegen 160 Meter Damm, der sich zur kleinen Brücke hin verjüngt, da das Gelände dort bereits wieder ansteigt. Den kunstvoll behauenen Schlussstein des mittleren Bogens, durch den die Landstraße nach Harmuthsachsen geführt wird, ziert auf beiden Seiten die Inschrift »Anno 1876«. Weitere Verzierungen enthält die Brücke nicht.
Der Kilometerstein km 62,9 befindet sich unmittelbar rechts hinter dem kleinen Viadukt in Richtung Treysa. Leider ist auf dem Stein nichts mehr zu erkennen, da sich die Farbe im Laufe der Jahre durch Witterungseinflüsse abgewaschen hat.
Beim Vorrücken der Amerikaner gegen Ende des 2. Weltkriegs sollte der kleine Viadukt, die Brücke über die Hindenburgstraße, gesprengt werden. So rückten am Ostersonntag, den 1. April 1945 am frühen Vormittag ein Trupp Pioniere an, der die Sprengung vorbereiten sollte. Dabei wurden auf der Brücke zwei schwere Sprengbomben angebracht, weil die Stadt gegen die Übermacht der Amerikaner verteidigt werden sollte. Der couragierte Waldkappler Bürger Wilhelm Brill hatte die Anbringung der Bomben beobachtet, wobei er die Unsinnigkeit des Vorhabens erkannte und anschließend hinter dem Rücken der Wachen die Zünder (vermutlich eher die Zündschnüre) entfernte, wodurch die Bomben auf normalem Wege kein Unheil mehr anrichten konnten. Diese wurden später durch die Amerikaner beseitigt und vernichtet. Durch diese mutige Tat blieb die Brücke der Nachwelt erhalten.
Die Stadt Waldkappel sollte nach dem Errichten von Panzersperren am Bürgermeisteramt, am Röthsweg, in der Braugasse und am Harmuthsächser Tor von einem kläglichen Haufen Deutscher Soldaten verteidigt werden, die völlig unzureichend ausgerüstet waren und zur gleichen Zeit wie die Sprengpioniere in der Stadt ankamen. Nachdem der Trupp von nur 30 Mann in den letzten Häusern der Friemener Straße die Nacht verbracht hatte, erwarteten die Soldaten den übermächtigen Feind. Starke Panzerverbände erreichten die Stadt am Ostermontag, den 2. April 1945 gegen 10:30 Uhr, worauf es zu einem kurzen Scharmützel mit den Deutschen Verteidigern gekommen ist, wobei diese lediglich mit leichten Infanteriewaffen auf die Amerikaner geschossen hatten. Nachdem die Amerikaner weitere Häuser im Westteil der Stadt in Brand geschossen und das Feuer auf die Verteidiger eröffnet hatten, flohen diese bald darauf der Schemmer abwärts folgend, in den nahen Wald. Dabei musste der junge Panzergrenadier Erhard Heckel, der Mitte März gerade 18 Jahre alt geworden war, noch kurz vor dem Einrücken der Amerikaner sein junges Leben lassen. Er wurde neben anderen Toten, die in den letzten Kriegstagen fürs Vaterland noch umkamen, auf dem Waldkappeler Friedhof begraben. Darunter befanden sich auch die Toten von der Explosionskatastrophe auf dem Bahnhof. Die amerikanischen Truppen zogen noch am Nachmittag des 2. April 1945, nachdem Waldkappel nach versprengten Soldaten durchkämmt worden war und der Tross sich geteilt hatte, weiter in Richtung Harmuthsachsen und Bischhausen.
Wenn wir der Trasse in Richtung Burghofen weiter folgen, so stoßen wir etwa bei km 63,3 an der Auffahrt, die von der ersten Unterführung her in Richtung kleinem Viadukt zur Trasse hin führt, zwei aufeinander folgende Fragmente von Wasserdurchlässen. Interessant ist, dass an dem besser erhaltenen Sammelbecken Schmalspurschienen als Geländer verwendet wurden, die wahrscheinlich noch aus der Zeit des Streckenbaus stammen. Diese Schienen besitzen ein sehr kleines Profil und entstammen sicher von einer 600 mm Lorenbahn, die wahrscheinlich als Bauzüge verwendet wurden.
Nur wenige Meter hinter dem Ortsausgang von Waldkappel in Richtung Friemen biegen wir nach rechts ab, um bei km 63,4 vor der ersten von drei Unterführungen zu stehen, die die Strecke bis zum Haltepunkt Friemen-Mäckelsdorf unterqueren. Diese Unterführung befindet sich in einem sehr guten baulichen Zustand, vielleicht wurde sie vor Jahren bereits renoviert. Die erste Unterführung ist ungewöhnlich breit geraten und das Südportal auch ungewöhnlich hoch, aber da zum Nordportal hin eine Steigung vorliegt, ist dieses entsprechend niedriger. Am Nordportal befindet sich im oberen Bereich eine Verzierung, die zwei längliche Steine über dem Schlussstein des Gewölbes einnimmt und zwei stilisierte Fische darstellt. Auf den beiden Steinen links vom Schlussstein sind eine 1 und eine 8 eingemeißelt, während die beiden Steine rechts davon je eine 7 zeigen, also die Jahreszahl 1877, das Baujahr der Unterführung darstellen.
Da genau über dem Schlussstein Grünzeug wuchert, ist es nicht auszuschließen, dass sich auch darauf eine bildliche Darstellung verbirgt.
Man merkt, dass das Gelände hier bereits schwieriger wird, denn die Kanonenbahn gewinnt jetzt bis zum Eisbergtunnel, der auch Bischofferöder Tunnel genannt wird, rasch an Höhe und führt oberhalb des Tales an einem Höhenzug entlang. Die Unterführungen befinden sich am Sockel von Geländeeinschnitten, die bis zur Bahnhöhe etwa 8 bis 10 Meter Deckschicht aufweisen und alle beiden eine Länge von ungefähr 50 Meter und mehr aufweisen. Die zwei Unterführungen gleichen sich insoweit, dass sie außer einem Feldweg auch noch einen recht starken Wasserlauf durch die Tunnelröhre führen. Die Unterführungen selbst weisen ebenfalls ein starkes Gefälle auf.
Inzwischen wird bei km 64,7 die zweite Unterführung erreicht. Von der Talseite her gesehen fließt ein Bachlauf auf der rechten Seite der Unterführung sich der im Tal entlang schlängelnden Schemmer entgegen. Während die Front der Südseite keinerlei Verzierungen aufzuweisen hat, befindet sich am oberen Rand des Schlusssteins am Gewölbebogen der Nordseite die nur recht schwach ausgeprägte Jahreszahl 1878 und darunter einen stilisierten Vogel. Warum an diesem Bauwerk als Jahreszahl 1878 angebracht wurde, während an den anderen Bauwerken in der Umgebung 1877 als Baujahr angegeben wird, lässt sich nur vermuten. Denkbar wäre es, dass sich die Fertigstellung des Bauwerks wegen der enormen Länge verzögert hat.
Nur wenige Meter weiter bei km 64,98 treffen wir einen ebenerdigen Bahnübergang an, bei dem ein ehemals befestigter Feldweg von der Friemener Straße in rechtem Winkel geradeaus in die Höhe zum Übergang führt. Dieser muss einstmals mit Schranken versehen gewesen sein, denn hier befand sich noch bis im Sommer 2006 die Ruine eines Streckenpostens. Diese muss im Zeitraum zwischen August 2006 und Anfang Februar 2007 einfach mit einer Raupe umgeschoben und mit Erde überdeckt worden sein, denn die Spuren waren am 18. Februar 2007 noch recht frisch.
Die dritte Unterführung oberhalb der Straßenabzweigung nach Rechtebach erreichen wir schließlich bei km 65,25. Bei dieser Unterführung befindet sich die Jahreszahl 1877 auf dem Schlussstein an der Talseite, also an der Südseite.
Die Strecke zieht sich nun in luftiger Höhe oberhalb vom Schemmergrund entlang bis zum Haltepunkt Friemen-Mäckelsdorf bei km 65,982. Nur wenige Meter davor befand sich am Ende eines Hohlweges, der von Friemen herauf in die Felder führte, noch eine Brücke, die eine ähnliche Bauart wie die beiden Brücken vor Waldkappel aufwies, über die die Bauern die Bahn überquerten, um zu ihren Feldern zu gelangen. Diese wurde nach dem Rückbau des Streckenabschnitts Waldkappel-Spangenberg wegen Baufälligkeit ebenfalls entfernt und stattdessen ein Damm über die Trasse hinweg geschoben.
Der Haltepunkt selbst war einer der Ersten von denen, die nach der Stationierung der Schienenbusse der Baureihe VT 95 in Eschwege entlang der Kursbuchstrecke 198 P von Eschwege nach Treysa eröffnet worden waren, allerdings zunächst ab dem Beginn des Sommerfahrplanes 1954 am 23. Mai 1954 zunächst nur als Bedarfshaltestelle. Da es in 1954 auch noch lokbespannte Züge gegeben hatte, hielten hier nur die Schienenbusse, da der lediglich 60 Meter lange Bahnsteig für andere Züge zu kurz war.
Der Aufgang zum Haltepunkt ist heute noch zu begehen, das Wartehaus hingegen, das direkt rechts vom Zufahrtsweg stand, an das sich auch der Bahnsteig anschloss, wurde beim Rückbau der Gleise nach der Stilllegung der Strecke abgerissen. Die Grundmauern vom Wartehäuschen sind heute noch zu erkennen, ebenso die Überreste des Kilometersteins km 66,0.
Der heutige Ortsvorsteher von Friemen, Harald Wetzel, kann sich auch noch an ein Erlebnis erinnern, das er mit der Bahn hatte, als er noch ein Kind war:
Es war im Winter um das Jahr 1970 herum, als er mit seinem Vater nach Göttingen zum Arzt musste und es war morgens gegen 6 Uhr noch dunkel, als die beiden am Haltepunkt Friemen auf den Schienenbus gewartet hatten. Als dieser schließlich den Haltepunkt erreicht hatte, fuhr der Triebwagen durch, weil der Triebwagenführer die Wartenden in der Dunkelheit nicht gesehen hatte, da der Haltepunkt keine Beleuchtung besaß. Daraufhin steckte der Vater ein paar Streichhölzer an, um sich bemerkbar zu machen. Das gelang, der Triebwagenfahrer sah das Licht im Rückspiegel und hielt daraufhin den Schienenbus auf freier Strecke an, um die beiden Fahrgäste aufzunehmen. Der Junge musste ins Fahrzeug hinein gehoben werden, da er mit dem Kopf gerade mal bis an die unterste Stufe des Einstiegs gereicht hatte. Die beiden erreichten schließlich nach einer Fahrt über Waldkappel und Eschwege-West nach dem dortigen Umsteigen wohlbehalten ihr Ziel in Göttingen.
Bei km 66,2 unterquert die Landstraße nach Hetzerode die Bahntrasse. Das Gewölbe ist so hoch, dass hier auch hohe LKW darunter hindurch fahren können, ohne anzuecken. Der Damm selbst ist hier so hoch, dass über der Unterführung noch gut 6 Meter Erdmaterial nötig waren, um den oberen Trassenrand zu erreichen. Daher mussten die Seiten der Unterführung mit trutzigen Stützmauern versehen werden. Auf der Friemener Seite der Unterführung sind die Steine über dem Schlussstein behauen und man kann wie auch an anderen Unterführungen stilisierte Fischleiber erkennen.
Am Ende des Dammes, durch den die Landstraße nach Hetzerode geführt wird, befand sich bei km 66,4, noch in der Friemener Flur gelegen, ein Bahnübergang, dem auch noch ein Schrankenposten angegliedert war. Das Gebäude des Postens war noch bis etwa Mitte der 1940er Jahre vorhanden, weil sich ältere Leute aus Burghofen noch daran erinnern können, obwohl die Schranken vermutlich schon nach 1920 abgebaut worden waren. Vom Bahnübergang und Posten ist heute nichts mehr übrig geblieben, nur ein Feldweg überquert an dieser Stelle noch die Trasse, an dem sich einst der Bahnübergang befunden hatte.
Hinter dem Bahnübergang wechselt die Trasse von einem Damm in einen Einschnitt über, ein Zeichen dafür, dass das Gelände beginnt, schwieriger zu werden. Hinter dem ehemaligen Posten befindet sich nach nur 200 weiteren Metern, ungefähr bei km 66,6 und etwa in der Mitte zwischen dem Haltepunkt Friemen und dem Bahnhof Burghofen gelegen, noch eine Brücke ähnlich der aus Niederhone, die noch heute den landwirtschaftlichen Verkehr über die Bahntrasse führt und wohl in der Zeit um 1878 errichtet worden ist, da an dieser Brücke Jugendstilelemente vorhanden sind.
Auf einer Karte von Waldkappel 1 : 25.000 aus dem Jahre 1907, die 1909 herausgegeben wurde, war diese bereits eingezeichnet. Die Brückengeländer wurden kunstvoll gearbeitet, wobei die Verzierungen an den Enden spiralförmig auslaufen. Diese Brücke überquert einen etwa 600 Meter langen und bis zu 15 Meter tiefen Einschnitt etwa 130 Meter hinter dessen Anfang.
Nach dem Ende des Einschnitts geht die Trasse sofort in einen Hochdamm über, wobei die Trasse in luftiger Höhe einen Talkessel überquert.
Am Fuße des Dammes finden wir etwa bei km 67,2 eine weitere Unterführung, die eine Besonderheit aufzuweisen hat, denn die Tunnelröhre besitzt eine Höhe von mehr als 6 Metern. Auch hier finden wir den bereits obligatorischen Bachlauf vor, wie bei fast allen Unterführungen wird er links von der Talseite her gesehen durch die Röhre geführt, allerdings handelt es sich dabei eher um eine schmale Regenrinne. An der Talseite wird der Schlussstein von einem Adler oder etwas ähnlichem verziert, an der Bergseite ist zaghaft am Stein über dem Schlussstein noch die Jahreszahl 1878 zu erkennen. Diese Unterführung befindet sich nur wenige Meter oberhalb der Straße noch vor dem Ortseingang von Burghofen, wenn man von Friemen her kommt.
Die Trasse führt hinter der Unterführung weiterhin über einen Damm, der nach weiteren knapp 200 Metern von der letzten Unterführung vor dem Bahnhof Burghofen bei etwa km 67,43 unterbrochen wird, die den Damm bereits in der Ortslage von Burghofen unterquert und ausnahmsweise keinen Bachlauf besitzt, obwohl vorgesehen. Dafür verläuft der Weg aber extrem steil aus dem Dorf heraus durch die Unterführung. Sonderbarerweise enthält dieses Bauwerk keinerlei Zierrat oder Jahreszahl.
Ein paar Meter vor der Unterführung biegt noch ein Weg nach links in Richtung Grillhütte ab, die direkt mitten auf der Kanonenbahntrasse bei km 67,85 errichtet wurde. Die Trasse führt bereits seit der letzten Unterführung auf einem Damm über die Höhe, der in der vegetationslosen Phase noch recht gut über einen Trampelpfad zu begehen ist.
Fast sämtliche Kilometersteine sind an diesem Streckenabschnitt noch erhalten, wenn auch die Kilometerangaben darauf fast völlig fehlen.
Ab etwa km 67,5 führt die Trasse bis kurz vor der Grillhütte im Wald durch einen Einschnitt, dem an der Grillhütte dann der Bahnübergang folgt. Dort befand sich bis in die 1920er Jahre ein Schrankenposten, der im Jahre 1907 schon auf der Karte verzeichnet war.
Hinter dem Bahnübergang wechselt die Bahn jedoch ihre Richtung von Südwest nach Nordwesten zum Bahnhof Burghofen hin und die Trasse verliert sich zunächst auf einer Viehweide, auf der kein Kilometerstein mehr anzutreffen ist, um danach erneut im Wald zu verschwinden. Da das dortige Gelände großflächig mit Weidezäunen umgeben wurde, ist dort keine nähere Untersuchung der Trasse möglich. Von einer höheren Position aus lässt sich nur noch feststellen, dass ein Teil der dortigen Trasse neu aufgeforstet wurde.
Nach etwa 650 Metern erreicht die Trasse schließlich bei km 68,5 den Bahnhof Burghofen.
Weiter zu Teil 68: Der Bahnhof Burghofen bis 1945
Autor: Hermann Josef Friske
Der Bahnhof Burghofen nach 1945
Nach dem 2. Weltkrieg bestand eine der ersten größeren Fuhren, die den Bahnhof Burghofen verließen, aus einer großen Ladung Holz, die angeblich als Reparationsleistungen nach Russland abtransportiert wurde.
Im April 1947 wurden schließlich aus dem Staatsforst bei Hetzerode große Mengen Brennholz per LKW zum Bahnhof Burghofen gebracht und dort verladen.
Zunächst wurde das 2. Gleis, das sich zu Luftschutzzwecken im Bischofferöder Tunnel befunden hatte, wieder abgebaut und dafür noch einmal die Strecke in einen guten Zustand versetzt.
Bei sinkendem Verkehrsaufkommen nach 1945, das durch die Grenzziehung zwischen der Russischen und der Amerikanischen Zone wenige Meter hinter der Friedabrücke verursacht worden war, wurden am Bahnhof Burghofen bereits in den ersten Jahren nach 1945 mit dem Rückbau etlicher Gleise und mehrerer Weichen begonnen.
Das Postwesen bestand in Schemmern bis 1945 aus einer Agentur, an der bis zur Auflösung des Zustellbezirks außer dem Posthalter ein bis maximal zwei Beamte als so genannte Landbriefträger tätig waren. In den Jahren zwischen 1883 und 1959 wurde die Besetzung der Postagentur in Schemmern durch Angehörige der Familien Gobrecht und Kollmann gestellt.
Bis ins Jahr 1945 lag der Bahnhof Burghofen an der Bahnpoststrecke zwischen Leinefelde und Treysa, an der aber auch schon regionale Züge mit Bahnpost verkehrten, so zwischen Treysa und Waldkappel.
Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Postagentur von Schemmern im Jahre 1946 in Poststelle 1 umbenannt. Außer dem Postdienst vor Ort mussten die Beamten auch den zweimal am Tage stattfindenden Austausch des Postgutes mit der Bahnpost am Bahnhof Burghofen vornehmen. Die Beförderung des Postgutes fand mittels eines Handwagens sowie eines Stoßkarrens statt. In späteren Jahren hielt der Fortschritt Einzug, da stand dann ein Fahrrad zur Beförderung des Postgutes zur Verfügung.
Nach dem Krieg konnte sich das Bahnpostwesen nicht mehr lange halten. Im Jahre 1952 fiel der Einsatz von Bahnpostwagen an den Zügen der Kanonenbahn zwischen Treysa und Waldkappel ersatzlos weg. Der Transport von Postgut wurde nun von Waldkappel aus mit Kraftfahrzeugen übernommen. Für die Bahnpoststrecke Treysa-Schwebda kam mit dem Fahrplanwechsel am 17./ 18. Mai 1952 das »Aus«. Betriebsleitendes Postamt für diese Strecke war das Postamt Treysa.
Heinrich Knierim überdauerte als Bahnhofsvorsteher die Zeit der Nazidiktatur und wurde erst um das Jahr 1950 vom Bahnhof abberufen, worauf er noch in Waldkappel und sogar in Bischhausen Aushilfsdienst tat. Darauf folgte für etwa 2 Jahre ein Herr Zischka als Bahnhofsvorsteher, der sich anschließend nach Stuttgart versetzen ließ. Herr Zischka soll ein außerordentlich freundlicher Mann gewesen sein, allerdings ist nicht bekannt, ob er auch im Bahnhofsgebäude gewohnt hat. Um das Jahr 1952 kam Gustel Schäfer als Ersatz für Herrn Zischka als Bahnhofsvorsteher und blieb bis Ende 1954. Gustel Schäfer wohnte in Burghofen und war auch vorher schon am Bahnhof tätig.
Anfang des Jahres 1955 kam dann Heinrich Bode als neuer Bahnhofsvorsteher zum Bahnhof Burghofen, wo er mit Ehefrau Ida, Tochter Inge und Sohn Werner dann auch im Jahre 1956 die frei gewordene Dienstwohnung im Bahnhofsgebäude bezog, die sich direkt über der alten Bahnhofsuhr befand, die an der Außenwand bis zum Schluss zu sehen war. Außer der Familie Bode wohnten noch der Streckenarbeiter Johann Lach mit seiner Familie sowie die Familie Burghardt im unteren linken Teil des Gebäudes, dessen Familienoberhaupt ebenfalls bei der Bahn gewesen war, wobei dieser später durch die Integration eines Teiles des Wartesaals seine Wohnung noch etwas vergrößert hatte und den abgetrennten Teil des Saales zum Wohnzimmer umgebaut hatte.
Ab dem Jahre 1965 wohnte an Stelle von Burghardts die Familie Hundsdorfer im Bahnhof.
Im Jahre 1945 kam der Heimatvertriebene Wenzel Reitmajer mit seiner Familie als Heimatvertriebener nach Burghofen und wohnte von 1947 bis 1954 ebenfalls im Bahnhofsgebäude. Er war Eisenbahnarbeiter und hatte im Winter am Bahnhof den Schnee geschippt, der damals noch in reichlicher Menge gefallen war. Außerdem musste er im Bischofferöder Tunnel die Eiszapfen entfernen, wodurch er im Winter um 3 Uhr in der Nacht aufstehen musste. Anschließend fuhr er mit der Bahn nach Waldkappel, denn dort war er als Streckenarbeiter am Streckenabschnitt zwischen Waldkappel und Malsfeld tätig. Sein Sohn Albert durchlief in der Zeit im Betriebswerk Eschwege-West eine Schlosserlehre und wollte Lokführer werden.
Heinrich Bode, der mit seiner Familie bis 1952 in Eltmannshausen, ab 1953 dann in der Eschweger Eisenbahnstraße gewohnt hatte, war schon seit vielen Jahren bei der Bahn, wo er zunächst in den ersten Jahren nach 1945 als Streckenläufer auf der Bebra-Göttinger Strecke in Richtung Bad Sooden-Allendorf tätig war und danach noch als Zugschaffner seine Brötchen verdiente, bevor er im Jahre 1955 den Posten als Bahnhofsvorsteher in Burghofen angeboten bekam. Daraufhin besuchte er die Bundesbahnschule in Bebra, um in die Beamtenlaufbahn einzusteigen, damit er den ihm angebotenen Posten überhaupt antreten durfte. Heinrich Bode achtete sehr auf Ordnung und Sauberkeit im Bahnhofsumfeld. Dabei bewirtschaftete er auch noch den Bahnhofsgarten, der sich am Ende der Bahnhofsallee noch vor den Stallungen befand sowie den von Heinrich Knierim übernommenen kleinen Garten jenseits des Bahnsteiges und der Gleise, wo dieser seine Bienenhäuser stehen hatte. Allerdings waren dort nun an Stelle des »Volk flieg« nun die Worte »Gute Reise« zu lesen und die bestanden zunächst aus in Form geschnittenen Blumen, in späteren Jahren jedoch aus aneinander gereihten hellen Steinen.
Die Blumenbeete von Heinrich Bode waren bei den Fahrgästen sehr beliebt und wurden auch von den Bewohnern aus Schemmern und Burghofen gelobt und bewundert. Nach dem Tod von Heinrich Bode war die Blumenpracht nach 1963 allerdings verschwunden, da seine Witwe Ida die Arbeit im Garten zeitlich nicht mehr schaffen konnte. Rechts vor dem Blumengarten stand auf der Wiese noch der Hühnerstall, der so niedrig war, dass man diesen nur in gebückter Haltung begehen konnte. Da sich der Stall direkt am Waldrand befand, kam es öfters vor, dass ein Fuchs oder ein Marder die Hühner gerissen hatte.
In der Ära Heinrich Bode gab es außer ihm nur noch einen Fahrkartenkontrolleur und einen älteren Mann, ein Herr Adam am Bahnhof, der für die Sauberkeit in den Diensträumen, den Toiletten und an den Bahnsteigen verantwortlich war, den Winter über im Außenbereich den Schnee geschippt hatte und vertretungsweise auch die Fahrkarten kontrollierte. Wollte Heinrich Bode einmal in Urlaub, kam zunächst Helmut Apel vom Waldkappeler Bahnhof als Urlaubsvertretung, später aber ab etwa 1962 ein Herr Niedt vom Bahnhof Spangenberg, der seine Dienststelle am Bahnhof Burghofen dann vertretungsweise übernahm. Leider kam Heinrich Bode, der Ende September 1924 geboren wurde, am 30. Juni 1959 im Alter von nur 34 Jahren bei einem Verkehrsunfall ums Leben, bei dem er sich bei einem Sturz in der noch nicht geteerten Bahnhofstraße in Höhe des Fischbaches einen Schädelbasisbruch zuzog, dem er später im Krankenhaus erlag.
Mit seinem Tod ging in Burghofen die lange Ära als selbständiger Bahnhof zu Ende, worauf der Bahnhof Burghofen noch im Jahre 1959 oder spätestens 1960 von einem Bahnhof 4. Klasse in eine nicht selbständige Dienststelle herab gestuft und dann dem Bahnhof Waldkappel unterstellt wurde.
Nach dem Tod von Heinrich Bode übernahm seine Frau Ida den Bahnhof und betrieb diesen in den folgenden Jahren als Agentur. Frau Bode verkaufte die Fahrkarten und kümmerte sich um das Frachtgut, das immer noch am Bahnhof angeliefert worden war und in der Hauptsache aus Waggonladungen an der Freiladerampe bestand, wo Holz und zur Erntezeit auch Zuckerrüben verladen wurden, sie gab aber auch das per Bahn angelieferte Frachtgut an die Kunden heraus.
Die Zuckerrüben-Verladung erfolgte im Auftrag der Raiffeisenzentrale, die von den Bauern die Zuckerrübenernte aufgekauft hatte. Die Verladung der Rüben wurde durch Herrn Lotzgeselle von der Raiffeisen überwacht und die Lademengen kontrolliert.
Als Agentin hatte Ida Bode allerdings keine Züge abzufertigen oder Weichen zu stellen. Diese Aufgaben wurden von dem jeweiligen Lokführer, Triebwagenfahrer oder Schaffner ausgeführt.
Güterverkehr gab es am Bahnhof noch bis in die hohen 1960er Jahre, das heißt, es müsste 1967, spätestens jedoch in 1969 gewesen sein.
Vom Bahnhof Waldkappel kam regelmäßig ein Beamter zu Frau Bode an den Bahnhof Burghofen, der dann die Kasse prüfte und auch sonst nach dem Rechten sah.
So lange der Wartesaal noch als solcher existierte, war dieser noch mit Tischen und Bänken ausgestattet.
Weil das Empfangsgebäude nicht an die örtliche Wasserversorgung von Schemmern oder Burghofen angeschlossen war, wurde die Versorgung mit Frischwasser über einen tiefen Brunnen aufrecht erhalten, der bis in den Grundwasserspiegel des Fischbachs herunter reichte. Der Brunnen, der sich vor dem Nebengebäude im Bereich der alten Linde befand, war oben mit einer schweren Betonplatte verschlossen.
Die Frauen, die vom Einkaufen kamen und dort ein Schwätzchen hielten, stellten auf der Platte immer ihre schweren Einkaufstaschen ab, die dann vom Hund der Familie Bode namens Strolchi regelmäßig auf Fressbares untersucht wurde und es kam schon mal vor, dass danach das eine oder andere Stück Fleisch verschwunden war.
An ein Abwassersystem war der Bahnhof ebenfalls nicht angeschlossen. Die anfallenden Abwässer wurden in einer Zisterne gesammelt und in regelmäßigen Abständen abgepumpt.
Außer dem Gleis zum Güterschuppen, an dem sich ein paar Meter vor dem Schuppen das Lademaß befand, existierte immer noch ein Gleis zur Freiladerampe. Etwa auf halbem Weg dahin gab es an der mit Kopfstein gepflasterten Straße einen Holz-Stapelplatz, auf dem Langholz gelagert wurde, das für den Bahntransport vorgesehen war. Es kam auch immer wieder vor, dass am Bahnhof ganze Stämme angeliefert wurden, die dann vor Ort am Holzplatz durch den Holzschäler Sippel aus Schemmern geschält wurden und anschließend wieder mit der Bahn abtransportiert worden sind.
Das althergebrachte Bahntelefon, mit der die Verbindung zu den benachbarten Stationen aufrecht erhalten und durch das auch ankommende Züge angekündigt wurden, blieb die einzige Verbindung zur Außenwelt für den Bahnhof, nachdem das vor Ort stationierte Posttelefon Anfang der 1960er Jahre entfernt wurde. Die Verbindung zu den Nachbarstationen wurde erst nach der Stilllegung der Strecke im Jahre 1974 gekappt.
An der Vorderseite des Empfangsgebäudes befand sich ein separater Eingang, von dem aus über eine Pendeltür nach rechts die Wohnung der Familie Hundsdorfer im Untergeschoss erreicht wurde, während sich gleich links der Fahrradschuppen befand. Die Räder wurden dort in einem Holzgestell untergebracht, in dem sie aufrecht stehend geparkt und auch abgeschlossen werden konnten.
Vom Fahrradschuppen aus ging man links eine Treppe mit drei Stufen empor und schon war man im Güterschuppen.
Nach hinten weg besaß der Fahrradverschlag eine Verbindung zum Schalterraum, von dem eine durch eine Tür das Büro und der Wartesaal erreicht wurde. Dadurch standen die abgestellten Fahrräder unter ständiger Aufsicht.
Der Fußboden des Schalterraumes bestand aus einem aufwändig gearbeiteten Stein-Mosaikfußboden. Ein Steinfußboden war wegen des Mäusebefalls schon angebracht, sonst hätten diese ungeliebten Tierchen am Ende auch noch den Fußboden angenagt. So kamen sie nur beim Öffnen der alten Bahnhofsuhr im Büro aus dieser herausgehuscht oder flutschten aus dem Schreibtisch des Bahnhofsvorstehers heraus. Manchmal kamen sie aber auch aus dem verschließbaren Schalter des Fahrkartenschalters heraus. Wenn das der Fall war, dann war höchste Alarmstufe angesagt. Da es am Schalter keine abschließbare Stahl-Geldkassette gab, sondern nur die mit Geldfächern versehene Schalterschublade unterhalb des Fahrkartenschalters abzuschließen war, kam es öfters vor, dass Mäuse die Geldscheine angenagt hatten. Spätestens dann musste Giftweizen gelegt werden.
Die Hebel für die Weichen befanden sich nicht in einem Stellwerk, sondern waren vor dem Empfangsgebäude rechts neben dem Eingang zum Dienstraum platziert. Die restlichen Weichen, die zur Verbindung der Gütergleise untereinander notwendig waren, mussten per Hand an Ort und Stelle bedient werden.
Der Bahnhof selbst war großräumig eingezäunt und mit einer Bahnsteigsperre versehen. Sogar zum Wald hin befand sich ein Zaun. An der Umzäunung waren in Richtung Eschwege allerlei Reklameschilder angebracht und am Bahnsteigende befand sich ein Schild »Burghofen«.
In der Nähe der Weichen und an den beiden Tunnelportalen des Bischofferöder Tunnels waren vor allem im Winter größere Holzkästen deponiert, in denen sich Pechfackeln befanden, damit die Weichen bei Schnee und starkem Frost aufgetaut werden konnten. Das galt auch für den Tunnel im Kampf gegen die Eiszapfenbildung. Diese Fackeln benutzte Inge Bode gerne, wenn sie mit ihren Schulkameraden, das waren 3 Mädchen und 1 Junge, aus Burghofen nach vorzeitigem Schulschluss auf dem Heimweg von der Schule in Spangenberg hinter Bischofferode den Weg durch den Tunnel nahm. Gemeinsam mit den Kindern von Hubenthals vom Bahnwärterhaus im Fischbach unternahm sie auch einmal den Versuch, den Tunnel mit dem Fahrrad zu durchqueren, aber in der totalen Dunkelheit, die nur mühsam durch das Fahrradlicht etwas erhellt wurde, verließ sie der Mut und sie kehrten wieder um.
Die alte Spritze stand ungeschützt am Bahnhof, nachdem das ursprünglich dafür vorgesehene kleine Gebäude am Bahnsteigrand bereits geraume Zeit vor dem 2. Weltkrieg abgerissen worden war. Die Grundmauern des Gebäudes sind allerdings bis zum heutigen Tag zu sehen.
Die Kinder im Bahnhof hatten es nicht so einfach. Sie wuchsen im Grunde ohne Spielkameraden aus dem Ort auf, da der Weg dorthin einfach zu weit war, nur für die Kinder der Familie Hubenthal vom Bahnwärterhaus im Fischbach kamen zum Spielen zum Bahnhof, oder Inge und Werner Bode begaben sich zu regelmäßigen Gegenbesuchen nach dort. Zum Milch holen musste man bis zum Mänzer Hof. Um den weiten Umweg über den Weg bis zur Unterführung abzukürzen, ging Inge Bode meistens einfach über das Gleis bis zum Hof. Sie durfte sich jedoch dabei nicht von der Bahnpolizei erwischen lassen, denn das wurde dann teuer. Meistens wurde sie aber rechtzeitig gewarnt. Bei einem dieser Unternehmungen ging sie auch ein Stück auf dem Begegnungsgleis entlang, als sie dabei beinahe auf das Nest von einer Kreuzotter getreten war, die im Gleisbett ihren Nachwuchs bekommen hatte. Es kann damals nicht viel Verkehr auf diesem Gleis gegeben haben, denn Kreuzottern lieben es ruhig.
Der Schulweg von Inge Bode wurde zunächst mit dem Fahrrad bewältigt, wo es zunächst nach Burghofen, später nach Schemmern ging. Ab der 5. Klasse hatte sie es einfacher, sie fuhr mit der Bahn nach Spangenberg zur Schule, wo sie die Realschule besuchte. Dabei kam es schon einmal vor, dass sie ihren Rückweg zu Fuß antreten musste, da sie sonst rund 3 Stunden auf den nächsten Zug hätte warten müssen. Dabei ging sie einfach an den Gleisen entlang. Wenn sie in den Jahren nach 1965 am frühen Nachmittag nach Spangenberg zum Einkaufen oder zum Zahnarzt wollte, hatte sie meistens das Glück, dass sie der Lokführer der Köf, der den anstehenden Güterverkehr für Burghofen abgewickelt hatte, dann bis nach Spangenberg mitnehmen konnte.
In den Jahren zwischen 1961 und 1962 kam Leben in den kleinen Bahnhof. Der Bischofferöder Tunnel wurde letztmalig gründlich überholt. Diese Arbeiten sind fast nur von Italienern durchgeführt worden, die während der Bauarbeiten im Tunnel ihre Nächte in dafür hergerichteten alten Personenwaggons verbrachten, die auf dem Abstellgleis vor dem Güterschuppen standen. Mit einer Köf und einem offenen Güterwagen fuhren die Arbeiter dann jeden Morgen in den Tunnel ein, um abends wieder zum Bahnhof zurückzukehren.
Während dieser Zeit sah es hinter dem Güterschuppen aus wie an einer Großbaustelle. Dort standen Baufahrzeuge und eine große Mischmaschine wurde von hohen Sandhaufen umrahmt. Der Beton für den Tunnelbau wurde am Bahnhof gemengt, da vor dem Tunneleingang zu wenig Platz für die vielen Maschinen und Materialien war. Der fertige Beton wurde anschließend auf einen offenen Güterwagen verladen und mehrmals am Tag mit der Köf zur Verarbeitung in den Tunnel geschafft. Einer der Bauarbeiter an der Mischmaschine hieß Josef (Sepp) Reiter und kam aus Österreich. Er hatte vor Ort mit der Tochter Elisabeth der Familie Lach angebändelt und diese dann später auch geheiratet. Er kehrte nicht mehr nach Österreich zurück, sondern blieb in Deutschland, blieb aber nicht im Ort, sondern zog mit seiner Frau aus Burghofen weg.
Die Bahnhofstraße bekam nach dem Tod von Heinrich Bode zwischen 1961 und 1962 endlich einen Teerbelag, damit solche Unfälle, wie er ihn erlitten hatte, dadurch unterbunden wurden.
Die tägliche Post zum Bahnhof wurde über all die Jahre bis 1970 von einem Herrn Leideck aus Schemmern gebracht, der auch sonst noch als Postbote in Schemmern unterwegs war.
Morgens fuhr um 5:30 Uhr der erste Zug in Richtung Eschwege. Der Frühzug um 6:30 Uhr von Eschwege nach Treysa hatte in Burghofen einen längeren Aufenthalt, weil er den Gegenzug abwarten musste, der erst gegen 6:50 Uhr in Burghofen eintraf. Da kam es jeden Tag zur einzigen Zugkreuzung, die in Burghofen noch stattfand. Da gingen die Triebwagenführer oder Schaffner des Schienenbusses regelmäßig ins Büro und machten dort Pause. Mit dem Triebwagen, der dann um 6:50 Uhr in Richtung Spangenberg weiter fuhr, musste Inge Bode immer zur Schule fahren. Bevor der Triebwagenführer das Büro zur Weiterfahrt verließ, klopfte er an das Ofenrohr. Das war dann das Signal für Inge, sich zum Zug zu begeben.
Der Sohn der Familie Bode, Werner, hatte zum Geburtstag eine Schaffneruniform in seiner Größe nebst Mütze und rotem Schultergurt, sowie Kelle und Trillerpfeife bekommen, womit er sich eines Morgens »in voller Montur« neben den wartenden Schienenbus gestellt hatte, die Kelle hob und pfiff. Tatsächlich fuhr der Schienenbus an, aber Gott sei Dank bemerkte der Triebwagenfahrer den Irrtum schnell und hielt seinen Schienenbus nach einigen gefahrenen Metern wieder an. Daraufhin durfte der Junge bestimmt nicht mehr mit seinem Spielzeug den Bahnsteig betreten.
Nachdem der Abendzug um etwa 19:30 Uhr durch war, kam abends noch der »Onkel von der Lok«, wie die Kinder vom Bahnhof den Lokführer nannten, mit seiner Dampflok und dem meist kurzen Nahgüterzug von Waldkappel her angezischt, der zur Abendbrotszeit, also in der Zeit zwischen 19:45 Uhr und 20:30 Uhr dann damit begann, Waggons am Bahnhof hin und her zu rangieren, um den Bahnhof nach getaner Arbeit mit einem neu zusammen gestellten Güterzug zu verlassen und in Richtung Spangenberg weiter zu fahren.
Der Dampflokeinsatz für Güterzüge auf der Strecke endete zwischen 1960 und 1961. Danach wurde der Güterverkehr mit einer Köf von Malsfeld aus durchgeführt. Diese Übergaben fanden dann um die Mittagszeit etwa um 12:30 Uhr statt.
Auf dem Bahnhof Burghofen war eigentlich in all den Jahren seines Bestehens die Zeit stehen geblieben.
Der Bahnsteig war nie geteert worden und das Kopfsteinpflaster rund um das Empfangsgebäude wurde ebenfalls nie entfernt. Man könnte meinen, eventuell erhaltene Fotos würden aus der Zeit um 1920 stammen, wäre da nicht hier und da ein Auto aus den frühen 1960er Jahren zu sehen.
Frau Bode betrieb ihre Agentur bis ins Jahr 1970, danach wurde der Bahnhof als solcher geschlossen und sie musste mit Sohn und Tochter noch im Frühjahr 1970 das Bahnhofsgebäude verlassen und gleichzeitig mit den übrigen Mietern von dort fortziehen. Ida Bode zog anschließend mit ihren Kindern für mehr als ein Jahr in eine Wohnung im Spangenberger Bahnhof, da sie dort schon seit geraumer Zeit in der Bahnhofsgaststätte bedient hatte. Wahrscheinlich hatte ihre Agentur nach Wegfall der Frachteinnahmen nicht mehr genügend Geld eingebracht, um die Familie zu ernähren. Der Umzug selbst hatte mit einem am Bahnhof bereit gestellten Güterwaggon und einer Köf stattgefunden. Es kann heute aber nicht mehr mit Sicherheit gesagt werden, ob es sich hierbei nicht um eine Sonderfuhre aus Gefälligkeit gehandelt hat, oder ob es doch noch gelegentlichen Güterverkehr gegeben hatte.
Ab dem Jahre 1970 war dann der Bahnhof unbesetzt, die Schienenbusse hielten aber dort weiterhin und im Gebäude wohnte noch für ein paar Jahre Peter Strube, damit der Bahnhof wenigstens nicht für die Dauer der verbliebenen Betriebsjahre schon leer stand. In der Zwischenzeit war das zweite Nebengebäude, das näher am Bahnsteig gestanden hatte, abgerissen worden, nur die alte Linde blieb vorläufig noch stehen und wurde erst lange nach der Streckenstilllegung gefällt.
Für die Dauer von knapp 4½ Jahren tuckerten die alten VT 95 wie eh und je von Eschwege oder Treysa her über die Strecke zwischen Waldkappel und Malsfeld. An der ganzen Strecke wurde schon Anfang der 1960er Jahre der vereinfachte Nebenbahnbetrieb eingeführt, danach fanden in Burghofen auch nach 1970 keine Zugbegegnungen mehr statt, weil etliche Stationen mittlerweile nicht mehr besetzt waren.
Im Rahmen einer Modernisierung der Strecke und dem Ausbau fast sämtlicher Ein- und Ausfahrtssignale sowie dem Einbau von Rückfallweichen zwischen Malsfeld und Waldkappel Anfang der 1970er Jahre wurden auch die Signale im Bahnhof Burghofen abgebaut. Gleichzeitig wurden die restlichen Weichen, sowie sämtliche noch verbliebenen Nebengleise herausgerissen. Nur noch das Überholgleis für eventuelle Zugkreuzungen blieb bis zur Stilllegung des Streckenabschnitts am 25. Mai 1974 erhalten.
Aus heutiger Sicht betrachtet hätte sich die DB diese Kosten sparen können, da der Streckenabschnitt nur noch für knapp 4½ Jahre befahren wurde.
Diese Zeit verging wie im Fluge mit einem mit Ausnahme des Schülerverkehrs immer dürftiger werdenden Fahrgastaufkommens, wobei der Abschnitt vom Bahnhof Burghofen aus bis zum Bischofferöder Tunnel hin kaum noch den Anforderungen des Bahnverkehrs entsprach.
Als dann schließlich am 25. Mai 1974 die letzten Schienenbusse zwischen Eschwege und Treysa beziehungsweise die »Regional«-Schienenbusse zwischen Waldkappel und Malsfeld fuhren, nahm außer ein paar Eisenbahnfreunden, die nochmals eine Fahrt auf dieser Strecke mitmachen wollten und den paar Fahrgästen, die jeden Tag mitfahren mussten, kaum jemand Notiz von dem im Sterben liegenden Streckenabschnitt zwischen Waldkappel und Spangenberg.
Inzwischen war das Bahnhofsgebäude, das seit rund 10 Jahren leer stand, nun seit 6 Jahren überhaupt nicht mehr genutzt wurde als unnötiger Ballast in den Besitz der Stadt Waldkappel übergegangen. In der Zeit des Leerstandes war im und am Gebäude schon vieles der Zerstörungswut einiger Jugendlicher und Nichtsesshafter zum Opfer gefallen. Sogar die Gleise waren Ende der 1970er Jahre zwischenzeitlich schon abgebaut, da gab die Stadtverwaltung Waldkappel die fatale Anweisung bekannt, das Bahnhofsgebäude nieder zu brennen. Diese Anweisung wurde seitens der Opposition in Waldkappel auf das Schärfste kritisiert und verurteilt, da die Umgegend bewaldet ist und sich in nächster Nähe noch ein Wohnhaus befindet. Dort hatte es Mitte Mai 1965 bereits einen größeren Brand gegeben, dessen Ursache offenbar in einem überhitzten Badeofen zu suchen war. Der Triebwagenführer eines vorbei fahrenden Schienenbusses alarmierte damals die Feuerwehr. Diese mussten das Löschwasser noch mit einer Handpumpe aus dem unterhalb des Gebäudes fließenden Fischbach empor pumpen. Beim Brand entstand ein Sachschaden von ca. 50.000 DM, so stand es jedenfalls in der Werra Rundschau.
Schließlich erfolgte am 20. Oktober 1980 der »Warme Abriss« des Bahnhofsgebäudes anlässlich einer Großübung der Waldkappeler Feuerwehren. Das Gebäude brannte etwa 7 Stunden lang. Die an der »Übung« teilnehmenden Wehren beschränkten sich darauf, ein Übergreifen des Brandes auf den Wald oder ein in der Nähe befindliches Gebäude zu verhindern. Anschließend hielten noch 7 Personen der Waldkappeler Wehr für einige Stunden Brandwache. Der Übung vorausgegangen war eine Besichtigung des Gebäudes durch den damaligen Kreisbrandinspektor des Werra-Meißner-Kreises, Helmut Gerlach mit Wehrführer Karl März, die mit der Art der Ausführung der Alarmübung einverstanden waren, außerdem wurde im Verlauf der Übung eng mit der Funkleitstelle in Eschwege zusammengearbeitet, von der aus schließlich die Alarmierung der teilnehmenden Wehren erfolgt war. Daraufhin wurde Waldkappels damaliger Bürgermeister Heinz Huth informiert, der daraufhin einen Magistratsbeschluss der Stadt Waldkappel über die Durchführung der Wehrübung herbeigeführt hatte. Wie sich erst später herausstellte, war das Löschen eines Brandes für die Waldkappeler Feuerwehr einfacher als das Anstecken eines Hauses, als später am 6. Dezember 1980 während der Jahreshauptversammlung der Feuerwehr dieses Thema kurz erörtert wurde.
Um den Jahreswechsel 1980/81 brachte die CDU in Waldkappel ein Flugblatt zur anstehenden Kommunalwahl am 22. März 1981 heraus, in dem das Thema warmer Abriss unter der Rubrik »Kennen Sie ihre Heimat« nochmals aufgegriffen und somit politisch ausgeschlachtet wurde. Der Streit mit der Opposition zog sich noch über mehrere Monate hin, da das öffentlich zugängliche Bahnhofsgelände mit den reichlich vorhandenen Trümmern und noch intakten Kellergewölben seit dem warmen Abriss eine Gefahrenquelle vor allem für spielende Kinder und Jugendliche darstellten. Der 15 Meter tiefe Brunnen vor dem Bahnhofsgebäude war anscheinend mittlerweile ebenfalls ohne Abdeckung, so dass spielende Kinder dort jederzeit hineinfallen konnten. Auch die Tagespresse griff dieses Thema auf, nachdem sich Waldkappels damaliger Brandinspektor Werner Sandrock von der Opposition angegriffen fühlte. Er wehrte sich in dem Bericht entschieden gegen den Vorwurf der Brandstiftung am Burghofener Bahnhof und bat die politischen Parteien, die freiwilligen Feuerwehren, die nur ihre Pflicht täten, künftig aus parteipolitischen Wahlkampfgeplänkeln heraus zu halten. Nach langem Hin und Her wurden schließlich die Gefahrenquellen um die Ruine des Burghofener Bahnhofsgebäudes doch noch beseitigt und das Gelände großflächig eingeebnet.
Seitdem zeugt nur noch der gepflasterte Weg zum ehemaligen Bahnhofsgebäude und von Burghofen kommend die wie an vielen Bahnhöfen entlang der Kanonenbahn als Allee angelegte geteerte Zufahrtsstraße, die eigentliche Bahnhofstraße, davon, dass sich hier noch vor etwa 35 Jahren ein Bahnhof befand. Erhalten sind heute nur noch die Grundmauern eines Nebengebäudes, das vermutlich einmal die Aborte enthielt. Erhalten geblieben sind auch noch Reste vom Bahnsteig und vom Freiladegleis. An einer Scheune im Dorf hatte sich auch noch ein Bahnhofsschild von Burghofen erhalten. Mittlerweile ist aber auch dieses verschwunden.
Wenige Meter vor den erhaltenen Grundmauern des Nebengebäudes steht noch der kaum noch lesbare Kilometerstein vom km 68,4. Etwa 50 Meter weiter in Richtung Bahnhof hatte der erste von zwei Bahnsteigen begonnen. Hinter den Grundmauern beginnt die große leere Fläche, dort ist nur noch der Bahnsteigrand ist zu sehen. Da, wo einst das Bahnhofsgebäude stand, blühen heute Wildblumen. Es kommt einem vor, als stünde man auf einer Waldwiese, so ruhig ist alles dort. Man kann sich eigentlich nicht vorstellen, dass hier einmal ein Bahnhof gestanden hat und Züge hier entlang fuhren.
Bei dieser Gelegenheit sei noch erwähnt, dass im Keller des bereits niedergebrannten Gebäudes noch ein alter Fahrplan sowie ein Plan des Reichsbahn-Direktionsbezirks Kassel nach der Grenzziehung mit dem Stand vom 1. November 1945 mit den Bereichen der Maschinen-Ämter Kassel, Marburg und Fulda gefunden worden sein soll. Allerdings weiß heute niemand mehr, wo der Fund abgeblieben ist.
Mit dem Zug ist der Autor als Kind oder Jugendlicher zwar öfters auf der Fahrt nach Spangenberg am Bahnhof Burghofen vorbei gekommen, dort ausgestiegen ist er jedoch nur ein einziges Mal in seinem Leben, als er mit dem damaligen Heimatforscher Alfred Schulze und einigen anderen jungen Männern um das Jahr 1965 mit dem Schienenbus bis nach Burghofen fuhr, um von dort aus eine Exkursion zu beginnen. In Waldkappel waren sie so zwischen 10 und 11 Uhr vormittags von einer ETA-Triebwagengarnitur in eine uralte klapprige Schienenbusgarnitur der Baureihe VT 95 umgestiegen, um sich von dieser kräftig durchrütteln zu lassen. Am Ziel angekommen, waren sie außer einigen alten Leuten die einzigen Fahrgäste, die in Burghofen ausgestiegen sind. Als sie so gegen 16 Uhr die Rückfahrt in Richtung Eschwege antraten, waren sie die einzigen, die in den Schienenbus eingestiegen sind. Folglich war der Betrieb am dortigen Bahnhof also auch in diesen Jahren nur noch recht dürftig, denn bis Schemmern oder Burghofen sind es jeweils weils etwa gut 1½ Km.
Der gepflasterte Weg begann etwa vor dem Güterschuppen und führte von hier aus bis zur Rampe des Freiladegleises bei km 68,8. Von dort führt er als unbefestigter Feldweg weiter bis zur Unterführung am Ende des noch gut erkennbaren Verbindungsgleises zwischen der Güterrampe und dem Streckengleis (bei km 68,85), wo sich das Begegnungsgleis bei km 68,9 wieder mit dem Streckengleis vereinte. Dieser Feldweg mündet in eine schmale Straße, der Memelweg ein, die von Schemmern her zum Mänzer Hof führt. Diese Straße führt als »Mausefalle«, wie auch die schmalen Unterführungen als Verkehrshindernis im Volksmund heißen, bei km 69,0 unter der Kanonenbahn hindurch.
Die Unterführung besitzt über dem Deckengewölbe keinerlei weitere Damm-Aufschüttungen, sondern das Gleisbett wurde direkt auf das Gewölbe gesetzt. Die Gewölbebögen sind unterschiedlich hoch, die höhere Seite befindet sich auf der Talseite. Die Frontseiten der Gewölbebogen sind seit der Stilllegung der Strecke auf beiden Seiten stark mit Efeu bewachsen, auf einer älteren Aufnahme der Bergseite ist aber noch auf dem Schlussstein eine figürliche Darstellung zu sehen, die einem Katzenkopf nicht unähnlich ist. Leider ließe sich das erst überprüfen, wenn der Efeubewuchs entfernt würde. Vielleicht verbirgt sich ja auch noch eine Jahreszahl darunter oder es kommt auch an der Talseite noch eine weitere Darstellung ans Tageslicht.
Hinter der Unterführung befindet sich der »Mänzer Hof«, dessen Ursprung aus einer Baubaracke mit Kantinenbetrieb beim Bahnbau hervor ging.
Hinter der Unterführung schlängelt sich die Strecke, dabei stetig an Höhe gewinnend, auf den Bischofferöder Tunnel zu, an dem sich auch die Wasserscheide zwischen Werra und Fulda befindet.
Zwischen Bahnhof und Tunnel ist der Autor leider auf Schätzungen in den Kilometerangaben angewiesen, da entlang der Strecke an den wenigen noch vorhandenen Kilometersteinen jegliche noch erkennbare Beschriftung fehlt.
Zum Bahnhof Burghofen wäre noch zu sagen, dass dieser in der heutigen Zeit nicht mehr abgerissen sondern an einen Liebhaber verkauft worden wäre, da für solche Gebäude ein Markt entstanden ist und der Denkmalschutz seine Hand darüber halten würde.
Weiter zu Teil 70: Das Bahnwärterhaus im Fischbach
Autor: Hermann Josef Friske
Der Bahnhof Waldkappel nach der Katastrophe 1945
Diese erste Katastrophe mussten die Bürger von Waldkappel erst einmal verdauen.
Die Rettungs- und Bergungsarbeiten begannen unmittelbar nach der Explosion. Der Anblick der Überreste des Bahnhofs war schrecklich!
Durch die Explosion waren etwa 25.000 Kubikmeter Erdreich hoch geschleudert, wo vor ein paar Minuten noch Gleise lagen. Die Trümmer von Gebäuden, Gleisanlagen und Zügen bedeckte die ganze Umgebung. Kleinere Teile flogen kilometerweit.
Auf dem Bahngelände waren 3.800 Meter Gleise und 14 Weichen total zerstört oder ganz einfach verschwunden.
Nur der Räumungszug, der auf der Kasseler Strecke vor dem Bahnhof vor dem Einfahrtssignal wartete, stand noch auf seinem Platz, lediglich alle Scheiben im Zug waren durch die Druckwelle zerborsten. Die Insassen hatten Schutz in einem Wasserdurchlass unter dem Bahndamm gefunden, nur die Herren Holz und Schürle wurden vermisst.
In der Stadt hatte die Explosion gewaltige Schäden hervorgerufen:
Zwischen 17 und bis zu 40 Personen (eine andere Quelle spricht von 80) kamen ums Leben, 138 Häuser in Waldkappel wurden schwer beschädigt, das heißt zu 70 Prozent wurden die Dächer abgedeckt, die Türen und Fensterscheiben zertrümmert oder sonstige Schäden verursacht. Zwei Wohnhäuser, (Bischhäuser Straße 7 und Nordstraße 2) waren so stark beschädigt, dass sie geräumt werden mussten, und die Kirche war ebenfalls nicht mehr zu benutzen.
Durch die Explosion wurden auch viele Einwohner der Stadt durch Glassplitter und herabstürzende Balken oder Ziegel leicht und einige auch schwer verletzt.
3 bis 4 Meter lange Teile von Eisenbahnschienen wurden durch die Explosion bis an die Ortsgrenze von Bischhausen geschleudert, während schwere Eisenplatten und sonstige Eisenteile sich über die umliegenden Felder verteilt hatten. Noch am 4. Mai lagen eiserne Träger von etwa 80 bis 100 Zentner Gewicht im Umkreis von 300 Metern im Bereich des Bahnhofes herum und es stellte sich heraus, dass das Wohnhaus von Schuchardt und Schönewald durch 2 Güterwaggons zertrümmert worden war. Außerdem lagen Güterwagenachsen mit Rädern und andere schwere Eisenteile, die mit Menschenkraft allein nicht beseitigt werden konnten, noch im Bereich von mehreren 100 Metern Entfernung auf den Feldern verstreut herum. Nur gut, dass sich der Bahnhof gut 400 Meter vom Stadtrand entfernt und rund 20 Meter oberhalb der Stadt befindet, sonst wären die Schäden durch die Druckwelle noch wesentlich höher ausgefallen.
Die ausführliche Untersuchung der Katastrophe lässt erkennen, dass die amtlich festgestellte Zahl der Toten den tatsächlichen Verlusten sehr nahe kommt, ein Fragezeichen wird aber für immer bleiben. Im Sterberegister der Stadt Waldkappel sind im Jahre 1945 als Opfer der Katastrophe eingetragen:
1. Stationswart Richard Remm, wohnhaft im Umspannwerk der EAG, geboren am 06.06.1897, gestorben am 31.03.1945 um 23 Uhr. Er wurde zunächst aus den Trümmern des Umspannwerkes geborgen, starb aber wenig später. Frau und Kinder konnten gerettet werden. (8/1945 vom 09.04.45)
2. Anna Apel, geb. Walter, wohnhaft in Waldkappel, Bischhäuser Straße 7. Sie starb um 21 Uhr im Schulgebäude infolge einer schweren Verletzung, hervorgerufen durch eine durch die Druckwelle herausgeschleuderte Tür in ihrem Haus in der Bischhäuser Straße (10/1945 vom 09.04.45)
3. Weichenwärter Wilhelm Adam Mönch, wohnhaft in Waldkappel, Grüner Weg 2, ist am 31.03.45 um 16.55 Uhr auf dem Bahnhof Waldkappel gefallen. Er befand sich im Dienstzimmer des Bahnhofs und lief beim Angriff wahrscheinlich in Richtung Bahnhofsvorplatz. Sein Körper wurde dort gefunden, ein Bein an der Laderampe des Güterschuppens. (12/1945 vom 09.04.45)
4. Reichsbahnobersekretär und Bahnhofsvorsteher Heinrich Multhauf, wohnhaft im Waldkappeler Bahnhof, gefallen am 31.03.45 um 16.55 Uhr auf dem Bahnhof. (14/1945 vom 11.04.45)
5. Luise Multhauf, geb. Lemmer, wohnhaft im Waldkappeler Bahnhof, gefallen am 31.03.45 um 16.55 Uhr auf dem Bahnhof. (15/1945 vom 11.04.45)
6. Reichsbahnassistent und stellvertretender Bahnhofsvorsteher Adam Koch, wohnhaft im Waldkappeler Bahnhof, gefallen auf dem Bahnhof am 31.03.45 um 16.55 Uhr auf dem Bahnhof.(16/1945 vom 11.04.45)
7. Antonie Koch, geb. Gimpel, wohnhaft im Waldkappeler Bahnhof, gefallen am 31.03.1945 um 16.55 Uhr auf dem Bahnhof. (17/1945 vom 11.04.45)
8. Erster Stationswart Karl Hartmann, wohnhaft in Waldkappeler Umspannwerk, gefallen am 31.03.45 um 16.55 Uhr im Umspannwerk. (18/1945 vom 11.04.45)
9. Zugführer Friedrich Wilhelm Hartmann, wohnhaft im Waldkappeler Umspannwerk, gefallen am 31.03.45 um 16.55 Uhr im Umspannwerk. Er wohnte als Pensionär bei seinem Sohn Karl Hartmann. (19/1945 vom 11.04.45)
10. Reichsbahnobersekretär August Mosch, wohnhaft im Waldkappeler Bahnhof, gefallen am 31.03.45 um 16.55 Uhr auf dem Bahnhof. Herr Mosch war Pensionär und wohnte kriegsbedingt als Untermieter in der Dienstwohnung von Heinrich Multhauf. (20/1945 vom 11.04.45)
11. Elisabeth Mosch, wohnhaft im Waldkappeler Bahnhof, gefallen am 31.03.45 um 16.55 Uhr auf dem Bahnhof. (21/1945 vom 11.04.45)
12. Christine Viehmann, geb. Böttiger, wohnhaft in Kassel-Bettenhausen, gefallen am 31.03.45 um 16.55 Uhr auf dem Bahnhof. Frau Viehmann hielt sich vorübergehend bei ihrer Schwester Frau Anna Stück in Friemen auf, hatte ihre Strickjacke im Zug vergessen. Auf Benachrichtigung, dass die Jacke gefunden wurde, ging sie zum Bahnhof und wurde dort zufällig Opfer der Katastrophe. (24/1945 vom 17.04.45, angezeigt von Frau Anna Stück, Friemen)
13. Bäckergeselle Christoph Lange, wohnhaft in Geismar, Kreis Heiligenstadt, Hintergasse 15, gefallen am 31.03.45 um 16.55 Uhr auf dem Bahnhof Waldkappel. Er arbeitete in Hirschhagen bei der Dynamit AG und war wahrscheinlich auf der Heimfahrt. Sein Wehrpass wurde im Juli 1945 bei Aufräumarbeiten auf dem Bahngelände gefunden. Zusatz des Bürgermeisters: Es besteht kein Zweifel darüber, dass die Vermutung zutrifft, worauf der Todesfall in das Sterberegister aufgenommen wurde. (33/1945 vom 31.07.45)
14. Oberreichsbahnrat Gerhard Karl Hermann Holz, wohnhaft in Kassel, Reichsbahnmaschinenamt, gefallen auf dem Bahnhof Waldkappel am 31.03.45 um 16.55 Uhr. Herr Holz ist im Luftschutzraum des Bahnhofes ums Leben gekommen. Die Freilegung des Luftschutzraumes erfolgte erst am 5. Oktober 1945, worüber das Betriebsamt Eschwege an die Reichsbahndirektion Kassel am 11. Oktober berichtete: Es wurden aller Wahrscheinlichkeit nach Leichenteile von 5 Personen geborgen. Unterlagen zur Feststellung der Personalien fanden sich nicht, jedoch wurden in der Nähe einer Leiche neben Stoffresten die Schulterstücke eines Oberreichsbahnrates gefunden, die nur Gerhard Holz gehört haben können. Vor der Beisetzung der Opfer fand auf dem Bahngelände eine Trauerfeier statt. Der letzte Kellerraum, der wenige Tage später freigelegt wurde, enthielt keinerlei Leichenteile. (37/1945 vom 13.12.45)
Im Sterberegister des Standesamtes Eschwege sind im Jahre 1945 eingetragen:
15. Anna Katharina Hartmann, geb. Luckhart, Witwe, wohnhaft im Waldkappeler Umspannwerk, gestorben im Kreiskrankenhaus Eschwege am 09.04.45 um 1.30 Uhr an einer Gehirnquetschung, hervorgerufen durch Feindeinwirkung, siehe auch Waldkappel Nr. 18 und 19/45 (218/45 vom 10.04.45)
16. Schüler Klaus Wilhelm Hitzeroth, wohnhaft in Waldkappel, Leipziger Straße 40, gestorben am 10.04.1945 um 15.40 Uhr im Krankenhaus Eschwege. (Eltern: Wilhelm Gerhard Hitzeroth und Anna Katharina Hitzeroth, geb. Suck) Die Todesursache war eine Gehirnverletzung. Klaus Hitzeroth befand sich zum Zeitpunkt der Explosion auf der Bahnhofstraße, wo ihn ein Sprengbrocken schwer verletzte. Er war das einzige Opfer im Kindesalter. (221/1945 vom 11.04.45)
17. Reichsbahn-Inspektor Georg Wilhelm Schürle, zuletzt wohnhaft in Kassel, Landaustraße 22, ist gefallen, festgestellt durch die Entscheidung des Amtsgerichts Kassel, vom 6. November 1946 (7-II-14a 46) Der Zeitpunkt des Todes ist auf den 31.03.45 um 24 Uhr festgesetzt worden. (8. April 1947 in Berlin) Frau Luise Schürle, war die einzige Frau im Räumungszug 2 der Reichsbahndirektion Kassel. Nach der Explosion suchte sie mit anderen Zuginsassen vergeblich nach ihrem Mann. Auch die Aufräum- und Ausgrabungsarbeiten brachten keinerlei Hinweise. Herr Wilhelm Schürle ist seit der Explosion spurlos verschwunden. (1611/Dd 1947)
Dieses waren die amtlich festgestellten Opfer der Katastrophe auf dem Bahnhof Waldkappel. Mit großer Wahrscheinlichkeit war die Anzahl der Todesopfer jedoch höher. Die Bergungsarbeiten waren am 12. April 1945 noch im vollen Gange. Einige Augenzeugen berichten von etwa 40 bis 50 Opfern, andere wiederum sprechen sogar von über 80 Toten, was der Autor jedoch für unwahrscheinlich hält, denn dieser Augenzeuge zählte die Anwesenden in den Wartesälen mit, die jedoch unterhalb des Abhanges südlich des Bahnhofs Deckung gefunden hatten. Die ganze Wahrheit über die Höhe der Opfer wird wohl nie mehr ermittelt werden. Es werden sicher noch einige Tote mehr zu beklagen sein, von denen aber die heftige Explosion keine oder nur einzelne kleine Teile übrig gelassen hatte, so dass es keinerlei Möglichkeiten einer Identifizierung gegeben hatte, erwähnt wird dieses nur im Bericht des Pfarrers Ferrau. Mögen die Opfer in Frieden ruhen, die Katastrophe in den letzten Kriegstagen aber nie in Vergessenheit geraten und den Lebenden zur Mahnung dienen.
Aber auch die Amerikaner verloren bei der Explosion vermutlich sogar 2 Flugzeuge. Aus amerikanischer Sicht vom Mustangpilot der 354. Staffel Oberleutnant Warren H. Jolly geschah folgendes:
Während einer Patrouille westlich von Erfurt sahen wir auf einem Bahnhof einen abfahrbereiten Güterzug stehen. Nachdem wir gewendet hatten, griffen wir den Zug aus nördlicher Richtung her an. Nachdem der Staffelführer Oberleutnant Calvin S. Walker den Befehl zum Angriff gegeben hatte, flogen vor uns Oberleutnant Walker und direkt hinter mir Leutnant John P. Ryan, die den Zug mit MG-Feuer beschossen. Genau in dem Augenblick, als sich die beiden Flieger direkt über dem Zug befanden, explodierte dieser. Einem der beiden, vermutlich Ryan, wurde durch die Explosion eine Tragfläche abgerissen, während ich in einer steilen Linkskurve nach oben zog. Während dieses Vorganges konnte ich nicht erkennen, was danach geschah. Anschließend kreiste ich über der Stelle, konnte aber kein Flugzeugwrack oder einen Fallschirm erkennen, für diesen wäre das Flugzeug ohnehin zu tief gewesen. Auf meinen Versuch, Funkkontakt mit den beiden Fliegern aufzunehmen, erfolgte keine Antwort, sowohl Walker als auch Ryan meldeten sich nicht mehr. Daraufhin flogen wir zu unserem Einsatzflughafen zurück.
Laut amerikanischer Verlustlisten wurde Leutnant Ryans Flugzeug durch die Explosionswelle in der Luft zerfetzt, wobei er den Tod gefunden hat. Die Waffenkamera von Oberleutnant Jolly zeigte den Moment, als durch die Explosion dem Mustang eine Tragfläche abgerissen wurde.
Der damalige Pfarrer Ferrau, der während der Kriegszeit und in den schweren Nachkriegsjahren in Waldkappel evangelischer Pfarrer war, berichtete über die Explosionskatastrophe folgendes:
Die Auswirkungen der Explosion waren noch im Umkreis von 5 bis 10 km spürbar. Bäume waren aus der Erde gerissen, der Bahnhof, das Überlandwerk und die Zementfabrik waren vom Erdboden verschwunden. Wo vorher der Munitionszug gestanden hatte, war nun eine 1 km lange und 500 Meter breite Mulde entstanden. Allein am Bahnhof waren der Explosion 80 Menschen zum Opfer gefallen, von denen später nur noch einzelne Überreste geborgen werden konnten. Die in der Nähe befindlichen Häuser der Familien Botthof und Apel waren durch die Nähe zum Bahnhof infolge der Explosion so stark zerrissen, dass ein Wiederaufbau unmöglich war. Viele Häuser, vor allem die Scheunen, wurden abgedeckt und die meisten Fenster in der Stadt mitsamt dem Rahmen vollkommen zerstört, dass nur noch leere Fensterhöhlen zurück geblieben sind. Die Kirche war ebenfalls stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Alle Fenster einschließlich der Bleiverglasungen waren eingestürzt und selbst die großen Eichentüren waren in kleine Stücke zerrissen. Die Orgel war ebenfalls beschädigt und die Decke hatte nun etliche große Löcher zu verzeichnen. Nur das neue Kirchendach hat teilweise standgehalten, und der Turm war wie durch ein Wunder unversehrt.
Es gab auch einige Überlebende bei der Explosion, nämlich Personen, die von innerer Unruhe getrieben, sich zum Zeitpunkt der Katastrophe nicht auf dem Bahnhofsgelände befanden. Dieses waren:
Frau Martha Allstädt, geb. Schröder, die als Untermieterin bei Familie Adam Koch im Bahnhofsgebäude wohnte, weilte bei ihrer Tante in der Stadt.
Der Reichsbahnbedienstete Friedrich Vogeler sah nach seiner Familie im Ort und wurde dadurch Kronzeuge des Geschehens vor und nach der Explosion.
Auch die Bahnhofswirtin, Frau Furchner, hat das Inferno überlebt, denn sie befand sich zum Zeitpunkt des Angriffs nicht auf dem Bahnhofsgelände.
Der Zug, der auf dem Kasseler Gleis gestanden hatte, wurde vollständig ausgeplündert. Dabei kann es sich eigentlich nur um den 2. Kasseler Räumzug von der Dienststelle Hauptbahnhof gehandelt haben, der vor dem Einfahrtssignal aus Kassel kommend, stehen geblieben war. Ein weiteres Indiz spricht für den Räumzug, weil dieser vor Allem durch die Bewohner der Nachbardörfer geplündert worden ist und die Waldkappeler Bevölkerung sich daraus nur die Dinge geholt haben sollen, was sie an Holz für Fenster, Türen und Notwohnungen dringend benötigt hatten. Der Zug wurde erst nach einigen Tagen gesichert und es erfolgte daraufhin eine Einlagerung und geordnete Aufbewahrung der noch übrig gebliebenen Zugfracht. An der Gemarkungsgrenze zu Harmuthsachsen soll am 24. April 1945 noch ein Bauzug gestanden haben, aus dem sich Waldkappeler Bürger einen Schrank geholt hatten, der als Küchenschrank Verwendung gefunden hatte.
Im Rahmen der Friedhofsumgestaltung im Jahre 1972 wurde ein gemeinsames Gräberfeld für die Toten um Ostern 1945 eingerichtet, die an verschiedenen Stellen des Friedhofes beerdigt waren. Sie haben nun in der Nähe der Friedhofskapelle eine würdige gemeinsame Ruhestätte gefunden, um die Besucher des Friedhofes an die schweren Zeiten der Zerstörung des Bahnhofes und teilweise auch des Ortes zu erinnern.
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Autor: Hermann Josef Friske
Der Bahnhof Waldkappel bis 1974
Bereits Mitte der 1950er Jahre wurden auf der Strecke zwischen Eschwege und Treysa die ersten mit Dampf betriebenen Züge durch die roten Triebwagen der mit Diesel angetriebenen Serie VT 95 ersetzt, die sich in den folgenden Jahren aus Kostengründen immer mehr durchsetzten.
Auf dem Bahnhof Waldkappel wechselten die Bahnhofsvorsteher nach dem 2. Weltkrieg insgesamt viermal. Die ersten Waldkappeler Bahnhofsvorsteher vor dem Krieg verlieren sich im Laufe der Geschichte, weil durch die Zerstörung des Bahnhofes am 31. März 1945 auch sämtliche Unterlagen über den Bahnhof mit verloren gingen. Nachdem der bis zur Explosionskatastrophe am 31. März 1945 als Bahnhofsvorsteher tätige Reichsbahnobersekretär Heinrich Multhauf das Inferno nicht überlebt hatte, wurde schon bald nach Fertigstellung des Provisoriums mit Franz Wiesner ein neuer Bahnhofsvorsteher ernannt. Sein Nachfolger wurde ein Herr Gruner, dem vermutlich ab Mai 1955 nach der Schließung des Schwebdaer Bahnhofs Siegfried Nolte folgte, der bis dahin Bahnhofsvorsteher in Schwebda war. Als letzter wurde dann Helmut Apel zum Bahnhofsvorsteher ernannt, der dann die Geschicke des Bahnhofs bis zu seiner Zuordnung zum Eschweger Bahnhof am 1. Januar 1976 leitete, wonach der Waldkappeler Bahnhof schließlich seine Selbständigkeit verlor. Danach unterstand der Bahnhof bis zu seiner Stilllegung dem Bahnhof Eschwege. Die Aufstellung der Bahnhofsvorsteher ist nur ungenau und auch nicht vollzählig, aber ab 1950 dürfte zumindest die Namensfolge stimmen.
Als Fahrdienstleiter fungierte für viele Jahre bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1975, Willi Burschel aus Reichensachsen, der sich stets am Telefon mit dem Wortlaut "Burschel is hier, - wer ist da? – Burschel is hier!" meldete. Willi Burschel hatte, bevor er nach Waldkappel überwechselte, seinen Dienst als Zugmelder im alten Stellwerk Ewf im Bahnhof Eschwege-West geleistet. Fahrdienstleiter auf dem Stellwerk Ewf war Franz Weiner Senior aus Niddawitzhausen.
Seit der Einweihung des neuen Bahnhofsgebäudes im Jahre 1958 gab es mit Heinrich Vollmann auch noch einen weiteren Fahrdienstleiter am Waldkappeler Bahnhof. Vollmann, der von der Pieke auf bei der Bahn gelernt hatte, wurde als Lehrjunge bei der Bahn überall eingesetzt. Damals durfe er sogar beim Abholen von alten Güterwaggons vom Schwebdaer Bahnhof im Bremserhäuschen von eingestellten Waggons ohne Luftdruckbremse sitzen. Später half er von Waldkappel aus auch mal im Bahnhof Bischhausen aus, wo er mit dem Fahrrad hin und zurück fuhr. Da der Bahnhof sehr lange Öffnungszeiten hatte, wurde dort im 2-Schichten-System gearbeitet. Entweder von 3:20 Uhr bis 13 Uhr oder von 13 Uhr bis 0:15 Uhr. Zur Nachtzeit war, wie überall an Nebenstrecken, Betriebsruhe.
Bis zum Neubau des Bahnhofsgebäudes in Waldkappel besaß der Bahnhof auch das alte Stellwerk »Wo«, das an erhöhter Stelle am Ende des Bahnhofsbereichs in Richtung Eschwege stand, das um das Jahr 1910 auf Grund einer neuen Signalordnung errichtet wurde, die seit dem Jahre 1907 Gültigkeit besessen hatte. Dieses Stellwerk wurde noch per Kohleofen beheizt.
Eines Tages, es wird wohl Ende der 1950er Jahre gewesen sein, wurde für dieses Stellwerk ein Waggon Kohlen angeliefert. Nur notdürftig mit einer Holzbohle gesichert, machte sich der Waggon während der Entladung der Kohlen selbständig und da die Strecke abschüssig und die Weiche auf »Gerade« gestellt war, ging der Waggon ab in Richtung Bischhausen. Kurz vorher hatte aber der Zug um 13:35 Uhr, aus Treysa kommend, den Bahnhof Waldkappel in Richtung Eschwege verlassen. Kurz dahinter folgte nun der Kohlenwaggon. In Bischhausen hielt der Zug nicht, da man den Lokführer per Handzeichen zur Durchfahrt aufgefordert hatte. Die Schranken hielt man auf der Strecke geschlossen und versuchte in Bischhausen vergeblich, den immer schneller werdenden Waggon mit einem Hemmschuh, der mit Steinen belegt war, zu stoppen. Die Geschwindigkeit war aber zu hoch, der Hemmschuh wurde einfach zur Seite gedrückt. In Eschwege-West befand sich der Waggon schon dicht hinter dem fahrplanmäßigen Zug, der auf seinem Gleis in den Bahnhof einfuhr. Anschließend folgte die Fahrstraßen-Auflösung per Hand. Die Weiche wurde umgestellt und der Kohlenwaggon landete auf dem Abstellgleis, wodurch die Aktion ein glückliches Ende fand.
Das Stellwerk hatte nur kurze Zeit nach der Einweihung des neuen Bahnhofsgebäudes endgültig ausgedient und wurde danach stillgelegt. Das bereits stillgelegte Stellwerk hatte der Autor vor dem Abriss noch selber betreten. Die Aussicht von der oberen Etage war großartig. Man konnte von dort oben den Bahnhof sowie das weite Umland überblicken. Leider war das Innere des Stellwerks bereits damals mit dort zurückgelassenen alten Matratzen und leeren Konservendosen verschandelt. Sogar ein Feuerchen hatte man im Gebäude schon entfacht, verkohlte Holzreste und eine geschwärzte Wand belegten dieses. Abgerissen wurde das Stellwerk erst Jahre später, weil ständig randalierende Jugendliche und auch Obdachlose sich das Gebäude als Asyl auserkoren hatten. Als dieses schließlich der Spitzhacke zum Opfer fiel, war Heinrich Vollmann persönlich mit seiner Muskelkraft daran beteiligt.
Der Bahnhof Waldkappel besaß auch ein Ausziehgleis, das rechts vom Streckengleis in Richtung Eschwege verlief. Auf diesem Gleis wurden die Züge rangiert, aber auch als Ablaufberg fand dieses Gleis Verwendung, da es ursprünglich den Bahndamm-Abhang hinauf führte. In späterer Zeit wurde dieses Gleis mehrmals verkürzt und fand schließlich nur noch als Abstellgleis Verwendung. Das Ausziehgleis preußischer Bauart besteht noch aus den alten original preußischen Schienen, die mit einem geringeren Durchmesser als die heutigen Gleise gefertigt wurden und stammen wohl noch aus der Zeit um das Jahr 1900 und wurden wahrscheinlich etwa im Jahre 1905 verlegt, vielleicht im Zusammenhang mit dem bevorstehenden zweigleisigen Ausbau, der an verschiedenen Stellen des Streckenabschnitts stattfinden sollte.
Für den Rangierbetrieb war in späterer Zeit eine Lautsprecher-Anlage installiert, die 3 Knöpfe besaß und zum Rangierbahnhof, zum Gleis 2 und zu Gleis 10 führte.
Da Waldkappel Umsteigebahnhof war, brachte der Bahnhof im Laufe seiner Geschichte auch einigen Waldkappeler Bürgern einen Arbeitsplatz bei der Bahn, sei es nun vor Ort oder im Zugdienst.
Als aber im Jahre 1945 die Zonengrenze gezogen wurde, brachte das die ersten Einbußen entlang der Strecke, wovon auch der Bahnhof Waldkappel betroffen war. Die zunehmende Motorisierung tat ein Übriges, so dass in den 1970er Jahren des 20. Jahrhunderts immer weniger Fahrgäste mit dem Zug fuhren. Schließlich verdichteten sich im Jahre 1971 die Anzeichen, dass die Bahn den Streckenabschnitt zwischen Waldkappel und Spangenberg stilllegen würde.
Bereits am 3. November 1961 sah der erste Entwurf einer Umgehungsstraße für die Ortslage von Waldkappel die Durchquerung der Kanonenbahn im Wehreviadukt vor. Im Dezember 1968 sah der Plan vor, dass die Bahnhofstraße und die Kanonenbahn durch ein Brückenbauwerk gekreuzt werden sollten. Aber dazu kam es nicht mehr.
Bereits im Jahre 1966 sah der Stufenplan der DB die Stilllegung des Streckenabschnitts von Waldkappel nach Malsfeld vor, aber erst ab 1971 verdichteten sich die Anzeichen, dass die DB in Erwägung zog, den Streckenabschnitt von Waldkappel nach Spangenberg stillzulegen, denn der Tunnel durch den Eisberg bei Bischofferode sowie Gleise und Unterbau der Kanonenbahn auf diesem Abschnitt befanden sich mittlerweile in einem maroden Zustand und würden Millionenbeträge verschlingen, die zu den Erträgen auf der Strecke in keinem Verhältnis standen.
Der letzte Fahrplan der Kursbuchstrecke 525 von Eschwege über Malsfeld nach Treysa wies noch 8 Zugverbindungen pro Tag aus, die zwischen 6 und 22 Uhr verkehrten. Dieser Fahrplan war vom 30. September 1973 bis zum 25. Mai 1974 gültig.
Die Stadtverordneten von Waldkappel verabschiedeten am 14. Oktober 1972 eine Resolution, um die Schließung des Streckenabschnitts doch noch zu verhindern. Alle zuständigen Ministerien, sowie alle Bundestags- und Landtagsabgeordneten im nordhessischen Raum erhielten diese Resolution, aber ohne Erfolg. Die erhoffte Reaktion blieb jedoch aus. Das Bundeskabinett befasste sich im Sommer 1973 nochmals mit der Kanonenbahn, insbesondere mit dem Streckenabschnitt zwischen Waldkappel und Spangenberg, da hierbei auch Nato-Interessen berührt wurden, aber es half alles nichts:
Am 25. Mai 1974 fuhr der Abschiedszug als letzter durchgehender Zug zwischen Eschwege über Waldkappel, Spangenberg und Malsfeld nach Treysa. Der allerletzte Triebwagen auf der Strecke verließ den Bahnhof Waldkappel abends um 23:32 Uhr und erreichte den Bahnhof Malsfeld kurz vor Mitternacht. Nach fast 100 Jahren kam an diesem Tage das endgültige Aus für eine durchgängige Zugfolge zwischen Eschwege und Treysa. Zwischen Spangenberg und Malsfeld gab es danach noch für etliche Jahre Güterverkehr, nur zwischen Malsfeld und Treysa verkehrten zunächst noch Personenzüge, denn dieser Streckenabschnitt war in dieser Zeit zumindest zwischen Malsfeld und Oberbeisheim noch sehr stark frequentiert, vor Allem im Güter- und Berufsverkehr.
Aber so weit war es noch nicht!
Zunächst sollte am 11. März 1973 noch einmal ein historischer Dampfzug der Kasseler Eisenbahnfreunde mit dem Hessencourier durch Waldkappel fahren, der von einer Lok der Baureihe 24 gezogen wurde, der 24 009. Diese Baureihe wurde zwischen den Jahren 1931 und 1945 auf der Strecke zwischen Treysa und Leinefelde oft gesehen, da in Treysa einige Maschinen dieser Baureihe beheimatet waren. So kam es, dass man diesem Dampfzug in Waldkappel auch eine erhöhte Aufmerksamkeit entgegen brachte. Heinrich Vollmann zwängte sich vor dem Eintreffen des Zuges in eine ihm viel zu enge historische Uniform, dann rauchte er auf dem Bahnsteig noch schnell eine Zigarre, wobei er mit den reichlich vorhandenen Zuschauern auf das Eintreffen des Sonderzuges wartete. Nach dem Halt des Zuges in Waldkappel gab Heinrich Vollmann wie in alten Zeiten das Abfahrtssignal für den Zug mit Kelle und Trillerpfeife.
Außer der Sonderfahrt mit der 24 009 fanden während der letzten Betriebsjahre des Streckenabschnitts auch noch weitere Sonderfahrten mit historischen Lokomotiven statt, so die Sonderfahrt mit einem alten Triebwagen der Baureihe VT 60 und einer Fahrt mit der Diesellokomotive 236 114-5 des Hessencouriers, die am 24. März 1974, nur wenige Wochen vor der Streckenstilllegung, stattfand.
Nachdem die Resolution des Stadtparlaments von Waldkappel so wie die Intervention von einigen Politikern nichts gebracht hatte, dümpelte der Verkehr auf der Strecke zwischen Waldkappel und Malsfeld so vor sich hin und die meisten Reisenden sahen sich nach einer anderen Fahrgelegenheit um. Nur die Schüler hatten keine Alternative, sie benutzten den Triebwagen, so lange es noch möglich war.
In Waldkappel gibt es da einen Stammtisch, der überwiegend aus Angehörigen der Feuerwehr besteht und für viele Streiche zu haben ist. Dem Stammtisch »Rotes Horn« haben wir es zu verdanken, dass die Kanonenbahn einen würdigen Abschied bekam, aber darüber erfahren wir im nächsten Kapitel.
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Autor: Hermann Josef Friske
Der Bahnhof Waldkappel bis zur heutigen Zeit
Nur wenige Tage, nachdem der letzte Zug den Bahnhof Waldkappel in Richtung Malsfeld verlassen hatte, wurde der Bahndamm wenige Meter hinter dem Bahnhof auf einer Länge von etwa 100 Metern in seiner Höhe drastisch reduziert und etwa weitere 200 Meter völlig abgetragen, um für die neue Bundesstraße 7 Platz zu schaffen. Die beim Wegreißen des Bahndammes anfallenden Erdmassen wurden zum Auffüllen der neuen Bahnhofstraße verwendet.
Seit dem 26. Mai 1974 war der Bahnhof Waldkappel nur noch Durchgangsbahnhof, einer von vielen, die an der Strecke von Eschwege nach Kassel lagen. Das Fahrgastaufkommen am Bahnhof Waldkappel sank schon aus der Angst der Waldkappeler Einwohner heraus, dass ihnen auch diese Zugverbindung vermutlich bald genommen würde. Daher begannen die Bürger der Stadt und aus dem Umland damit, sich um zu orientieren und stiegen daher um, auf den Bus oder den eigenen PKW.
Die Anlieferungen im Güterverkehr dürften in den letzten Betriebsjahren des Bahnhofes auch recht dürftig gewesen sein, da der Bahnspediteur Willi Röß das Frachtaufkommen locker mit seinem Pferdegespann bewältigen konnte. Nur die angelieferten Waggonladungen konnte Willi Röß natürlich nicht abtransportieren, sie wurden per LKW abgefahren.
Durch die sinkende Zahl der Züge infolge des Wegfalls der Zugverbindung zwischen Eschwege und Treysa, verbunden mit stagnierenden Fahrgastzahlen, ging eine Reduzierung der Öffnungszeiten des Fahrkartenschalters einher.
Die Züge verkehrten nach der völligen Stilllegung der Strecke zwischen Waldkappel und Spangenberg noch für weitere 11 Jahre auf der Bahnlinie zwischen Eschwege und Kassel. Schließlich kam im Mai 1985 dann auch dort das schon lange befürchtete »Aus« auch für diese Strecke. So fuhr dann schließlich am 31. Mai 1985 der Abschiedszug mit der letzten Zugkreuzung im Bahnhof Waldkappel auf der Strecke. Am gleichen Tag fuhr dann noch ein allerletzter Triebwagen, danach gab es auch zwischen Eschwege und Kassel keinerlei Personenverkehr mehr.
Nachdem die Strecke für den Personenverkehr geschlossen worden war, fuhr zunächst noch einmal wöchentlich eine Kleinlok mit Güterwagen bis nach Waldkappel, da die Strecke für den Güterverkehr zunächst noch offen blieb. Aber auch dieser Verkehr reduzierte sich ständig. In den letzten Jahren fuhr man nur noch einmal im Monat, dann nur noch nach Bedarf.
Das endgültige Aus für den Güterverkehr kam dann am 1. Januar 1993, der Tag der offiziellen Stilllegung ist jedoch nicht bekannt.
Während der 8 Jahre, in denen nur noch Güterverkehr stattfand, begann sich der Zustand des Bahnhofsumfeldes und der Gleise, die nun nicht mehr benötigt wurden, langsam aber stetig zu verändern, überall begann sich Bewuchs und Zerstörung breit zu machen. Das betraf die Kanonenbahnseite noch mehr als die Kasseler Strecke.
Nachdem von Waldkappel aus keinerlei Züge in Richtung Walburg mehr fuhren, da dieser Streckenabschnitt sofort nach Beendigung des Personenverkehrs am 1. Juni 1985 offiziell stillgelegt wurde, bauten sich einige junge Männer aus Waldkappel ein Schienengefährt, das aus zwei Einheiten bestand, nämlich einem Motorwagen und einem mit Sitzbänken ausgestatteten Anhänger. Hiermit befuhr man an den Wochenenden von Waldkappel aus die Strecke in Richtung Kassel bis nach Küchen. Nachdem die jungen Männer aber auf die Unrechtmäßigkeit ihres Treibens und die verkehrsrechtliche Unsicherheit hingewiesen worden waren, beendeten sie ihre Ausflüge per Schienenfahrzeug an den Wochenenden. Das Gefährt stand bis im Sommer 2005 noch auf dem Abzweiggleis zum ehemaligen Lokschuppen und rostete vor sich hin. Das Fahren mit dem Gefährt war nicht mehr möglich, da vor und hinter dem Fahrzeug auf den Gleisen inzwischen dicke Bäume wachsen.
So finden wir heute den ganzen Bahnhofsbereich vor, man glaubt, im Urwald zu stehen. Im Januar und Februar 2005 wurden die Gleise im östlichen Bereich in Richtung Eschwege bis hin zu den einstigen Ein- und Ausfahrtsignalen massiv abgeräumt, nur jenseits der Signale liegen sie noch.
Das Gefährt ist inzwischen verschwunden, es hatte sich jedoch jemand gefunden, der das Gefährt aufarbeiten wollte, um es danach selbst für die Draisinenstrecke bei Bischhausen in Gebrauch zu nehmen, jedoch wird daraus nichts mehr. Die Signale, Schrankenanlagen und Telegrafenmasten werden nach und nach in die Lengenfelder Draisinenstrecke integriert.
Der Bahnhofsbereich, der vor der Feldwegüberführung bei km 61,49 begann und erst an der in Richtung Waldkappel führenden Straße bei km 62,45 endete, verfügte über recht lange Gleise, denn dazwischen lagen immerhin etwa 950 Meter, das bedeutet, dass der Bahnhof auch Verschiebebahnhof war und auch lange Züge aufnehmen konnte. Das war für die oftmals sehr langen Militärzüge auch wichtig, damit sie von schnelleren Zügen üüberholt werden konnten.
Das Stellwerk »Wo«, von dem inzwischen nur noch geringe Reste in Form von Grundmauern zu finden sind, stand an Km 61,755 und befand sich in Fahrtrichtung rechts hinter dem zwischenzeitlich nicht mehr vorhandenen Holzstoss aus Bahnschwellen.
Die Strecke nach Kassel zweigte bereits bei km 61,65 nach rechts von der Kanonenbahn ab und endete hier von Kassel her gezählt mit dem km 50.
Gegenüber dem Bahnhofsgebäude stand auch im März 2006 noch eine eingezäunte Gegensprechanlage mit einem Mikrofon. Wurden von hier aus etwa in den letzten Betriebsjahren auch die notwendigen Lautsprecheransagen getätigt?
In Waldkappel pflegt der dort ansässige Museumsverein auch das örtliche Heimatmuseum, in dem auch einige Ausstellungsstücke und Bilder aus der Betriebszeit der Kanonenbahn gezeigt werden, unter anderem auch eine Sackkarre, die noch bis zum letzten Betriebstag des Bahnhofs Waldkappel in Gebrauch war.
Wie an vielen Bahnhöfen entlang der Kanonenbahn wurde die Zufahrtsstraße zum Bahnhof auch in Waldkappel in Form einer Allee ausgeführt.
Das Bahnhofsgebäude war nach der Stilllegung für einige Jahre vermietet, steht aber inzwischen seit vielen Jahren leer. Offensichtlich steht das Gebäude zum Verkauf, aber wer könnte sich für ein vernachlässigtes Gebäude in desolatem Umfeld interessieren? Im Inneren kann man immer noch die Einrichtung vom Schalterraum bewundern.
Die Güter-Freiladegleise besaßen eine eigene Zufahrt, die vom Ort her gesehen noch einige Meter vor der Bahnhofsauffahrt zu den Ladegleisen hinauf führte. Diese Gleise, von denen inzwischen nur noch Reste vorhanden sind, endeten direkt vor der heute noch vorhandenen Brücke am Ende des Bahnhofs, wo noch eine von einstmals zwei Verladerampen erhalten ist.
Dort befindet sich auch der noch erhaltene Sockel von der Bahnhofsflak aus dem 2. Weltkrieg. Viel genutzt hatte die Flak bekanntlich nicht.
Auf der Zufahrt zu den Freiladegleisen steht bis heute noch das alte Lademaß, obwohl das zugehörige Gleis inzwischen abgebaut wurde.
Nur wenige Meter rechts vom Freiladegleis endet heute ein letztes noch vorhandenes Stück vom Kanonenbahngleis kurz vor dem letzten erhaltenen Kilometerstein bei Km 62,4 auf dem Bahnhofsgelände. Die gekreuzten Balken sind inzwischen in sich zusammen gefallen. Die weiteren Kilometersteine fehlen wegen der Unterbrechung des Bahndammes durch die B 7.
Die Brücke am Ende des Bahnhofs bei km 62,45 war ursprünglich auch eine Unterführung, wie man noch auf alten Stadtansichten erkennen kann. Diese wurde jedoch entweder nach dem Inferno auf dem Bahnhof im Jahre 1945 in Mitleidenschaft gezogen oder sie wurde umgebaut, weil der Durchlass für den wachsenden Verkehr zu eng geworden war. Vor der Unterführung scheint ursprünglich eine hohe und starke Mauer den Damm der Kanonenbahn am Ende des Bahnhofs gestützt zu haben. Hinter der heute nicht mehr existierenden Brücke, von der inzwischen lediglich noch der Sockel des hinteren Widerlagers erhalten ist, wurde die Trasse bis zum Einschnitt an der B 7 teilweise abgetragen. Sie wurde ebenso wie die Brücke im Jahre 1974 entfernt.
Erst hinter der Bundesstraße ist die Trasse wieder in voller Höhe erhalten, jedoch liegen hier nun keine Gleise mehr.
Anders sieht es auf der Strecke in Richtung Kassel aus. Diese ist ab dem Bahnhofsgebäude noch fast vollständig erhalten, sogar die Ausfahrtssignale in dieser Richtung stehen noch, nur die Brücke am Ende des Bahnhofs liegt hinter dem inzwischen abgetragenen westlichen Widerlager auf den Gleisen, denn sie wurde nur demontiert, da die hoch beladenen LKW der Firma Holz-Otto sonst nicht unter der Brücke hindurch gepasst hätten.
Auf dem Gelände des heutigen Schrottplatzes ist das Gleis zum ehemaligen Lokschuppen noch bis zu der Stelle erhalten, an der sich einmal die Drehscheibe befand.
Selbst, wenn der Bahnhof einmal total verschwunden sein sollte, werden die Namen der Straßen, die bis heute zum ehemaligen Bahnhof hin führen, wohl als Erinnerung an Waldkappels große Zeit erhalten bleiben.
Zu erwähnen bleibt noch, dass das westliche Widerlager an der Ausfahrt in Richtung Kassel im Frühjahr 2012 abgerissen wurde, da die Straße zum Gossmannsring verbreitert wurde und die Stadt Waldkappel am ehemaligen westlichen Widerlager einen Bauhof errichtet hat.
In Richtung Kassel ist die Bahntrasse mittlerweile ebenfalls vielerorts durch den Bau der neuen Autobahn unterbrochen, auch die Brücke, auf der im Jahre 1898 der Zug nach Kassel entgleist war, ist inzwischen abgebrochen.
Weiter zu Teil 67: Zwischen Waldkappel und Burghofen
Autor: Hermann Josef Friske
Der Bahnhof Burghofen bis 1945
Nachdem am 2. November 1872 zwischen Waldkappel und Spangenberg mit den Vermessungen für die Bahnlinie begonnen wurde, kam dann im folgenden Jahr Leben in die sonst verschlafenen Dörfer Burghofen und Schemmern, weil im Frühjahr 1873 dann mit den ersten Bauarbeiten für die Bahn begonnen wurde. Dadurch kam es zu ersten Einquartierungen in den beiden Orten.
Da in deren Gemarkung auch ein Bahnhof errichtet werden sollte, gab es im Plan ein Kuriosum, das damit endete, dass das Bahnhofsgebäude auf Burghofener Grund lag und der Güterschuppen, der Holzlagerplatz und die Gütergleise mit der Laderampe sich in der Gemarkung von Schemmern befanden. Ganze 50 Meter trennten den Bahnhof davon, Bahnhof Schemmern zu heißen, nur weil das Empfangsgebäude auf Burghofener Grund und Boden lag.
Beschwerden über die Trassenführung selbst scheint es nicht gegeben zu haben, aber Schemmerns damaliger Bürgermeister Heinrich Brandau, sowie dessen Nachfolger Jakob reisten mit ihren Gemeindevertretern mehrmals zum Planungsbüro nach Treysa, um auch das Bahnhofsgebäude nach Schemmern zu bekommen, aber es blieb beim ursprünglichen Plan des »geteilten« Bahnhofs.
Unter den am Bahnbau beschäftigten Arbeitern befand sich auch der Urgroßvater des früheren Ortsvorstehers Gerhard Franz aus Burghofen. Dieser wurde in Gottsbüren im Reinhardswald geboren, war in Schemmern hängen geblieben und hatte während des Bahnbaues dort eingeheiratet. Der weitaus größte Teil der am Bahnbau im Raum Burghofen beschäftigten Arbeiter stellten die Italiener. Dieses starke Kontingent an italienischen Arbeitern rührte wohl daher, weil auch ein Tunnel gebaut werden musste und diese Spezialisten im Tunnelbau waren.
Bei den ausländischen Arbeitern am Bahnbau war immer etwas los und in den Gaststätten der Umgebung wurde so mancher »Strauß« ausgespielt. Je mehr Bauarbeiter kamen, desto mehr Gaststätten und Kantinen gab es in den Dörfern. Ab 1875 gab es dann auch Kantinen an der Trasse und am Tunnel, die die Arbeiter dort an Ort und Stelle mit Speisen und Getränken versorgten. Aber nicht nur die Wirte profitierten vom Bahnbau, sondern auch andere Handwerker und Geschäftsleute machten in den Jahren gute Geschäfte. Da sind vor allem Schmiede, Wagenbauer, Schneider, Schuster und Fuhrleute zu nennen.
Der damalige Pfarrer von Schemmern konnte ein Lied davon singen, dass der Bahnbau den Menschen im Dorf nicht nur zum Segen gereichte, sondern durch das verschwenderische Leben, das infolge der einsetzenden guten Verdienste nun begann, viele Handwerker in tiefe Verschuldung oder sogar den Ruin getrieben hatte. Der Pfarrer war seinem mühseligen Amt im Orte, das mit der Betreuung mehrerer »Filialen« verbunden war, die nur über beschwerliche Wege zu erreichen waren, nicht gewachsen und hatte sich nach nur 5 Jahren in Schemmern um eine andere leichtere Pfarrstelle bemüht.
Ebenfalls im Jahre 1875 kam es während des Bahnbaues zur Errichtung der ersten Bahnhäuser. Da ist zunächst das Doppelhaus in der Plätsche 5 und 7 zu nennen, das zunächst als Büro und Lager gedient hatte und in denen nach Beendigung der Bauarbeiten Eisenbahner vom Bahnhof Burghofen gewohnt hatten.
So wohnte in der Plätsche 5 zunächst ab dem Jahre 1879 der Bahnwärter Joh. Schneider mit seiner Frau Erna, geb. Heil. Der nächste Bewohner wird schon im Jahre 1882 mit dem Bahnwärter Georg Adam mit seiner Frau Barbara, geb. Schäfer, genannt. Ihm folgte im Jahre 1888 der Bahnwärter Jakob Görke mit seiner Frau Elise, geb. Seibert. Im Jahre 1896 wurde als Wohnungsinhaber der Weichensteller Josef Arke mit seiner Frau Karoline, geb. Münscher, genannt. Ihnen folgte noch im Jahre 1910 Linnenkohl, im Jahre 1921 Pfeil, im Jahre 1932 Reichmann und im Jahre 1935 folgte noch Jakob Schenk mit Frau Anna, geb. Aschenbrenner. Ob die zuletzt genannten Namen auch Eisenbahner waren, geht aus der Unterlage nicht hervor. Im Jahre 1938 trennte sich die Reichsbahn schließlich durch Verkauf von dem Gebäude.
Im Nebengebäude In der Plätsche 7 wohnte ab dem Jahre 1879 der Bahnwärter Josef Oppelt mit seiner Frau Marie, geb. Gunkel. Im Jahre 1884 folgte der Weichensteller Wilhelm Pense mit Frau Wilhelmine, geb Beinebach. Im Jahre 1891 war wieder ein Wechsel zu verzeichnen. Für W. Pense kam mit dem Bahnwärter Beuermann und seiner Frau Martha, geb. Ruelberg ein neuer Bediensteter ins Haus. Diesem folgte dann im Jahre 1903 der Bahnwärter Hubner, im Jahre 1912 der Bahnwärter Angersbach, der im Jahre 1922 nach Mörshausen an den dortigen Schrankenposten versetzt wurde. Im gleichen Jahr kam mit Karl Geßner und Frau Elise, geb. Trinter ein Nachfolger ins Haus, bei dem es nicht sicher ist, ob er Eisenbahner war, bevor die Reichsbahn das Gebäude im Jahre 1938 anscheinend an August Geßner und seiner Ehefrau Hedwig geb. Siebald veräußert hatte.
Die beiden Gebäude stehen heute noch, sie sind aber nicht mehr als Bahnhaus zu erkennen, da im Laufe der Jahre etliche An- und Umbauten erfolgt sind.
Das dritte Gebäude entstand im Fischbach direkt hinter der Bahnunterführung bei km 69,01. Es wurde vom Gastwirt Münscher als Behelfshaus für eine Kantine während des Bahn- und Tunnelbaues im Jahre 1875 errichtet, wo gleichzeitig ein Materiallager für den Gleis- und Tunnelbau entstand. Nachdem das Grundstück schließlich im Jahre 1890 durch Heinrich Arnecke erworben wurde, entstand dort auch ein Wohn- und Wirtschaftsgebäude. Als im Jahre 1930 Heinrich Mänz nach noch einer weiteren Veräußerung schließlich das Anwesen erwarb, entstand dann der noch heute gebräuchliche Name für das Gehöft. Seitdem ist daraus der »Mänzer Hof« geworden, da dieser sich bis in die heutige Zeit im Besitz der Familie befindet.
Der Bahnhof Burghofen war einer der alten Bahnhöfe entlang des Kanonenbahnabschnittes zwischen Leinefelde und Treysa und wurde am 15. Mai 1879 gemeinsam mit dem Streckenabschnitt von Waldkappel bis Malsfeld als Bahnhof 4. Klasse seiner Bestimmung übergeben. Allerdings war er wohl der kleinste Bahnhof an diesem Abschnitt und befand sich bei km 68,50 in einer Höhe von 306 Meter über NN.
Am Eröffnungstage selbst fuhr der erste Zug von Waldkappel her kommend morgens um 6:30 Uhr im Bahnhof Burghofen ein, worauf um 9:30 Uhr der erste Zug aus Richtung Spangenberg folgte.
Die Fertigstellung des Bahnhofsgebäudes lag nicht im Limit und war ebenso wie die Güterrampe zum Zeitpunkt der Streckeneröffnung noch nicht fertig gestellt. Trotzdem lief der Zugbetrieb an.
Der Bahnhof lag abseits gelegen inmitten eines Umfeldes von kleinsten Dörfern und hatte daher wirtschaftlich keine größere Bedeutung zu erwarten, nur die Dorfbewohner aus der Umgebung benutzten ihn, um mit der Bahn zu ihrer Arbeitsstätte in der Städten Kassel, Eschwege oder Waldkappel zu gelangen, um ihre handwerklich gefertigten Produkte an den Mann oder die Frau zu bringen beziehungsweise, um dafür Rohmaterialien zu erwerben. Das größte Frachtaufkommen, das hier verladen wurde, waren land- und forstwirtschaftliche Produkte, die sich schon bald nach der Eröffnung der Strecke als das Rückgrat des Frachtaufkommens am Bahnhof entwickelten. Diese bestanden aus Kartoffeln und Getreide, überwiegend aber wurde am Bahnhof Burghofen Holz verladen. Entladen wurde hier vor allem Kohle, Baumaterialien aller Art und gelegentlich eine Maschine, Ersatzteile und Stückgut.
Mit dem Bahnhof erhielten die Dörfer Schemmern und Burghofen den Anschluss an die große weite Welt.
Dieser wurde vor allem montags stark von Arbeitern frequentiert, die mit der Bahn nun ihren Arbeitsplatz in Kassel oder Eschwege leichter und schneller erreichen konnten. Da die Arbeiter über die Woche überwiegend am Arbeitsort übernachteten, war der Betrieb am Bahnhof an den restlichen Werktagen vergleichsweise gering.
Am Bahnhof gab es direkt vor dem Empfangsgebäude bei km 68,5 einen 102 Meter langen Bahnsteig, während der Zwischenbahnsteig etwas weiter nach rechts in der Mitte zwischen dem Streckengleis und dem Begegnungsgleis zwischen km 68,45 und km 68,57 gelegen, sogar eine Länge von 115 Metern besaß. Auf dem Zwischenbahnsteig befand sich zumindest noch Ende der 1920er Jahre ein Postenhäuschen, wie auf der Postkarte ersichtlich, zu dem auch vom Empfangsgebäude her eine Fernsprechleitung hin führt. Bereits bei km 68,28 trennte sich das Streckengleis vom Begegnungsgleis noch vor dem Bahnhof mittels der ersten Weiche. Bei km 68,45 befand sich am Ende der Bahnhofsauffahrt der Bahnhofsgarten, an den sich das Spritzenhaus mit den Stallungen anschloss, während das Toilettenhaus direkt am Anfang des Hausbahnsteiges stand. In diesem Gebäude soll auch die Feuerwehrspritze untergebracht gewesen sein. Die Grundmauern davon sind bis heute zu sehen. In der Mitte der Zufahrtsstraße befand sich auch die mit einer Laterne versehene Müllgrube und vor den Stallungen stand zum Bahnsteig hin das Gartenhaus. Bei km 68,55 ging die erste Bahnhofsweiche vom Streckengleis nach links zu den beiden Gütergleisen, den Gleisen 3 und 4, ab, um mit einer weiteren Weiche in den Gütergleisen bei km 68,64 einzumünden. Das Gleis 3 endete vor dem Güterschuppen, das Gleis 4 an der Freiladerampe bei km 68,8. Auf Gleis 3 stand nur wenige Meter hinter dem Güterschuppen das Lademaß vom Bahnhof Burghofen. Hinter der Gemarkungsgrenze zwischen Burghofen und Schemmern bei km 68,71 ging von Gleis 4 bei km 68,73 eine weitere Weiche ab, die bei km 68,85 hinter der Güterrampe wieder in das Streckengleis einmündete. Bei km 68,84 mündete das Begegnungsgleis 2 wieder in das Streckengleis in Richtung Spangenberg ein.
Aus den ersten Betriebsjahren blieb eine Anekdote aus der Umgebung des Bahnhofs erhalten: In der Zeit, als hier die ersten Züge fuhren, hat es eine längere Schlechtwetter-Phase gegeben. Wie heutzutage die Flugzeuge und Raketen Schuld am schlechten Wetter sind, waren es damals die dampfenden und zischenden Lokomotiven. Ein Bauer aus dem Schemmergrund, der sich Sorge um seine Ernte gemacht hat, soll gesagt haben: »Des kimmet aales nur vom verreckten Damp, deen de neie Isenboone in de Looft mecht.«
Im Bahnhofsgebäude von Burghofen gab es auch eine Bahnhofsgaststätte, die aber schon sehr früh, bereits kurz vor Beginn des Ersten Weltkriegs einging, vermutlich aus Mangel an Gästen. Sie befand sich vermutlich im linken Trakt des Empfangsgebäudes, in dessen Räumen in späteren Jahren Dienstwohnungen untergebracht waren.
Nach der Betriebseröffnung des Bahnhofes Burghofen gab es zunächst nur eine Straßenverbindung von Burghofen her zum Bahnhof, die Bauern und Handwerker aus Schemmern und den umliegenden Orten mussten ihre Fracht über Burghofen oder den Fischbach zum Bahnhof bringen. Für die Bahnreisenden von dort gab es an der Flurgrenze zwischen Schemmern und Burghofen allerdings einen Trampelpfad. Diesem Zustand wurde erst im Jahre 1904 ein Ende gesetzt, als endlich von Schemmern her eine Straße zum Bahnhof gebaut wurde, die im wesentlichem dem alten Trampelpfad folgte und die mit der Straße, die von Burghofen her zum Bahnhof führte, verbunden wurde. Daraufhin wurde im Jahre 1906 schließlich die herrliche Ahornallee an der Bahnhofstraße angepflanzt, die bis heute existiert.
Zugkreuzungen gab es am Bahnhof Burghofen vor dem Ersten Weltkrieg um das Jahr 1910 herum etwa vier bis fünfmal am Tag.
Da die Dorfbewohner, die damals noch viele Kinder hatten, waren die Eltern in der Zeit froh, wenn sie einige ihrer Töchter nach Kassel oder in andere Städte als Hausmädchen »in Stellung« geben konnten. Da diese Mädchen durch ihre Lehrherren auch Unterricht in Sprache und Anstand erhielten, redeten diese bald nur noch hochdeutsch und nicht mehr das ortsübliche Plattdeutsch. Daher fühlten sich diese Mädchen, denen aus dem Ort haushoch überlegen.
In diesem Zusammenhang wird in Schemmern eine Anekdote erzählt, bei der der damalige Bahnhofsvorsteher Klebe eine Rolle spielt. Da heißt es:
Es war an einem Samstag-Nachmittag, als ein in Stellung befindliches Mädchen mit dem 1/2 4 Uhr-Zug aus Richtung Waldkappel kommend, am Bahnhof Burghofen ausstieg, während der Gegenzug aus Spangenberg bereits auf dem Überholgleis wartete. Nachdem das Mädchen den Bahnhofsvorsteher in ein längeres Gespräch verwickelt hatte, stellte dieser fest, dass beide Züge noch im Bahnhof standen. Daraufhin schnappte er, diensteifrig wie er war, seine Kelle und sagte zu ihr mit der Stimme eines Beamten: »Warte einen Moment, ich muss erst mal einen fahren lassen.« Worauf er zum Bahnsteig eilte.
Das Mädchen war sichtlich entsetzt über die ungepflegte Aussprache des Beamten. Daraufhin verließ sie die Nase rümpfend den ungehobelten Klotz und begab sich auf den Weg zu ihren Eltern.
Nachdem im August 1914 der Erste Weltkrieg ausgebrochen war, wurde überall im Land die Latrinenparole verbreitet, dass sich etwa 25 französische Autos im Land befänden, dessen Fahrer Geld nach Russland bringen sollten. Daraufhin befahl der Landrat des Kreises Eschwege, jedes verdächtige Fahrzeug anzuhalten und siehe da, eines Tages kam tatsächlich auf der Straße von Waldkappel her ein solches Automobil ohne Nummernschild angefahren. Sofort wurde die Straße unmittelbar vor dem Dorfeingang von Schemmern mit einem Erntewagen versperrt und die Insassen des Kraftfahrzeuges kontrolliert, die aus einem Hauptmann und zwei gemeinen Soldaten bestanden. Obwohl sich der Hauptmann ausweisen konnte, glaubte man, der Ausweis sei gefälscht. Als es dann beinahe zu tätlichen Ausschreitungen zwischen den beiden Parteien gekommen war, wurde der Gendarm aus Waldkappel hinzu zitiert, der die Angelegenheit dann aufklärte. Der Königliche Landrat war zufällig ebenfalls vor Ort und wollte gerade die Bahnwachen kontrollieren, als sich der Hauptmann bei ihm über das Verhalten der Bevölkerung beschweren wollte. Darauf soll der Landrat ihm geantwortet haben, dass er, der Hauptmann, die Situation durch sein Auftreten und Benehmen gegenüber den Leuten selbst herbeigeführt hätte. Außer dem Hauptmann wurden auch noch etliche harmlose Landstreicher ein Opfer dieser Latrinenparole.
Am Ortseingang von Schemmern standen zeitweilig zwei Wachposten mit geladenen Gewehren. Dabei sollen einige dieser Gesellen unschuldig ums Leben gekommen sein. Dabei hatte auch das Kirchspiel Schemmern ein Opfer zu beklagen, wobei der aus Eltmannsee stammende 19-jährige Joh. Klaus um sein junges Leben gebracht wurde. Er war gerade auf Wache an einer Eisenbahnbrücke bei Berneburg an der Bebra-Göttinger Eisenbahn, während sein Kollege aus Diemerode zum Spaß auf ihn anlegte und ihn tödlich traf, als sich dabei ein Schuss gelöst hatte.
Die französische Standuhr aus dem ehemaligen Museum im Bahnhof Eschwege-West, die in den Jahren 1879/1880 zur Grundausstattung aller Kanonenbahnbahnhöfe gehört hatte, die heute in einem Eschweger Depot aufbewahrt wird und auf einen neuen Ausstellungsplatz in einem der Eschweger Museumslandschaft zugeordneten neuen Eisenbahnmuseum wartet, stammt aus dem Bahnhof Burghofen.
Sie hat bis zur Stilllegung der Bahn hier stets zeitgenau ihren Dienst versehen. Diese Uhr war mittels eines Gestänges und einem komplizierten Mechanismus, von dem auch noch Teile erhalten sind, direkt mit der außen angebrachten Bahnhofsuhr verbunden. Daher konnten beide Zifferblätter stets exakt die gleiche Zeit anzeigen. Diese Uhr ist seitdem leider verschollen.
Im Jahre 1929 als Bahnhof 4. Klasse eingestuft, verfügte der Bahnhof Burghofen als kleinster Bahnhof an der Strecke nur über ein geringes Verkehrsaufkommen, während Bahnhöfe wie Waldkappel oder Spangenberg, die ein wesentlich höheres Frachtaufkommen besaßen und über ein größeres Fahrgastpotential verfügten, als solche dritter Klasse eingestuft wurden und diese daher auch mit einem höheren Personalbestand ausgestattet waren.
Anfang der 1930er Jahre ließ der Burghofener Gastwirt Karl Borschel eine Postkarte erstellen, auf der nicht nur die Gastwirtschaft, sondern auch eine Dorfansicht sowie der Bahnhof abgebildet wurde. Auf diesem Bild sind eine ganze Reihe heute nicht mehr bekannte Details zu erkennen.
Am 14. November 1934 wurden am Bahnhof Burghofen 192 Zentner Kartoffeln verladen, die für das Deutsche Winterhilfswerk gespendet worden waren.
Im Jahre 1937 wurde Heinrich Knierim zum Bahnhofsvorsteher von Burghofen ernannt. Am Telefon meldete er sich immer mit einem tiefen kehligen lang gezogenen »Kniiie-riiiem mit Knie wie Knie und Riem wie Riemen«. In seiner Freizeit war er Bienenzüchter und so hatte er seine Bienenstöcke offenbar auf einer Wiese zwischen dem Überholgleis und dem Waldrand stehen, die mit zum Gelände des Bahnhofes gehörte. Die Buchsbäumchen, die vor den Bienenstöcken standen, hatte er akribisch zu dem Spruch in Form gebracht: »Volk flieg« Heute lässt sich nicht mehr sagen, ob dieser Spruch nicht auch etwas ironisch auf das Zeitgeschehen zu Beginn des Zweiten Weltkriegs gemünzt war.
Schon lange hatte die Bevölkerung der Orte an der Kanonenbahn es geahnt und auch befürchtet, mit dem 26. August 1939 wurde es zur Gewissheit. Die ersten 17 voll ausgebildeten Soldaten aus Schemmern bekamen ihren Bescheid, sich bei ihrer Einheit zu melden. In der folgenden Nacht wurde dann in einer sprichwörtlichen Nacht- und Nebel-Aktion in Schemmern die Shell-Tankstelle beschlagnahmt und sofort darauf entleert.
Am Tag darauf, den 27. August, trafen auf Leiterwagen die ersten Flüchtlingsfamilien in Schemmern ein, die aus Windsberg in der Saarpfalz, das heute Rheinland-Pfalz liegt, kamen, einem Ort im damaligen Saarpfälzer Grenzgebiet. Die 162 Personen waren von dort evakuiert worden und mit einem Transport nach Waldkappel gelangt, wo sie gemeinsam mit Einwohnern aus Ensheim entladen worden waren, bevor sie nach Schemmern weiter geleitet wurden.
Während die Orte Schemmern und Burghofen die Zeit des 2. Weltkriegs relativ unbeschadet überstanden hatten, kam in der Phase des Vormarsches der amerikanischen Streitkräfte um den 1. April 1945 die ganze Gewalt des Krieges über die beiden Dörfer herein. Schemmern war voll mit deutschen Soldaten belegt, deren Hauptmann der Infanterie nichts Besseres zu tun hatte, als seine Akten im Badeofen des Pfarrhauses zu vernichten. In der Nacht vom 29. auf Karfreitag, den 30. März 1945 verließen die auf dem Rückzug befindlichen deutschen Soldaten fluchtartig den Ort, da die Amerikaner bereits an der Stölzinger Höhe und am Eisberg in der Nähe des Eisenbahntunnels um die Überfahrt des Gebirges kämpften. An der Stölzinger Höhe hatten die deutsche Wehrmacht gemeinsam mit RAD-Männern Panzersperren angelegt, die dann vergeblich versucht hatten, die Amerikaner dort aufzuhalten. Es kam zu einem kurzen Gefecht, bei dem die beiden Orte Gehau und Eltmannsee beinahe zerstört worden waren. Die Amerikaner machten kurzen Prozess, schossen die deutschen Panzer nebst Besatzung sowie die RAD-Männer einfach zusammen, bevor sie ihren Weg ins Tal der Schemmer fortsetzten. Dabei trieben die Amerikaner versprengte deutsche Landser vor sich her, die sich zu Fuß oder mit Pferdewagen auf der Flucht befanden. Von Spangenberg her durchquerte am Mittag noch ein langer Zug mit russischen Kriegsgefangenen den Ort. Unter der Dorflinde und auf dem Hof von der Schiede Werner wurden die Gefangenen noch einmal aus Feldküchen verpflegt. Im Dorf standen an allen möglichen und unmöglichen Stellen verlassene Munitionsfahrzeuge sowie Proviantwagen herum, während feindliche Flugzeuge ständig über dem Ort kreisten. Schließlich luden diese Flugzeuge ihre Bombenlast über dem Ort ab, bei dem etliche Gebäude total zerstört wurden. Das Chaos im Ort war perfekt, deutsche Soldaten und russische Kriegsgefangene rannten schutzsuchend planlos umher, während der Ortspfarrer Paul Riemann noch Akten und Kirchenbücher aus dem Pfarrhaus in Sicherheit brachte. Es war wie ein Wunder, dass bei dem Angriff keine Verletzten oder sogar Tote zu beklagen waren.
Als Pfarrer Riemann am späten Samstagnachmittag des 31. März in den Garten des Pfarrhauses ging, sah er am östlichen Horizont einen riesigen Rauchpilz emporsteigen, worauf er sich keinen rechten Reim machen konnte. Erst später erfuhr er, was es mit dem Rauchpilz auf sich hatte und dass es sich dabei um die Detonation eines Munitionszuges und die totale Zerstörung des Waldkappeler Bahnhofes gehandelt hatte. Soldaten hatten berichtet, dass sie im Krieg viele Trümmerstätten gesehen hätten, aber dass ihnen während des ganzen Kriegsverlaufs keine so radikale Vernichtung unter gekommen wäre.
Am Ostersonntag, den 1. April, wurden Vorbereitungen getroffen, um auf dem Kirchturm und an weiteren Stellen von Schemmern weiße Fahnen aufhängen zu können. Doch da kam erneut ein Tiefflieger und belegte den Ort mit Salven aus seinem MG, wobei erneut ein Hof in Flammen aufging. Dabei hatten die verbliebenen Männer im Ort noch genug damit zu tun, die Brände vom Vortag zu löschen bzw. in Schach zu halten. In der Zwischenzeit hatten die Dorfbewohner überall an den Hausgiebeln und auch auf dem Kirchturm weiße Fahnen angebracht.
Am Ostermontag, den 2. April 1945 konnten ebenso wie am Ostersonntag keinerlei Gottesdienste abgehalten werden, da die Bewohner von Schemmern wichtigere Dinge im Kopf hatten. Lediglich mehrere Taufen, zumeist Haustaufen, konnten in Schemmern abgehalten werden. Als Pfarrer Riemann sich gegen 15 Uhr von der letzten Haustaufe auf den Heimweg machte, waren bereits die ersten amerikanischen Panzerspitzen in den Ort eingefahren und die Fahrer der Jeeps legten gerade an der noch brennenden Schmiede eine Kaffeepause ein, wobei sie das Wasser über den noch brennenden Balken des Gebäudes zum Kochen gebracht hatten. Vor dem Ortseingang hatte der Renitentenpfarrer Schlunk die amerikanischen Truppen darüber informiert, wie sich die Bewohner gegenüber Kriegsgefangenen, Nichtnazis und anderen von offizieller Seite her nicht beliebten Menschen verhalten hatten.
Wahrscheinlich dadurch wurde der Ort im Gegensatz zu Burghofen und Friemen vorläufig nicht besetzt, die jungen Frauen brauchten sich nicht vor den Amerikanern zu verstecken und es mussten auch keine Häuser geräumt werden. Die Truppen durchfuhren Schemmern einfach nur und das geschah ohne Unterbrechung Tag und Nacht von der Stölzinger Höhe her. Somit kann davon ausgegangen werden, dass auch der Bahnhof Burghofen noch am gleichen Nachmittag spätestens gegen 16:30 Uhr von amerikanischen Truppen besetzt worden war.
Weiter zu Teil 69: Das Bahnwärterhaus im Fischbach
Autor: Hermann Josef Friske
Das Bahnwärterhaus im Fischbach
Hinter dem Bahnhof Burghofen führt die Strecke nach der Unterführung zum Mänzer Hof zunächst bis zum km 69,45 fast geradeaus weiter, wo ein Bachlauf unter der Kanonenbahn-Trasse hindurch führt. Bemerkenswert ist die hohe bauliche Qualität dieser kleinen Unterführung. Auf der Südseite zeigt der obere Schlussstein die Jahreszahl 1877, wie es an vielen anderen Bauwerken entlang der Bahn zwischen Leinefelde und Treysa auch der Fall ist, während sich das Portal an der Nordseite bereits stark verwittert zeigt. Hier muss ursprünglich auch eine Inschrift oder Jahreszahl vorhanden gewesen sein, Reste hiervon lassen sich, wenn auch mit Schwierigkeiten, noch erahnen. Während das Portal an der Südseite aus Kalkstein-Gemäuer besteht, wurde das Nordportal aus Sandstein gefertigt.
Die Trasse selbst wurde auf der Strecke zum Tunnel hin so gründlich zurück gebaut, dass sogar der Schotter entfernt wurde und auch keine Kilometersteine mehr zu finden sind. Das Ergebnis ist unter anderen, eine Viehweide mitten auf der Trasse. Teilweise wurde auch ein Feldweg daraus.
Da der Oberbau zwischen dem Bahnhof Burghofen und dem Bischofferöder Tunnel, der auch Eisberg-Tunnel genannt wird, bereits in den 1960er Jahren total marode war, (daher die Rumpelstrecke) wurde in den letzten Betriebsjahrenetwa jede 10. Schwelle erneuert und eine Langsamfahrstrecke mit einer Befahrbarkeit von 10 km/h eingerichtet. Somit konnte die Strecke wenigstens noch befahren werden.
Bei km 70,2 im Fischbachtal stoßen wir auf einen ehemaligen Bahnübergang, der in Anbetracht des dahinter beginnenden Tunnel-Einschnitts und dem in nur etwa 300 Meter entfernten Ostportal des Bischofferöder Tunnels mit einem Strecken- und Schrankenposten versehen war. Das Gebäude des Postens wurde in der Zwischenzeit zwar etwas verändert, ist aber noch gut erhalten und dient heute einer privaten Nutzung als Wochenendhaus.
Auf diesem Grundstück befindet sich noch eine Rarität aus vergangenen Zeiten. Als Schuppen für Holz und ähnliche Dinge fungiert der Kasten von einem alten preußischen Güterwaggon, der nur wenige Meter vor dem Bahnübergang unmittelbar neben der alten Bahntrasse sein Dasein fristet. Vermutlich steht er bereits seit den 1920er Jahren dort und diente damals vermutlich als Kohlenbunker und Geräteschuppen. Ein unleserlicher Kilometerstein steht ebenfalls noch dort, wahrscheinlich der Stein km 70,1.
Dann folgt bei km 70,2 der ehemalige Schrankenposten, den der letzte Schrankenwärter Christian Hubenthal im Laufe der Jahre, in denen er am Posten seinen Dienst leistete, von der DB erworben hatte und bei seinem Wegzug nach Rockensüß im Jahre 1975 an Herrn Benno Gaisendrees aus Gütersloh weiter verkauft hatte.
Das Gebäude wurde im Jahre 1877 von der Preußischen Eisenbahnverwaltung erbaut und im November des gleichen Jahres durch Zimmermeister Johannes Franz aus Schemmern gerichtet. Das Gebäude diente während des Bahnbaues zunächst als Kantine und Lager für den Tunnelbau, bevor es nach der Eröffnung der Strecke seinem eigentlichen Sinn als Schrankenposten zugeführt wurde.
Im Laufe der Jahre versahen folgende Bahnwärter ihren Dienst an der Schranke, die meisten davon hatten auch mit ihrer Familie im Postengebäude gewohnt:
Von 1878 bis 1882 bediente Georg Adam die Schranke am Posten Fischbach. Sein Nachfolger war von 1882 bis 1891 Joh. Schneider. Zwischen 1891 und 1896 war Friedrich Weigelt dort tätig. Noch im Jahre 1896 folgte Hermann Ahlheit, der den Posten bis 1901 versorgte. Im Jahre 1901 kam dann Wilhelm Beuermann an die Reihe, der es bis ins Jahr 1912 dort aushielt. Dann folgte zwischen 1912 und 1923 ein Herr Emme. der Vorname ist leider unbekannt. Im Jahre 1923 war dann Konrad Kalusok an der Reihe, der für 19 Jahre auch während des 2. Weltkriegs die Schranke bediente bis Ende des Jahres 1952, bis im Jahre 1953 mit Christian Hubenthal der letzte Schrankenwärter im Fischbach seinen Dienst antrat, der bis zur Stilllegung der Strecke hier Dienst geschoben hatte und mit seiner Familie auch im Postengebäude gewohnt hatte.
In den letzten Jahren wurden die Schranken laut Aussage von Lokführern nicht mehr geschlossen, weil dort kein Durchgangsverkehr herrschte und am Bahnübergang nur ein Wirtschaftsweg überquert wurde. Die Schranken wurden schließlich Ende der 1960er Jahre, da sie mittlerweile nutzlos geworden waren, abgebaut und durch Warnschilder ersetzt. Vermutlich zur gleichen Zeit wurde auch das Bahntelefon im Gebäude abgebaut.
Doch halt, einen Bahnwärter haben wir aber noch vergessen, das war Friedrich Niemeyer, der am 26. Juli 1879 in Bischofferode die aus dem Ort stammende Katharina Ullrich geheiratet hatte. Friedrich Niemeyer, der aus Trendelburg im Kreis Hofgeismar stammte, hatte vorher beim Bahn- und Tunnelbau an der Strecke mitgearbeitet und wurde nach der Streckeneröffnung als Hilfsbahnwärter für 1,60 Mark am Tag in den Dienst der Bahn übernommen. Weil er mit diesem Gehalt keine großen Sprünge machen konnte, war er wie viele andere Eisenbahner auch, auf das Halten von Vieh angewiesen. So dauerte es nicht lange, und in seinem Stall befanden sich Ziegen, Schweine, Hühner, Gänse und sogar eine Kuh. Das Futter für das Vieh brachte er von den saftigen Wiesen am Fischbach mit, das entweder er selbst oder aber seine Frau Katharina mit der Kötze durch den Tunnel nach Bischofferode transportiert hatte. Da die Arbeit als Hilfsbahnwärter bei den wenigen Zügen pro Tag anscheinend den Tagesablauf nicht ausgefüllt hatte, zähmte sich Niemeyer ein Reh und einen Vogel, damit er am Posten nicht mehr so einsam war. Friedrich Niemeyer wurde nach etwa 5-jähriger Tätigkeit am Posten im Fischbach schließlich am 1. Juli 1884 zum Königlich Preußischen Weichensteller befördert und bekam nun ein Jahresgehalt in Höhe von 600 Mark. Nach weiteren 3 Jahren am Posten wurde er per 1. Juli 1887 als Königlich Preußischer Weichensteller II. Klasse zum Bahnhof Bebra versetzt. Durch seine Versetzung nach Bebra musste Friedrich Niemeyer auch von Bischofferode nach Bebra umziehen. Die Folge war, dass der Viehbestand verkauft werden musste, nur die Ziege durfte mit. Der Umzug selbst wurde mit einem Güterwagen von Spangenberg aus durchgeführt, wo der Hausrat und das Brennholz verladen wurden. Da es eine Weile gedauert hat, bis der Waggon mit dem Hausstand beladen war und der nächste Güterzug in Richtung Waldkappel fuhr, wurde die Ziege mit dem Futter später in Burghofen zugeladen. Da die Ziege aber einfach nicht von Bischofferode bis nach Burghofen laufen wollte, musste Friedrich Niemeyer das Tier schließlich einen Großteil der Strecke tragen. Vom Bahnhof Burghofen aus begleitete Niemeyer den Waggon bis zum Bahnhof in Bebra, während seine Frau mit den Kindern noch zwei Nächte bei deren Eltern verbrachte. Am Tag ihrer Abreise fuhr sie dann mit den Kindern mit dem Personenzug von Bischofferode über Malsfeld nach Bebra. Die neue Wohnung befand sich in Weiterode in einem vierstöckigen Backsteinbau, in dem sich vier Wohnungen befanden, die alle von Eisenbahner-Familien bewohnt wurden. Niemeyer wurde noch im Jahre 1901 zum Königlich Preußischen Weichensteller I. Klasse befördert, bevor er nur wenige Jahre nach seiner Pensionierung am 17. Januar 1912 verstarb. Sein erstes Kind Karl bekam nach der Geburt die Nottaufe und wurde nur 10 Tage alt. Er wurde im Juni 1880 in Schemmern begraben, vermutlich weil sich die Niemeyer zustehende Dienstwohnung in der Gemarkung Schemmern befand.
Hinter dem einstigen Bahnübergang im Fischbach plätschert nur 50 Meter weiter in Richtung Tunnel bei km 70,25 ein Bachlauf über eine künstlich angelegte Kaskade zur Trasse herunter. Ob das früher die Wasserversorgung für das Wohnhaus vom Posten war? Hinter dem Bachlauf ist der Trassenverlauf anfangs noch gut begehbar und das Gleis noch nachvollziehbar, je tiefer man jedoch in den ³Dschungel« zum Tunnel hin vordringt, desto dichter wird das Gestrüpp. Etliche umgestürzte Bäume sind auch dabei.
Schließlich wird unsere Mühe aber doch noch belohnt. Nach etwa weiteren 250 Metern wird das kunstvoll gestaltete Ostportal des Bischofferöder Tunnels, der auch Eisbergtunnel genannt wird, bei km 70,5 sichtbar.
Weiter zu Teil 71: Der Bischofferöder Tunnel
Autor: Hermann Josef Friske
Der Bahnhof Burghofen nach 1945
Der Anstieg zum Bischofferöder Tunnel, der im Volksmund auch Eisbergtunnel genannt wird, als höchstem Punkt westlich der Werra erfolgt auf lang gestreckten hohen Dämmen, die bereits hinter Waldkappel ihren Anfang nehmen und erst kurz vor dem Tunnel in einige Einschnitte übergehen. Der Eisberg selbst erhebt sich mit seinem höchsten Punkt bis in eine Höhe von 583 Metern über NN mit der Wasserscheide zwischen Werra und Fulda, während der Tunnel diesen Teil des Stölzinger Gebirges als Teil des Kurhessischen Berglandes bereits in einer Höhe von 321 Metern über NN durchquert.
Über die Länge des Tunnels, der bei km 70,5 beginnt, streiten sich die Gelehrten, die offizielle Länge beträgt nur 1.503 Meter, andere Quellen sprechen aber von 1.508 Meter, laut eines Artikels von J. Lehwald, Die Tunnelbauten der Strecke Nordhausen-Wetzlar, erschienen in der Zeitschrift für Bauwesen, Jahrgang 1880, beträgt die Tunnellänge lediglich 1.500,6 Meter.
Das Gebirge im Tunnel besteht aus an der Luft schnell verwitterndem Buntsandstein mit einzelnen wetterbeständigen Schichten, die noch zur Hintermauerung Verwendung fanden. An einer Stelle war der Sandstein auf eine Länge von 9 Metern durch eine mit Ton vermischte Sandschicht von bedeutender Mächtigkeit unterbrochen. Durch den größtenteils aus Buntsandstein bestehenden Gebirgszug entstanden beim Bau nur wenig Probleme. Das 9 Meter lange Sohlgewölbe besteht aus rau bearbeiteten Sandsteinquadern.
Die Widerlager und das Gewölbe bestehen aus Bruchstein-Mauerwerk mit hammergerecht bearbeiteten Verblendsteinen, sogenannte Moellons, und dazwischen in 1 Meter bis 1,30 Meter Abständen aus durchgehenden Quaderschichten.
Die Baukosten des Tunnels, der übrigens der drittteuerste am ganzen Streckenabschnitt war, betrugen 2.145.900 Mark, wovon die beiden Portale allein den Betrag von 23.000 Mark verschlangen. Für den laufenden Tunnel-Meter errechnet sich somit ein Betrag von 1.415 Mark. Damit wurde der Kostenvoranschlag für den Tunnel sogar noch unterschritten.
Der Tunnel selbst steigt von den Endportalen her zur Mitte hin leicht an und ist leicht gekrümmt, so dass man nicht nur wegen seiner Länge das jeweils andere Ende nicht sehen kann.
Der Baubeginn des Tunnels war 1876, also ein Jahr später als beim Küllstedter- und dem Friedatunnel, die bereits im Jahre 1875 begonnen wurden, während der Bischofferöder Tunnel im Herbst 1876 von beiden Seiten angestochen wurde und schließlich im November 1878 vollendet werden konnte. Auf das Datum der Fertigstellung weist wahrscheinlich auch die Inschrift „gebaut 1878“ am Westportal des Tunnels hin.
Der Bauunternehmer des Tunnelbauloses war ein Herr Michel (Vorname unbekannt), der aus Bayern kam. Der Tunnelbau entstand auch hier unter der Mitwirkung von italienischen Gastarbeitern aus Südtirol, wie fast überall entlang des Kanonenbahn-Abschnitts, die damals als Spezialisten im Tunnelbau galten. Außerdem fanden an der Baustelle noch Polen, Tschechen, Kroaten und sowie auch Deutsche eine Anstellung.
Auch hier entstanden teilweise ab dem Jahre 1875 in der Nähe der Tunneleingänge Baracken mit Kantinen, wie am späteren Schrankenposten im Fischbach an der Ostseite oder auch im westlichen Einschnitt vor Bischofferode. Auf der Burghofener Seite waren es folgende Wirte, die beim Tunnelbau Gaststätten betrieben:
Burghard Beck aus Mönchhosbach, Heinrich Ebert, Friedrich Schneider, Ernst Most, die ihre Kantinen oder Gaststätten schon in 1875 eröffnet hatten. Im Jahre 1876 folgte noch der Mühlenbesitzer Reinhard aus Waldkappel und im Jahre 1877 noch der Gastwirt Münscher als erster Bauherr auf dem Arnecke-Mänzen Hof im Fischbach.
Die gewaltigen Erdmassen aus dem Tunnelinneren, die beim Vorantrieb des Tunnels entstanden, mussten per Hand oder mit Pferden bespannten Loren auf Feldbahngleisen aus der Röhre heraus geschafft werden und wurden beim westlichen Vortrieb an einer Stelle nördlich von Bischofferode deponiert, die noch heute den Namen „Auf der Kippe“ trägt.
Die beiden Tunnelportale sind wie bei allen langen Kanonenbahn-Tunneln recht kunstvoll gearbeitet, das Ostportal nur mit einigem Zierrat, während hier das Westportal mit Türmchen und der Jahreszahl 1878 geschmückt ist. Sämtliche Tunnelportale entlang der Kanonenbahn zwischen Berlin und Metz ähneln einander, diese sind jedoch trotz vieler Gemeinsamkeiten alle individuell gestaltet worden. Während das Westportal in etwa so ausgeführt wurde, wie der ursprüngliche Plan es auch vorsah, hatte man bei der Errichtung des Ostportals nur wenige Details so ausgeführt, wie es auf den damaligen Plänen zu sehen war. Ursprünglich sollte das Ostportal an den beiden Seitenteilen auch mit Zinnen versehen werden und an der Portalfront sollten über den Ecken kleine Türmchen die Blicke auf sich ziehen. Außerdem wurden von den drei vorgesehenen „Schießscharten“ in den Seitenmauern vermutlich mangels Platz nur zwei ausgeführt. Über die änderungen beim Bau kann man nur Vermutungen anstellen. Möglich wäre, dass der Bau unter Zeitdruck stand, aber auch die Überschreitung des vorgesehenen Etats für die Portale wäre nicht auszuschließen.
Wenn der Tunnel reden könnte, würde er aus seiner rund 100-jährigen Geschichte, in der die Strecke in Betrieb war, viel zu erzählen haben:
Da war zum Beispiel Katharina Niemeyer aus Bischofferode, die im Jahre 1880 Futter von den saftigen Wiesen im Fischbach hinter dem östlichen Ende des Tunnels mit der Kiepe regelmäßig Futter für das Vieh geholt hatte, wozu sie immer den Weg durch den Tunnel nahm, obwohl es verboten war. Auf einem ihrer Unternehmungen wurde sie vom Bahnmeister erwischt, der gerade mit einer Draisine durch den Tunnel fuhr, aber er ließ Gnade vor Recht ergehen und ließ Frau Niemeyer, wahrscheinlich nach einer gehörigen Gardinenpredigt, ihren langen Weg auf der Draisine fortsetzen.
Im Jahre 1914 kam kurz nach dem Beginn des Ersten Weltkrieges der Befehl, den Tunnel und die sonstigen Bahnanlagen im Fischbach und den Bahnhof Burghofen zu bewachen, weil die Obrigkeit Angst hatte, dass Spione den Aufmarsch der Deutschen Truppen nach Westen verhindern könnten. Daher mussten trotz der Erntearbeiten in Burghofen, Schemmern und den Nachbardörfern, die gerade im vollen Gange waren, zwischen 15 und 25 Männer abkommandiert werden, um die Bahn zu bewachen. Die dafür erforderlichen Gewehre erhielten sie vom Kriegerverein in Allendorf an der Werra. Nach Beendigung des Aufmarsches wurden sämtliche Wachen wieder abgezogen, nur die Tunnelwache musste noch bleiben. Diese aber wurden dann nicht mehr von Männern aus den umliegenden Orten, sondern von vier Korporalschaften des Infanterie-Regimentes 167 aus Eschwege übernommen. Diese Mannschaften hatten zunächst ihr Quartier im Gemeindehaus von Schemmern genommen, später kampierten sie aber in Burghofen. Sämtliche Wachen wurden schließlich im Dezember 1914 abgezogen und gänzlich aufgehoben, da sich die Angst vor Anschlägen auf Tunnel und Bahnanlagen nicht bewahrheitet hatte.
Da man beim Bau der Kanonenbahntunnel Mitte der 1970er Jahre des 19. Jahrhunderts in Deutschland noch keine große Erfahrung im Tunnelbau besaß und auch der Pfusch am Bau grassierte, siehe auch Friedatunnel, musste auch dem Bischofferöder Tunnel von Anfang an große Aufmerksamkeit geschenkt werden.
So hatten die Streckenläufer, die den Tunnel regelmäßig durchquerten, nicht nur im Winter die Eiszapfen abzuschlagen, die sich an der Tunneldecke immer wieder bildeten, sondern mussten auch auf lose oder herab gefallene Quader achten, die aus dem Tunnelgewölbe stammten. Die Gefahr war groß, wenn so etwas geschah, dann kam es meistens zu größeren Gewölbeeinbrüchen.
Zu einem solchen Gewölbeeinbruch muss es in der Nacht vom Montag, den 31. August auf Dienstag, den 1. September 1931 im Bischofferöder Tunnel gekommen sein, da das Homberger Kreisblatt am 2. September darüber berichtete, dass sich dort ein schweres Einsturzunglück ereignet hatte. Noch in der Nacht zum Dienstag wurde mit der Wiederherstellung des Tunnels begonnen, damit der Verkehr bald wieder fließen konnte. Mehr als 40 Bauarbeiter waren damit beschäftigt, das Tunnelgewölbe zu reparieren. Dabei scheint in der Eile ein Baugerüst nicht korrekt gesichert worden zu sein, so dass in der Nähe des Tunnelausgangs in Richtung Burghofen ein Gerüst in sich zusammenbrach und drei Handlanger darunter begrub, von denen zwei schwer und einer leicht verletzt wurde. Ein vierter Arbeiter kam mit dem Schrecken davon. Bei den Verletzten handelte es sich um zwei Handlanger aus Burghofen und einen aus Schemmern, von denen einer bei dem Unglück so schwer verletzt wurde, dass er noch während der Nacht in die Göttinger Klinik gebracht werden musste.
Im Winter 1938 musste der Tunnel erneut einer größeren Reparatur unterzogen werden. Als Baulokomotive musste die 57 1422, eine preußische G 10, beheimatet in Eschwege-West, herhalten. Anscheinend nach Beendigung der Arbeiten stellte sich der Bautrupp der Kamera und es entstanden eine Aufnahme im Inneren des Tunnels und eine vor dem Westportal. Wenn man der Perspektive glauben mag, scheint das Gleis damals in der Tunnelmitte verlegt gewesen zu sein.
Im Tunneldurchmesser von Anbeginn für zwei Gleise ausgelegt, war im Tunnel nur ein Gleis verlegt worden, bis dieser in der 2.Jahreshälfte des Jahres 1944 als Zufluchtsstätte bei Tieffliegerangriffen zweigleisig ausgebaut wurde. Dies geschah vermutlich im Hinblick auf die Nähe des Bahnhofes Waldkappel, der sich bekanntlich auf einer Anhöhe ohne natürlichen Schutz vor Tieffliegerangriffen befand, was gegen Ende des 2. Weltkrieges fatale Folgen für den Bahnhof hatte. Außerdem spielte der Bahnhof Waldkappel mit dem gesamten Kanonenbahnabschnitt eine gewisse Rolle beim Abtransport der Rüstungsgüter aus der Munitionsfabrik Hirschhagen, die sich nur wenige Kilometer hinter dem Bahnhof Waldkappel in Richtung Kassel befand. Nach 1945 wurde das zweite Gleis im Tunnel wieder entfernt.
In den Jahren 1961 und 1962 wurde der Tunnel ein letztes mal gründlich überholt. Die Arbeiten wurden fast ausschließlich von Italienern durchgeführt, die für die Dauer der Arbeiten in Waggons übernachtet hatten, die am Bahnhof Burghofen auf dem Gleis vor dem Güterschuppen abgestellt waren. Die Baumaschinen befanden sich ebenfalls dort, weil am Bahnhof mehr Platz vorhanden war als im engen Tunneleinschnitt. Von dort aus wurden Steine und Beton per Köf und offenem Güterwagen mehrmals täglich in den Tunnel gefahren.
Als die Zeit für die Strecke schon fast abgelaufen war, führten Eisenbahnfreunde am 26. April 1969 mit einem Oldtimer-Verbrennungstriebwagen der Baureihe VT 60.5 aus den Jahren 1939 und 1940 eine Fahrt von Malsfeld aus bis nach Wanfried durch. Auf der Fahrt durch den Bischofferöder Tunnel in Richtung Waldkappel fand vor dem Ostportal ein Fotografierhalt statt.
Schließlich fand mit dem 25. Mai 1974 die letzte Fahrt von Malsfeld her in Richtung Eschwege statt. Da gab es vor dem Westportal für Eisenbahnfreunde ein letztes Mal die Möglichkeit, einen Schienenbus vor dem Tunnel und bei der Einfahrt hinein zu fotografieren.
Nach der Stilllegung des Streckenabschnitts wurden die beiden Portale des Tunnels erst nach dem Rückbau der Strecke im Jahre 1975 bis auf einige Fluglöcher für Fledermäuse zugemauert und mit zweiflügeligen großen Toren versehen, damit der Tunnel noch begehbar war. Man hätte einen Fahrradweg oder ähnliches hindurch führen können, denn die Bausubstanz des Tunnels ist im Gegensatz zu den Eichsfeldtunneln noch heute sehr gut und da dieser durch geologisch ruhige Zonen führt, gab es in all den Jahren auch kaum Wassereinbrüche.
Erst in den Jahren um 2010 wurde auch von offizieller Seite die Idee von einem Fernradweg entlang der Kanonenbahntrasse zwischen Malsfeld und Waldkappel aufgegriffen, die auch den Bischofferöder Tunnel mit einbeziehen soll. Ob dieser Vorschlag wohl jemals zur Realität wird?
Der Tunnel wird seitens der DB Netz bis heute noch regelmäßig durch einen Bauwerkprüftrupp begangen und bergamtlich untersucht. Bisher sind keine größeren Schäden an der Bausubstanz bekannt geworden. Allerdings werden seit etwa 2004 aus Geldmangel keine Arbeiten mehr an den Tunnelportalen, wie das Entfernen von Buschwerk und anderes, durchgeführt, die das Mauerwerk zerstören könnten. Dadurch ist die endgültige Zerstörung des Baudenkmals vorprogrammiert.
Im Dezember 2003 wurden die zwischenzeitlich schräg in ihren Angeln hängenden großen Tore entfernt und durch weitmaschige Metallgitter ersetzt, damit die Fledermäuse besser ein- und ausfliegen können. Im Gitter befindet sich eine verschlossene Tür, damit der bauliche Zustand des Tunnels bei Bedarf kontrolliert werden kann.
Am Westportal des Eisbergtunnels auf der Bischofferöder Seite, daher auch der Name des Tunnels, bei km 72,01 angekommen, musste der Autor auch einige Strapazen auf sich nehmen, um durch den etwa 400 Meter langen Einschnitt zum Portal vorzustoßen. Von Süden her rauscht direkt am Tunnel ein Bachlauf kaskadenartig die gemauerte Rinne hinunter, um an der gleichen Seite in oder manchmal auch neben der Rinne dem Ende des Tunnel-Einschnitts entgegen zu fließen. Der Bach wird oberhalb der seitlichen Tunnelausmauerung schon von einer gemauerten Rinne aufgenommen, bevor er in den Kaskaden zur Sohle des Einschnitts fließt.
Wie die Baupläne vom Westportal zeigen, hatte man sich beim Bau auch dort nicht exakt an die Vorlage gehalten. Die Frontansicht passt zwar überein, jedoch wurde an Stelle des Wappens die Jahreszahl 1878 in den oberen Mittelstein eingefügt. Die Veränderungen an den Seitenmauern setzen sich zusammen aus dem Weglassen der kleinen Bögen am oberen Abschluss, dafür wurden aber in den beiden seitlichen Mauern wie am Ostportal auch schmale „Schießscharten“ eingefügt. In den Türmchen am oberen Frontabschluss hat man beim Bau die vorgesehenen Fensteröffnungen der Einfachheit halber schlichtweg „vergessen“.
Im Einschnitt treffen wir nach wenigen Metern auf der Südseite auf eine etwa 50 Meter lange Stützmauer, hinter der sich etwa bei km 72,1 alte Grundmauern befinden, die wahrscheinlich von einer ehemaligen Tunnel-Baubude oder sogar von einer Kantine herrühren. Das Gebäude wurde aber vermutlich schon sehr frühzeitig abgebrochen. Im Einschnitt liegt der Schotter noch fast überall, trotzdem ist hier alles ziemlich zu gewachsen, sogar etliche umgestürzte Bäume hindern am Durchkommen entlang der Trasse, aber der ehemalige Verlauf des Schienenweges selbst ist hier noch recht gut zu erkennen. Die letzten Meter der ursprünglichen Trasse im Einschnitt münden heute in eine Kuhweide, die nur während der vegetationslosen Zeit begangen werden kann.
Vor dem Abriss der Unterführung, Mostebrücke genannt, am Ortseingang von Bischofferode ging die Trasse am Ende des Einschnitts in einen Damm über. Dort wurde bis etwa in das Jahr 1975 die Straße von Hetzerode her kommend in einer recht schmalen Straßenunterführung nach einem großen Bogen im rechten Winkel überquert, wobei sich die Straße in einer engen S-Kurve durch die Unterführung quälen musste. Nach 1975 wurde diese mitsamt dem Damm abgetragen, die Straße verbreitert und die Kurve entschärft.
Jenseits der Straße und unmittelbar hinter der ehemaligen Unterführung beim Strecken-Kilometer 72,78 befand sich bis zur Stilllegung der Strecke am 26. Mai 1974 der neue Haltepunkt Bischofferode. Vor dem Aufgang zum neuen Haltepunkt steht ein ehemaliges Bahnwärterhaus, das heutzutage als Wohnhaus genutzt wird und das als Bahnhaus nicht mehr zu erkennen ist.
Carl Bellingroth schoss im Jahre 1934 vor der Unterführung bei km 72,7 ein Foto mit der Treysaer 24 065 mit dem P 1323. Dieses Foto ist seit der Auflösung der Bundesbahn-Direktion Kassel, das mit der Integrierung dieser Dienststelle in die DB-Direktion Frankfurt verbunden war, leider verschwunden.
Autor: Hermann Josef Friske